Klar, natürlich ist das ein Oldtimer! Wellblechstruktur und offenes Cockpit, also müsste es eine frühe Junkers sein. Aber irgendwas stimmt nicht. Der Motor – da sollte doch eigentlich ein Sternmotor in der Rumpfspitze stecken. Und der Propeller? Viel zu fortschrittlich. Ganz abgesehen vom modernen Einziehfahrwerk. Stimmt genau.

Die Maschine, die auf dem verschneiten Schwarzwald-Flugplatz Donaueschingen am 7. Dezember zum Erstflug startet, ist zwar eine völlige Neuentwicklung. Optisch kommt sie aber im Retro-Look daher. Die neue A60 der Junkers Flugzeugwerke GmbH aus Hochmössingen in Oberndorf am Neckar hat nun mit dem Erstflug ihre Flugerprobung begonnen.

Ein Blick ins Cockpit der Maschine.
Ein Blick ins Cockpit der Maschine. | Bild: Jürgen Schelling

Es gibt bereits ein Schwestermodell zu diesem Ultraleichtflugzeug vom Typ A60, die Junkers A50 Junior. Diese nutzt die gleichen Tragflächen, auch das Leitwerk ist identisch. Aber der Rumpf und die Konfiguration der beiden Maschinen unterscheiden sich deutlich. Die einmotorige A50 Junior mit zwei Sitzen hintereinander war allerdings vor 90 Jahren kein wirtschaftlicher Erfolg für Luftfahrtpionier Hugo Junkers.

Lediglich 69 Exemplare wurden in den 1930er-Jahren in Dessau gebaut. Die Retro-A50 Junior fliegt seit wenigen Jahren als Ultraleichtflugzeug, erste Serienflugzeuge werden seit Ende 2022 ausgeliefert. Die neue A60 ist dank des Einziehfahrwerks schneller als die A50 mit ihren etwa 140 km/h Reisegeschwindigkeit. Zudem sind bei der A60 die Sitze neben- und nicht hintereinander wie bei der Junior angeordnet. Für sie gibt es allerdings kein historisches Junkers-Vorbild.

Morszeck und Kälin heißen die Macher

Dominik Kälin und Dieter Morszeck sind beide Geschäftsführer der Junkers Flugzeugwerke GmbH im Ortsteil Hochmössingen von Oberndorf am Neckar zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. Dieter Morszeck, Initiator des Projekts und erfahrener Pilot, ist Bewunderer des Könnens von Hugo Junkers. Morszecks Vater gründete in der gleichen Ära wie der Luftfahrtpionier das bis heute bestehende Koffer-Unternehmen Rimowa in Köln. Er verwendete wie dieser ebenfalls geriffeltes Duraluminium für sein besonders leichtes Reisegepäck.

Dieter Morszeck, Ex-CEO und Eigentümer von Rimowa, widmet sich heute dem Bau von Junkers-Flugzeugen in Europa und Waco-Doppeldeckern in den USA. Dominik Kälin und sein Team wiederum sind erfahrene Metall-Flugzeugbauer. Er und Morszeck haben auch bereits drei flugfähige Nachbauten der sechssitzigen Junkers F13 verwirklicht, in den 1920er-Jahren eines der meistgebauten Verkehrsflugzeuge.

Dass die neue Junkers A60 realisiert werden konnte, liegt an der noch recht jungen 600-Kilogramm-Klasse innerhalb der ultraleichten Luftfahrzeuge in Europa. Diese durften früher nur maximal 472 Kilo beim Abflug wiegen. Damit wäre die schon ohne Pilot und Treibstoff 380 Kilo schwere A60 nicht zu verwirklichen gewesen. In diese neue europäische Klasse mit 600 Kilo Abfluggewicht passt die A60 genau hinein.

15 Liter Super pro Stunde

Unter der nostalgischen A60-Motorhaube sitzt ein moderner Antrieb. Er leistet 100 PS und verbraucht in der Stunde etwa 15 Liter Superbenzin. Er muss mitsamt dem Dreiblatt-Propeller aus deutscher Produktion einen festgesetzten Lärm-Grenzwert im Flug unterschreiten. Das Revival der Mini-Junkers folgt einem derzeitigen Trend im Ultraleichtflugzeugbau, historische Flugzeuge oder deren Neuinterpretation wieder aufleben zu lassen.

Der große Vorteil dieser Ultraleichtflugzeuge: Zum Fliegen reicht ein sogenannter Luftfahrerschein für Luftsportgeräteführer. Der ist wesentlich preiswerter und schneller zu erlangen als eine Privatpilotenlizenz, die zum Steuern der typischen Cessna, Piper und Co berechtigt. Allerdings darf im Ultraleichtflugzeug höchstens ein Passagier mitfliegen, Nacht- , Kunst- oder Instrumentenflug ist mit ihnen verboten. Vor Publikum präsentiert wird die neue A60 auf der Luftfahrtmesse AERO im April 2024 in Friedrichshafen.