Zwischen 1970 und 1998 entführte die Rote-Armee-Fraktion (RAF) Menschen und verübte Anschläge von Hamburg bis an den Bodensee. Die Terrorgruppierung schreckte dabei nicht vor Mord oder Bombenattentaten zurück.

In den letzten 20 Jahren war es still geworden um die ehemaligen Mitglieder der Terrorgruppe. Immer wieder gab es Hinweise zur Fahndung, aber handfest war keiner davon. Bis zum 26. Februar 2024. Der Tag, an dem Daniela Klette plötzlich in Berlin festgenommen werden konnte. Mit ihrer Festnahme wurden die Taten der RAF in Deutschland wieder in Erinnerung gerufen. Taten, die auch in die Bodenseeregion reichen.

1977: Verfolgungsjagd, Schießerei und Sprengstoff in Singen

Eigentlich sollte es nur ein Zwischenstopp werden am 3. Mai 1977. Doch der Aufenthalt in Singen endete für die RAF-Mitglieder Verena Becker und Günter Sonnenberg in einer Schießerei. Eine 64-Jährige entdeckte die beiden Terroristen im Café Hanser und meldete sich bei der Polizei.

Ein Sonderblatt des SÜDKURIER vom Dienstag, 3. Mai 1977, herausgegeben wenige Stunden nach der Verhaftung der beiden Terroristen Verena ...
Ein Sonderblatt des SÜDKURIER vom Dienstag, 3. Mai 1977, herausgegeben wenige Stunden nach der Verhaftung der beiden Terroristen Verena Becker und Günter Sonnenberg. | Bild: Dieter Britz, Sabine Tesche

Als Beamte Becker und Sonnenberg in der Innenstadt kontrollieren wollten, schossen die beiden die Polizisten nieder. Es folgte eine Verfolgungsjagd, die in einem Feuergefecht endete. Sonnenberg erlitt einen Kopfschuss und Becker wurde ins Bein geschossen. Keiner von beiden erlag den Verletzungen und so landeten beide in Haft. Auch die Polizisten kamen mit dem Leben davon.

Angst in den Tagen danach

Doch der Terror endete damit nicht. In den Tagen nach der Schießerei gab es zwei Bombendrohungen. Die 64-jährige Hinweisgeberin bekam Polizeischutz aus Sorge vor einer Vergeltungsaktion der RAF.

Günter Sonnenberg war zunächst nicht transportfähig. Hier ist auf einer Archivaufnahme zu sehen, wie er erst am Samstag, 7. Mai per ...
Günter Sonnenberg war zunächst nicht transportfähig. Hier ist auf einer Archivaufnahme zu sehen, wie er erst am Samstag, 7. Mai per Hubschrauber in eine Tübinger Spezialklinik geflogen wurde. | Bild: Dieter Britz, Sabine Tesche

Der Polizist Wolfgang Seliger ist Zeitzeuge. Er wurde von Becker und Sonnenberg in der Singener Innenstadt mit sieben Schüssen niedergeschossen. Noch heute berichtet er Schülern aus der Region von dem Ereignis.

1986: Eine Autobombe in Immenstaad

Anders als in Singen kam der Terror der RAF am 25. Juli 1986 nicht zufällig nach Immenstaad. Die Gruppe platzierte eine Autobombe vor dem Gebäude des früheren Luft- und Raumfahrtkonzern Dornier. Das Unternehmen stellte Waffensysteme her und wurde damit zum Ziel der RAF. Kurz vor der Katastrophe gab es aber einen entscheidenden Hinweis.

Das Wrack der Autobombe der RAF auf einer Archivaufnahme in Immenstaad vor dem früheren Luft- und Raumfahrtkonzern Dornier. Die Fenster ...
Das Wrack der Autobombe der RAF auf einer Archivaufnahme in Immenstaad vor dem früheren Luft- und Raumfahrtkonzern Dornier. Die Fenster zerbarsten von der Explosion. | Bild: Herbert Guth (SK-Archiv)

Eine unbekannte Person warnte an jenem Freitagmorgen drei Minuten vor der Detonation den Pförtner des Konzerns. An einem VW Polo waren mehrere Kilogramm Sprengstoff befestigt. In der Nähe befand sich ein Bekennerschreiben der RAF. In Rüsselsheim konnten in der Folge im August 1986 drei Terroristen festgenommen werden. Wer die Bombe platzierte, ist aber bis heute unklar.

