Frau Keller, es ist nun schon mehr als ein Jahr her, dennoch die Frage, wie war Ihre Gefühlslage, als Sie seinerzeit im Rahmen der ersten Sitzung nach den Wahlen als Gemeinderätin „vereidigt“ worden sind?
Es war für mich ein spannendes, feierliches und schönes Gefühl. Beim Wahlkampf und der Wahl habe ich mich schon auf das Amt vorbereitet, aber das war dann der Startschuss, dass es jetzt richtig losgeht.
Mittlerweile haben Sie etliche Ratssitzungen erlebt. Was für einen Eindruck haben Sie von der Arbeit im Gremium?
Ich finde es insgesamt ein sehr harmonisches Miteinander. Aber trotzdem werden die Themen kritisch beleuchtet, jedoch ohne sich „die Köpfe einzuschlagen“. Alles erfolgt auf einer sehr sachlichen Ebene. Auch wenn man nicht immer einer Meinung ist, kann man sich weiter in die Augen schauen, es wird nichts nachgetragen und man kann gemeinsam weiter arbeiten.
Ich habe meine eigene Meinung, aber ich überlege mir immer, worin eine andere Meinung begründet ist. Da ist es schon manchmal schwierig abzuwägen, welche Argumente in meinen Augen dann doch die wichtigeren oder nachhaltigeren sind. Man macht sich bei manchen Entscheidungen nicht nur Freunde, aber man muss dann hinter seiner Entscheidung stehen, weil man sich die nicht leicht gemacht hat.

Wie fühlen Sie sich als Frau in dieser Institution aufgenommen?
Eigentlich sehr gut. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass da Unterschiede gemacht werden, ob ein Mann oder eine Frau das Wort ergreift. Es kommt vielmehr auf die Argumente an.
Sicherlich hatten Sie gewisse Vorstellungen, wie die Abläufe in einer Sitzung sind. Gibt es Unterschiede zur Realität und wenn ja, welche?
Ehrlich gesagt nicht. Ich habe mir vorher auch schon Sitzungen angeschaut und auch Gespräche mit anderen Gemeinderäten geführt. Da konnte ich mir schon vorstellen, wie das abläuft.
Wie groß ist der Aufwand, um sich auf Sitzungen vorzubereiten bzw. diese nachzuarbeiten?
Das ist ganz unterschiedlich. Bei vielen Themen bin ich recht schnell, mich einzuarbeiten. Aber es gibt natürlich auch Themen, bei denen ich mich noch nicht so auskenne und da ist der Aufwand schon größer. Beispielsweise bei Baugesuchen, da schau ich mir gerne die Örtlichkeit vorher an, um mir ein Bild zu machen. Oder bei Neuanschaffungen orientiere ich mich daran, was es am Markt für Alternativen gibt. Im Großen und Ganzen hatte ich mit einem gewissen Zeitaufwand gerechnet. Man befasst sich ja vorher damit und weiß, worauf man sich einlässt.
Die Materie der verschiedenen Tagesordnungspunkte ist bestimmt neu für Sie. Wie kommen Sie damit zurecht und haben Sie Unterstützung bei Bedarf?
Bisher bin ich ganz gut zurechtgekommen. Aber wenn ich irgendwo Fragen habe, frage ich bei anderen Gemeinderäten oder bei der Verwaltung nach. Ich bin noch nie vor geschlossene Türen gestanden, wenn ich etwas gebraucht habe. Und ich weiß mich auch selbst zu informieren.
Hat sich Ihre Situation, Ihre Stellung in der Gemeinde, im Freundes- und Bekanntenkreis geändert, seit Sie Verantwortung für die Entwicklung vom Deggenhausertal übernommen haben?
Ich denke nicht. Ich habe mich auch nicht geändert. Und meine Stellung hat sich somit auch nicht geändert.
Werden Sie von Einwohnern angesprochen und auf Missstände oder ähnliches im Dorf hingewiesen?
Ja, eigentlich regelmäßig. Ich finde das sehr schön, ein direktes Feedback zu der Arbeit, die wir im Gemeinderat machen, zu bekommen. Es geht um Themen oder Bereiche, die dem einzelnen Bürger am Herzen liegen. Es fällt vielen Menschen leichter, mich direkt anzusprechen, als sich an die Gemeindeverwaltung zu wenden; denn da ist die Hemmschwelle oftmals größer. Es ist so, wie ich es mir erhofft hatte, dass ich einen direkten Draht zu den Bürgern habe.

Welches waren für Sie die wichtigsten Themen während des Wahlkampfs und hat sich hier schon etwas bewegt?
Ich vertrete nicht bestimmte Themen. Ich will generell Ansprechpartner sein. Mich in die Themen einarbeiten. Was mich sehr freut ist, dass wir neue Zebrastreifen in Wittenhofen und Untersiggingen bekommen haben, was den Verkehr wirklich entschärft. Es ist schön zu sehen, dass man auch mit kleinen Anliegen Erfolg haben kann. Und dass die Leute auch auf einen zukommen und sich freuen, wenn etwas umgesetzt wurde.
Sie sind jetzt rund 14 Monate im Rat. Können Sie schon feststellen, ob und welchen Mehrwert das Engagement für Sie bringt?
Ich befasse mich jetzt mit Themen, die ich bisher so nicht auf dem Schirm hatte. Es ist sehr interessant, ganz andere Bereich kennen zulernen. Ich lerne viel Neues und ich lerne auch, mich für ganz andere Sachen zu begeistern. Wenn man Entscheidungsprozesse miterlebt und mit gestaltet, versteht man die Entscheidungen viel besser. Es ist gut, wenn wir diskutieren und versuchen gemeinsam das Beste daraus zu machen.
Sind Sie allgemein politisch interessiert und welche Bedeutung messen Sie der Kommunalpolitik zu?
Ich bin durchaus politisch interessiert. Wobei kommunalpolitische Aspekte interessanter sind, weil ich einfach viel näher an den jeweiligen Themen dran bin. Es ist viel leichter möglich, sich einzubringen und seine Umwelt mitzugestalten, in in der Form wie ich denke, dass es richtig ist. Ich zähle mich zu denen, die eine leichte Politikverdrossenheit spüren. Weil das, was vor den Wahlen versprochen wird oftmals hinterher nicht umgesetzt wird. Da ist es besser, sich selbst zu engagieren und Dinge umzusetzen – auf lokalpolitischer Ebene.
Die Folgen von Corona werden sich durchaus auf die Gemeindefinanzen niederschlagen. Rechnen Sie künftig mit schärferen Diskussionen im Gemeinderat bei der Umsetzung verschiedener Projekte?
Soweit ich das erfahren habe, bewegen sich die Auswirkung für die Gemeinde bisher moderat. Wobei man noch sehen muss, wie sich die Gewerbesteuer entwickelt. Auf jeden Fall wird das eine oder andere Thema, gerade bei Anschaffungen wohl noch mal diskutiert werden müssen.
Wenn weniger Geld rein kommt, muss man zusehen, wie man mit Vernunft und Weitblick weiter vorankommt. Es gibt bestimmt Dinge, die man wohl etwas mehr hinten anstellen kann. So wie ich den Gemeinderat bisher erlebt habe wird es durchaus Diskussionen geben – aber keinen Streit.
Gibt es Bereiche, bei denen Sie keinesfalls den Rotstift ansetzen würden – und warum?
Da sehe ich den Kinder- und Jugendbereich, wie Kindergärten und die Schule, weil die Kinder unsere Zukunft sind.
FRAGEN: WOLF-DIETER GUIP