Verschneite Tannen, schneebedeckte Wiesen – für viele der Inbegriff von perfekten Wintersportbedingungen. Für Markus Klek aus Schramberg dagegen sind es perfekte Bedingungen für ein ganz anderes Vorhaben. „Es war ein Gefühl, als wäre die Natur mein Wohnzimmer“, sagt Markus Klek.
Ein Mantel aus Hirschfell, Stiefel aus Wildschweinleder, Mütze und Handschuhe ebenfalls aus Leder und Fell – gut geschützt vor der Kälte wandert Markus Klek durch die verschneite Landschaft. Er wirkt wie aus der Zeit gefallen. Und schnell stellt sich die Frage: Warum tut er das?
Die Antwort darauf ist für Klek naheliegend. Der 53-Jährige ist Archäotechniker, beschäftigt sich mit Verfahrens- und Arbeitsweisen aus der Steinzeit. Das Wissen zeigt er auch in Museen. Dafür fertigt er realitätsgetreue Nachbildungen von Werkzeugen oder Kleidung an – zumindest so, wie Forscherinnen und Forscher heute denken, dass die Menschen in der Steinzeit damals gelebt haben.
Denn so ganz weiß man es nicht, sagt auch Klek: „Man hat nur Ötzi zum Vergleich aus der Zeit und der lebte am Ende der Steinzeit und war schon so etwas wie sesshaft.“ Stattdessen schaue man, was es für Völker gibt, die unter ähnlichen klimatischen Bedingungen lebten und wie die angezogen waren. Und nun hat Klek die Sachen auf Herz und Nieren getestet.
Kleidung aus Tierfellen statt Thermowäsche
Deswegen hatte Klek auch nicht die modernsten Funktionsteile dabei, die die Outdoorabteilung zu bieten hat. Vielmehr trug er selbst hergestellte Kleidung, transportierte seinen Proviant und alle notwendigen Dinge in einem selbst gebauten Schlitten und Rucksack.
Bei einigen Dinge habe er auf seinen Bestand zurückgreifen können, doch die Schuhe und den Schlitten sowie den Schlafsack musste er neu herstellen. Aus Zeitgründen habe er beim Schlafsack auf Schafsfell zurückgegriffen, das er nicht selbst gegerbt hatte.
„Ein Fehler, wie sich während der Tour zeigte“, so Klek. „Der war immer feucht. Ich weiß nicht, wie die Haut präpariert wurde. Aber wahrscheinlich haben die mit Salzen gearbeitet und das hat halt Feuchtigkeit gezogen.“
Auch wenn der Schlafsack nach wie vor gewärmt habe: Beim nächsten Mal würde Klek lieber Hirschfell verwenden. Das passe auch besser zu der Jäger-und-Sammler-Zeit. Schaffelle hätten die Menschen erst genutzt, als sie sesshaft wurden, sagt der Experte.
Probleme mit dem Schlitten
„Was auch nicht gut funktioniert hat, war mein Schlitten“, sagt Klek. „Da musste ich unterwegs Ballast abwerfen und habe Sachen im Wald gelassen, weil ich gemerkt habe, dass ich nicht schaffe, das alles zu schleppen.“
Der Schlitten, selbst hergestellte Überschuhe und Teile des Proviants mussten dran glauben. Zusammen mit seiner Freundin habe er die Sachen später wieder eingesammelt.
„Ich hatte mit allem abgeschlossen und war einfach nur froh, dass die Sachen weg waren und ich das nicht schleppen musste.“ Dieser Moment auf der Reise sei sehr befreiend gewesen, auch wenn es ein langer Prozess bis dahin war.
„Ich hatte an den Sachen viel gearbeitet. Dann sucht man sich Wege, wo man mit dem Schlitten lang kommt“, erzählt Klek. Funktioniert habe das aber auch nicht, denn zum Teil habe er durch das Unterholz gehen müssen. „Irgendwann habe ich dann gesagt, dass das nicht funktioniert.“
Der Steinzeitmensch mit dem Handy
Eine feste Route hatte der Schramberger nicht: „Ich hatte nur Zielpunkte, wo ich hinmusste.“ Querfeldein, nach Wanderwegen oder der Optik ist Klek gelaufen und hat sich an markanten Punkten in der Landschaft orientiert.
