Der erste Kampf um die Lufthansa-Maschine Landshut wurde am 18. Oktober 1977 ausgefochten. Er endete nach wenigen Minuten mit der erfolgreichen Befreiung von Passagieren und Crew aus der Gewalt palästinensischer Terroristen durch die Polizei-Spezialeinheit GSG 9. Der zweite Kampf um die Landshut dauert seit dem 24. September 2017 – und ist noch immer nicht beendet.

Auf der einen Seite stehen jene, die die nun sechs Jahre währende Einlagerung der zerlegten Landshut am Flughafen Friedrichshafen als Trauerspiel empfinden. Zu ihnen gehören alle, die die Geiselnahme in der Maschine selbst erlebten, wie der damalige Co-Pilot Jürgen Vietor (heute 81) oder die Chef-Stewardess Gabriele von Lutzau (69). „Wir sind enttäuscht, wie das alles gelaufen ist“, sagt Vietor dem SÜDKURIER.

Große Versprechen damals, Ernüchterung heute

Sieht man auf die prallen Versprechungen, die Zeitzeugen und Öffentlichkeit 2017 gemacht wurden, muss man dem Ex-Piloten Recht geben: Das aus Brasilien heimgeholte Wrack sollte wieder zu jener Landshut des Deutschen Herbstes zurück restauriert werden: zum emotionsbeladenen Symbol einer Republik, die sich vom Terror nicht erpressen lässt. Das Interesse tausender Zuschauer, die damals die Ankunft der Landshut verfolgten, beflügelte diese Vision.

Auf der anderen Seite steht seit 2021 die Abteilung Nüchtern, die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Ihre in moderner, digital aufbereiteter Bildungsvermittlung geschulten Experten ringen um die Frage, wie man die Landshut zu einem Erinnerungsobjekt machen kann, das zugleich einen pädagogischen Auftrag erfüllt und etwa Schüler zu Besuchen inspiriert. Eine wieder auf alt gemachte Landshut soll explizit nicht gezeigt werden.

Der frühere Lufthansa-Pilot Jürgen Vietor (von links), die einstige Passagierin Diana Müll und der Ex-GSG-9-Polizist Aribert Martin im ...
Der frühere Lufthansa-Pilot Jürgen Vietor (von links), die einstige Passagierin Diana Müll und der Ex-GSG-9-Polizist Aribert Martin im Hangar. | Bild: Benjamin Schmidt

Für alle Verfechter einer Restaurierung muss es deprimierend wirken, wenn die BpB dem SÜDKURIER auf Anfrage mitteilt, dass noch offen sei, ob das Flugzeug am Ende wie ein Flugzeug aussieht. „Derzeit steht noch nicht fest, welche Teile am Rumpf angebracht werden“, sagt BpB-Sprecher Daniel Kraft.

Was man weiß, ist: Bei der Farbgebung werde es „keine Rekonstruktion oder eine Neu-Lackierung geben“, stellt Kraft klar. Vielleicht werde man an einigen Stellen die Farb- und Materialschichten wieder sichtbar machen. Also eher Archäologen-Skalpell als Spritzpistole und Lackeimer.

Kritiker haben leichtes Spiel

Die Landshut würde also ihre derzeitige äußerliche Tristesse behalten. Allerdings ist man bei der BpB der Meinung, dass genau das von historischem Wert ist, zeugt die abgeschabte Schmuddel-Optik doch vom abenteuerlichen Lebenslauf der Maschine, die am Ende Frachtcontainer flog. Sicher ist laut Daniel Kraft immerhin, dass Besucher das Flugzeug betreten und besichtigen können. Was sie aber dort sehen, liegt im Nebel der internen Debatte bei der BpB. Zurzeit ist der Rumpf eine leergeräumte öde Hülse.

So haben die Kritiker des Konzepts leichtes Spiel, zumal die BpB bei der Gedankenarbeit verharrt und noch nicht einmal sagen kann, wer genau „mit den konservatorischen und restauratorischen Arbeiten an der Maschine betraut sein wird“, so Sprecher Kraft.

Der Rumpfbug der Landshut heute im Hangar in Friedrichshafen.
Der Rumpfbug der Landshut heute im Hangar in Friedrichshafen. | Bild: Fabiane Wieland

Der SWR-Jounalist Martin Rupps, der damals die Rückholung des Wracks mit anregte, sieht die Chance auf eine Landshut als Publikumsmagnet vertan. „Ich kann bei diesem Projekt Vorsicht nachvollziehen“, sagt Rupps dem SÜDKURIER, „aber Übervorsicht führt dazu, dass die Attraktivität verlorengeht.“ Mit dem Konzept der BpB, ist sich Rupps sicher, werde man die „Generationen, die den Deutschen Herbst nicht erlebt haben, nicht erreichen“.

