Die große Tanzfläche in der Haupthalle der Singener Diskothek Top10 ist leer. Wo sich sonst zahlreiche Gäste zum Takt der Musik bewegen und bunte Lichter über die Feiernden hinwegblitzen, sind an diesem Tag nur die grauen Bodenplatten zu sehen. An den Bars wurde aufgestuhlt, zu hören ist statt lauten Bässen nur der Hall der eigenen Schritte. Es ist ein trauriger Anblick.
Auch bei Dominik Dilger, Betriebsleiter des Clubs, herrscht alles andere als Feierlaune. Vor fast genau sechs Monaten, am 7. März, hatte das Top10 in Singen zum vorerst letzten Mal geöffnet. Dann kam Corona, die Clubs in Deutschland wurden aufgrund der Infektionsgefahr geschlossen. Seitdem warten die Betreiber darauf, wieder öffnen zu dürfen – bisher vergeblich.

Finanzielle Verluste für Club und Mitarbeiter
„Das ist eine ganz schwierige Situation“, erzählt Dilger. Der Club mache einen großen finanziellen Verlust. Zahlen will der Betriebsleiter nicht nennen, sagt aber, er sei immens – „und das jeden Monat aufs Neue.“ Zwar könne das Top10 von Reserven zehren, „irgendwann sind die aber auch aufgebraucht.“ Um die Schäden einzudämmen, befinden sich die meisten Mitarbeiter in 100-prozentiger Kurzarbeit. „Das hat uns sehr geholfen“, sagt Dilger. Allerdings fehle es den Mitarbeitern trotzdem an Geld, auch, weil Nachtzuschläge wegfallen. Zwar zahlt das Top10 diese zur Hälfte aus, Verluste gibt es aber trotzdem.
Außerdem seien rund 90 der etwa 120 Angestellten Aushilfen, die das Kurzarbeitergeld nicht in Anspruch nehmen können. Problematisch, wenn sie nicht mehr bezahlt werden können – etwa 25 Aushilfen habe das Top10 aus diesem Grund verloren. Und es sei ungewiss, ob sie in der Zukunft wieder zurückkommen oder bereits etwas anderes gefunden haben. Zudem sei der Arbeitsvertrag eines Angestellten ausgelaufen, aufgrund der Kurzarbeit habe er auch nicht verlängert werden können.
Alternatives Programm soll helfen
Von staatlicher Seite halfen zunächst die Corona-Überbrückungshilfen, mittlerweile habe man die Stabilisierungshilfe des Landes beantragt. Das helfe, „die kompletten Kosten deckt das aber natürlich nicht ab“, so Dominik Dilger.
Um außerdem zumindest etwas Einnahmen generieren zu können, bietet das Top10 in Singen seit Ende Juni einen Barbetrieb und Shishas im Außenbereich des Clubs an und kann so zumindest einen Teil der Angestellten mit Arbeit versorgen. Dazu wird Musik gespielt. „Mit Feiern hat das aber natürlich gar nichts zu tun“, erklärt Dilger. Die Gäste dürfen nicht herumlaufen, ihnen werden stattdessen feste Plätze zugewiesen. Das Angebot werde gut wahrgenommen, allerdings erwarten viele Gäste von der Öffnung des Top10 etwas anderes – sie wollen feiern und tanzen.

Unverständnis für unterschiedliche Regelungen
„Viele Stammgäste gehen jetzt in die Schweiz„, bedauert Dilger. Dort dürfen Clubs unter Auflagen nämlich öffnen. Beim Betriebsleiter des Top10 löst das Unverständnis aus. Das Virus mache an der Grenze schließlich nicht Halt. Dass aber im Nachbarland gefeiert werden darf, bedeute zusätzliche Schwierigkeiten für die Clubs in Grenznähe – denn sie müssen um einen Besucherverlust fürchten, möglicherweise auch über die Corona-Krise hinaus. Allerdings ist es in der Schweiz in der Vergangenheit auch schon zu Corona-Ausbrüchen durch Partygänger gekommen.

Zudem ist sich Dominik Dilger sicher: „Die jungen Leute suchen sich Möglichkeiten, zu feiern“ – und achten dabei nicht unbedingt immer auf Abstandsregeln, frische Luft, Kontaktverfolgung. Im Top10 dagegen sei genau diese Kontrolle möglich. Man verfüge über eine gute Lüfungsanlage, könne durch Bestuhlen der Tanzfläche für Abstand sorgen und außerdem nur eine bestimmte Anzahl an Gästen zulassen.
Zusätzlich sei das Personal geschult, die Kontaktverfolgung durchzuführen, auch bei U18-Feiern sei das üblich. „Wir können hier ein einigermaßen sicheres Feiern ermöglichen“, beteuert er. Er fände auch ein Pilotprojekt sinnvoll, bei dem etwa in einem Club in einer von Corona weitgehend verschonten Region Hygienekonzepte getestet werden könnten – „damit es mal voran geht.“
Auch Berrys und Erdbeermund leiden
Aber nicht nur im Top10 hat man mit der Pandemie zu kämpfen. Noch schlimmer sieht es laut Dilger im Singener Club Erdbeermund und im Konstanzer Tanzlokal Berry‘s aus, die mit Dirk Bamberger den gleichen Geschäftsführer haben wie das Top10. Die Lage dort sei noch schwieriger, erzählt Dominik Dilger. Weil es dort nicht die gleichen Möglichkeiten gibt wie im Top10, wird aktuell kein Barbetrieb angeboten. Der sei zwar geplant, so Dilger, allerdings komme es darauf an, ob die Städte diesen genehmigen.
Vorerst seien dort aber alle Mitarbeiter in 100-prozentiger Kurzarbeit. Hinzu kommt, dass die Räumlichkeiten der Clubs im Gegensatz zum Top10 gepachtet sind. Die Pacht könne man zwar stunden, sagt Dominik Dilger – aber eben nicht auf Dauer.
Es fehlt an Perspektiven
Und noch ist kein Ende der Durststrecke in Sicht. Persönlich befürchtet Dilger, „dass es in diesem Jahr auf keinen Fall mehr etwas wird.“ Frühestens im März rechnet er mit Besserung. „Die einzige Hoffnung wäre ein Impfstoff.“ Dennoch habe man ein Hygienekonzept ausgearbeitet, um möglichst schnell wieder starten zu können, sobald es von der Politik das Okay gibt. „Ich hoffe, dass es nicht mehr allzu lange geht, sonst verlieren wir noch mehr Mitarbeiter“, wünscht sich Dilger.
Das Versprechen: Die Clubs werden überleben
Dennoch, auch wenn die Situation für Clubs gerade alles andere als gut ist, verspricht Dominik Dilger: Das Top10 wird es auch in Zukunft noch geben. „Ich denke, das können wir mit gutem Gewissen sagen.“ Natürlich hänge das auch davon ab, wie lange Clubs noch geschlossen bleiben müssen, aber Dilger ist sich sicher: „Wir werden die Zeit überstehen.“ Das gleiche gelte für das Berry‘s und den Erdbeermund.
Um sich dafür einzusetzen, tüftelt Dilger derzeit an verschiedenen Ideen. Mit ihnen soll zusätzlich zum Barbetrieb, der im Winter ins Innere des Top10 verlegt werden soll, Geld eingenommen werden. So möchte Dilger auf dem Parkplatz des Clubs einen Autoflohmarkt veranstalten, außerdem sollen ein paar der Räume etwa für private Feiern vermietet werden. Die Konzepte liegen bereits bei der Stadt, so Dilger.