Der letzte Überlinger Landrat und die Todesnacht von Stammheim

NSDAP- und SA-Mitglied, Landrat von Überlingen und Innenminister von Baden-Württemberg – der gebürtige Konstanzer Karl Schiess war vieles. In seiner Amtszeit von 1972 bis 1978 als Innenminister kam es zur Todesnacht von Stammheim. Am 18. Oktober 1977 nahmen sich die RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in der JVA Stuttgart das Leben. Irmgard Möller, ebenfalls RAF-Mitglied, überlebte ihren Suizidversuch.

Der gebürtige Konstanzer Karl Schiess auf einer Archivaufnahme. Der CDU-Politiker war von 1972 bis 1978 der Innenminister ...
Der gebürtige Konstanzer Karl Schiess auf einer Archivaufnahme. Der CDU-Politiker war von 1972 bis 1978 der Innenminister Baden-Württembergs. Zuvor war er Landrat in Überlingen bis zur Auflösung des Landkreises. | Bild: sk

Viele Details sind auch heute noch ungeklärt. Vor der Todesnacht gaben Schiess und der damalige Justizminister Traugott Bender zu, verfassungswidrig Gespräche von RAF-Terroristen mit ihren Anwälten abgehört zu haben. Schiess wurde im Februar 1978 aus seinem Amt entlassen.

Karl Schiess auf einer Archivaufnahme: Der scheidende Amtsinhaber (l) übergibt den Amtsschlüssel an seinen Nachfolger Lothar Späth, der ...
Karl Schiess auf einer Archivaufnahme: Der scheidende Amtsinhaber (l) übergibt den Amtsschlüssel an seinen Nachfolger Lothar Späth, der am Vormittag vom Landtag bestätigt und vereidigt wurde. | Bild: akg-images / picture-alliance /

Der gebürtige Konstanzer ist auch als der letzte Landrat von Überlingen bekannt. Von 1956 bis zur Auflösung des Landkreises in 1972, war der Konstanzer dort im Amt. Bis zu seinem Tod lebte er auch dort.

Von der RAF entführt und nun in Friedrichshafen

2017 ließ die deutsche Bundesregierung ein Flugzeugwrack von Brasilien nach Friedrichshafen fliegen. Das Projekt kostete mehrere Millionen. Noch heute kommen weitere Kosten hinzu. Bei dem Wrack handelt es sich um die 13. Oktober 1977 entführte Lufthansa-Maschine „Landshut“. Ein palästinensisches Terrorkommando kaperte sie auf dem Flug nach Frankfurt, um den deutschen Staat um die Freilassung inhaftierter RAF-Mitglieder zu erpressen.

Die von vier Terroristen gekaperte Lufthansa-Boeing „Landshut“ auf einer Archivaufnahme, als sie Oktober 1977 auf dem ...
Die von vier Terroristen gekaperte Lufthansa-Boeing „Landshut“ auf einer Archivaufnahme, als sie Oktober 1977 auf dem Rollfeld des Flugplatzes in Dubai steht. | Bild: Nordisk/dpa

Aber ohne Erfolg. Nach mehrtägigen Irrflug befreite ein GSG 9 Kommando schließlich die Passagiere in Mogadischu. Die Landshut flog noch bis 1985 weiter im Liniendienst. 2017 holte die Bundesregierung das Flugzeug nach Friedrichshafen, um es auszustellen.

Seit 2017 steht das Wrack der Flugmaschine Landshut nun in Friedrichshafen. Ein Kraftakt: Hier, auf dieser Archivaufnahme, ist zu sehen, ...
Seit 2017 steht das Wrack der Flugmaschine Landshut nun in Friedrichshafen. Ein Kraftakt: Hier, auf dieser Archivaufnahme, ist zu sehen, wie Teile des Wracks aus einem der zwei russischen Frachtflugzeuge herausgeholt werden. | Bild: Achim Mende

Aber auch heute ist das Flugzeug noch nicht in Friedrichshafen ausgestellt. Die Diskussionen, um den Standort und die Unterbringungskosten des Wracks sind nicht abgeklungen, und sorgen für immer wieder für Kritik.