So sieht es auch Torsten Goldmann, Professor am Leibniz-Lungenzentrum in Borstel (Schleswig-Holstein). Auch Goldmann war nach eigener Aussage beteiligt, als die Rückkehr der Landshut bei der SPD und dem damaligen Außenminister Sigmar Gabriel eingefädelt wurde. Heute sagt er, die Pläne der BpB kämen der „symbolischen Bedeutung der Landshut nicht entgegen, im Gegenteil, es führe diese ad absurdum“. Man müsse, formuliert es der Forscher gegenüber dem SÜDKURIER salopp, „die Story der Landshut weitererzählen“. Der „Lernort Landshut“ (O-Ton BpB) sei „abstoßend“. Die BpB weißt indes darauf hin, dass es sich dabei nur um einen Arbeitstitel handele.

Online-Petition soll politischen Druck aufbauen

Das Ziel eines „Symbols unserer wehrhaften Demokratie“ sieht Goldmann nur durch eine originalgetreue Restaurierung der Maschine erreichbar. Deshalb hat er eine Petition ausgearbeitet, die seit dem 7. September auf der Homepage des Bundestags veröffentlicht ist. Unter anderem wird gefordert, die Landshut – wie einst geplant – von der Lufthansa-Technik restaurieren zu lassen. Bis zum 12. September hat die Petition 51 Mitunterzeichner gefunden. Damit das Thema in den Petitionsausschuss des Parlaments gelangt, müsste bis 5. Oktober ein Quorum von 50.000 Unterstützern erreicht werden.

Zufrieden zeigt sich Goldmann mit einem Etappenziel der unendlichen Landshut-Geschichte. Im August wurde der Mietvertrag für die Halle Q am Flughafen Friedrichshafen unterzeichnet, in dem die Maschine künftig stehen soll. Zurzeit lagern ihre Teile in einem Hangar, der die BpB nach eigener Auskunft monatlich mehr als 6700 Euro Miete kostet.

Die Kosten summierten sich seit April 2021 auf mehr als 272.000 Euro, nachdem man die Landshut aus der Verantwortung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) übernommen hatte. Die hatte dem Airport seit 2017 monatlich rund 4000 Euro überwiesen.

Früher eine Flugwerft: In dieser Halle soll künftig die Landshut stehen.
Früher eine Flugwerft: In dieser Halle soll künftig die Landshut stehen. | Bild: Benjamin Schmidt

Für die Halle Q, eine leerstehende frühere Flugzeugwerft, die der Air Maintenance GmbH des belgischen Luftfahrt-Unternehmers Laurent Gauthier gehört, muss der Bund eine deutlich höhere Miete berappen. Auf Nachfrage des SÜDKURIER reagierte die im Auftrag der BpB anmietende Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zunächst zugeknöpft und verwies auf die dem Eigner zugesicherte Verschwiegenheit.

Auf ein zweites, juristisch flankiertes Auskunftsersuchen legt die BImA schließlich eine Monatsmiete von rund 47.000 Euro für Halle Q offen. Das ergibt einen jährlichen Aufwand von 564.000 Euro, wozu noch die laufenden Betriebskosten kommen. Der Vertrag läuft auf 15 Jahre und umfasst die Nutzung der 1800-Quadratmeter-Halle, von Büro- und Außenflächen, alles in allem 7140 Quadratmeter.

Noch ist vieles schwammig

Eigner Gauthier sichert im Gegenzug zu, die Immobilie barrierefrei herzurichten. Wann mit den Bauarbeiten, an denen sich der Bund beteiligt, begonnen wird, konnte Gauthier auf Anfrage nicht sagen.

Viel Zeit bleibt nicht mehr. Denn wie die BImA mitteilt, soll die Landshut schon nächsten Jahr in Halle Q zu sehen sein. In welchem Zustand, bleibt dunkel – wie so vieles. Denn was die BpB meint, wenn sie von „interaktiven und partizipativen Elementen“ am Lernort spricht, bleibt genauso schwammig wie der Hinweis auf die Einbindung in den „zeithistorischen Kontext“.

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Was die Besucher damit genau erwartet, kann oder will BpB-Sprecher Kraft auf Anfage nicht verraten, sondern verweist auf die jahrzehntelange didaktische Erfahrung des „Medienhauses“ BpB.

Am Geld scheitert die Sache sicher nicht. Mehrmals wurde aus regionalen SPD-Kreisen die Summe von zehn bis 15 Millionen Euro genannt. Auffällig ist indes, dass sich die ministerielle Schirmherrin des Ganzen, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), noch nie zur Landshut geäußert hat. Das Schweigen hat Tradition. Auch Sigmar Gabriel war schon zur Ankunft der Maschine am Bodensee nicht mehr erschienen.