Einen ersten Stopp auf seiner rund 80 Kilometer langen Wanderung gab es in Peterzell bei St. Georgen, einen zweiten in Eisenbacher Ortsteil Bubenbach. Das Wetter machte ihm zwischenzeitlich einen Strich durch die Rechnung: „Auf den Bergen im Schwarzwald war es zum Teil so nebelig, dass ich keine 100 Meter weit gucken konnte. Da musste ich dann doch mit dem Handy und dem Navi arbeiten. Ohne hätte das nicht funktioniert.“

Das Handy war der einzige nicht-steinzeitliche Gegenstand, der er dabei hatte. Für ihn dennoch ein erlaubtes Hilfsmittel. „Es ging mir nie um den Überlebens-Gedanken“, sagt der Archäotechniker. Vielmehr habe er die Ausrüstung auf Herz und Nieren testen wollen. „Das Zeug habe ich jetzt acht Tage angehabt und deswegen sieht es auch entsprechend aus. Ich kann jetzt ganz andere Materialstudien daran betreiben“, sagt Klek.
Dazu habe ihn die Herausforderung gereizt, sich acht Tage „nur in diesem Modus der Steinzeit zu befinden, auf nichts anderes angewiesen zu sein.“ Dabei sei das Leben damals nicht so beschwerlich gewesen, wie es sich heute oftmals vorgestellt wird.
„Man kann mit Dingen, die man selbst direkt aus der Natur gemacht hat, auch heute gut leben. Da ist nichts Primitives dran“, sagt Klek. So sei ihm nie kalt gewesen auf seiner Reise. Eher tendenziell zu warm. „Ich habe unterwegs Schnee gegessen, das war auch zum Runterkühlen ganz gut. So musste ich nicht immer meinen Mantel an- und ausziehen.“
Dörrfleisch und Eichelmehlbrötchen
Etwa ein Jahr lang dauerten die Vorbereitungen. Klek musste nicht nur mit Steinzeit-Methoden die Ausrüstung selbst herstellen und sich Schlafplätze organisieren – schließlich ist Wildcampen in Deutschland verboten –, sondern sich auch um die Verpflegung kümmern.
„Jagen ohne Genehmigung geht in Deutschland ja nicht“, sagt Klek. Getrocknetes Obst und Dörrfleisch hatte Klek dabei, außerdem Haselnüsse und selbst gebackene Eichelmehlbrötchen. Die schmeckten durch die in den Eicheln enthaltenen Bitterstoffe „eigentlich eklig“, sagt Klek nach seiner Wanderung lachend. „Vermischt mit etwas Honig und Nüssen ging es aber.“
Mag seine Wanderung für einige auch sonderbar klingen, für Klek war sie ein lang gehegter Wunsch. Eis, Schnee, Skandinavien oder Kanada reizen ihn. „Der Winter hat die Tendenz, dass alles gleich aussieht. Alles ist zugedeckt, alles ist beruhigt“, so Klek. Noch dazu seien viel weniger Leute unterwegs. „Wenn man Einsamkeit und Ruhe in Mitteleuropa haben möchte, dann ist der Winter die beste Idee dafür.“
Dennoch sei er am Ende seiner Tour körperlich erschöpfter gewesen, als er im Vorfeld angenommen hatte. „Ich wusste, dass ich das kann. Aber ich bin kein Sportler, mehr so eine Couchpotato“, sagt Klek selbst über sich. Das zum Teil unwegsame Gelände, bergauf und bergab durch den Wald sei da schon eine Herausforderung gewesen.
Aber es habe sich gelohnt, so Klek: „Es ist ein ganz einfaches Leben. Man wundert sich, wie wenig man eigentlich braucht.“ Minimalistischer Leben will der Schramberger jetzt aber nicht. Denn der Moment, in dem die Natur das Wohnzimmer war, hielt nur kurz an. „Solange bis man in ein Auto steigt. Dann ist das Gefühl schon wieder sehr weit weg.“