Um das jüngste Werk von Peter Lenk bahnt sich ein Kulturkampf an. Die Frage lautet: Darf der Schwäbische Laokoon mit Winfried Kretschmann als Hauptfigur für immer stehenbleiben? Oder müssen Künstler mit Helferstab die Figurengruppe bis 30. Juni abbauen und schnell abtransportieren – wie bisher vereinbart?

Ist das Werk zu vulgär?

Tatsache ist: Über das Kunstwerk gehen in der Landeshauptstadt zwei Meinungen um. Die „Kunst-Schickeria“, wie Peter Lenk sie nennt, äußert sich kritisch bis abfällig über die nach ihrer Meinung drastischen Darstellungen oder die Machart. Das Werk wurde Ende Oktober 2020 vor dem Stadtpalais aufgestellt – als zeitweilige Ausstellung. Dessen Direktor fand die Idee anfangs originell.

Denkmal mit vielen Details: Peter Lenks Porträt von Heiner Geißler.
Denkmal mit vielen Details: Peter Lenks Porträt von Heiner Geißler. | Bild: Fricker, Ulrich

Inzwischen äußert sich Torben Giese ungünstig über das bis zu neun Meter hohe Werk, das die Vorgänge um den Bau des neuen Tiefbahnhofs aufs Korn nimmt (Stuttgart 21). „Für ein dauerhafte Verbleiben ist ihm das Werk zu vulgär“, so gibt eine Sprecherin des Stadtpalais die Meinung von Dr. Giese wieder.

Winfried Kretschmann trägt nur ein Feigenblatt

Auch anderen Stuttgartern ist der monströs ausladende Laokoon zu wenig intellektuell und zu wenig abstrakt. Denn Lenk geht wie gewohnt sehr direkt zu Werk. Er zeigt buchstäblich nackte Tatsachen und erzählt in dutzenden Figuren ein Stück Zeitgeschichte. Den Ministerpräsidenten stellt er als nackten Priester Laokoon dar, der nur mit einem Feigenblatt die Scham bedeckt. Das Feigenblatt für den Helden ist lediglich angeschraubt.

Bildhauer Peter Lenk.
Bildhauer Peter Lenk. | Bild: Baur, Martin

Vereinbart ist bisher, dass das Ensemble bis 30. Juni ein Gastrecht vor dem Palais genießt. Diese Frist wackelt, seitdem vor einigen Tagen ein neuer Akteur die Stuttgarter Kulturbühne betrat: Die Stadtführerin Doris Zilger startete eine Petition an den neuen Oberbürgermeister Frank Nopper, für die sie als Quorum 3700 Unterschriften benötigt. Mehrere hundert Menschen aus Stadt und Land haben bereits ihren Namen darunter gesetzt – in nur zwei Tagen.

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Das Ziel ist ehrgeizig. Die Initiative strebt an, dass Laokoon über den Sommer hinaus vor dem ehemaligen Königssitz stehen bleibt – immerhin einer der exponiertesten Plätze in der Landeshauptstadt. Durch die leicht erhöhte Lage über der Kulturmeile Adenauer Straße wirkt die Fläche wie ein Silbertablett für Kunst.

„Das ist eine touristische Attraktion“

Die Initiative sieht einen Zugewinn für Stuttgart, wenn das Werk stehenbleiben sollte. In der Petition heißt es: „Auch das Denkmal zu S 21 wird in Stuttgart weiterhin eine touristische Attraktion sein. Die Skulptur stellt doch ein stadtgeschichtliches, humorvoll-satirisches Dokument zu der Thematik um Stuttgart 21 dar.“

Vulgär? Ein Hermaphrodit, Teil der Stuttgart 21-Satire.
Vulgär? Ein Hermaphrodit, Teil der Stuttgart 21-Satire. | Bild: Fricker, Ulrich

Torben Giese hat indes andere Pläne. Lenk weg, Cocktails her. Wie in den vergangenen Sommern soll es wieder ein „Stuttgart am Meer“ geben. Dafür wird genau der kleine Park benötigt, in dem momentan die Skulpturen stehen, die nun gar kein mediterranes Gefühl verbreiten. Gieses Projekt ist als Ruhezone in der Metropole gedacht, mit Bänken und Getränken für die Großstadtmenschen und etwas Kunst. Es geht also nur das eine oder das andere – das gedankenschwere Lenk‘sche Welttheater oder der Freizeitpark im Herzen der Stadt.

„Er will vor allem sich selbst feiern“

Peter Lenk hat für derlei bemühte Lustbarkeit kein Verständnis. „Herr Giese will vor allem sich selbst feiern“, ahnt er, sagt er dem SÜDKURIER. Für den Bildhauer ist das „Eventkultur mit Champagner“, um die sich dann alles dreht. Dass die Stuttgarter ohnehin etwas schwergängig seien, wurde ihm schon als Student an der hiesigen Kunsthochschule klar.

So schnell kann die Skulptur ohnehin nicht abgebaut werden. „Meine Helfer für den Schwertransport sind längst nicht alle geimpft“, bemerkt er schmunzelnd. Vor der Immunisierung könne das Werk Figur ohnehin nicht bewegt werden, da wolle er sich ganz an die Bestimmungen halten.