Die Beweisaufnahme nimmt am zweiten Prozesstag viel Raum ein. Zeugen werden vernommen, Bilder vom Tatort, der Schussverletzung und der Waffe gezeigt. Ein 84-Jähriger, der in einer Wohnanlage für Senioren in Friedrichshafen-Berg seine Partnerin erschossen haben soll, muss sich seit vergangener Woche wegen Totschlags vor Gericht verantworten. Der Angeklagte hatte am ersten Prozesstag eine Erklärung verlesen lassen und eingeräumt, die Waffe abgefeuert zu haben. Das sei aber nicht vorsätzlich geschehen.
Wie war die Beziehung der beiden?
Ein Beamter der Kriminalpolizei schilderte bei der Fortsetzung des Prozesses am Donnerstag, der Angeklagte habe von sich aus zu erzählen begonnen. Während einer ersten Begegnung habe dieser von seiner Impotenz gesprochen, bei der Fahrt zur JVA davon, dass seine Partnerin zuletzt vermehrt an ihm herumgenörgelt habe. Eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes und eine Nachbarin berichteten von der Beziehung des Paares. Sie habe sich immer mehr zurückgezogen, nur noch wenige Kontakte gehabt. Er wird als aufgeschlossen beschrieben. Zuletzt habe man schon gemerkt, dass sie sich nicht mehr so verstanden haben, sagte die Nachbarin.
Die Ergebnisse der Spurensicherung gab ein Kriminalhauptkommissar wieder. Weder bei der Obduktion, noch in der Wohnung, sei das Projektil gefunden worden. „Ich hätte gern eine Erklärung, wo es geblieben ist. Doch trotz aufwendiger Suche, sogar dem Einsatz von Polizeihunden, sei es nicht aufgetaucht. Zwei Sachverständige der Rechtsmedizin gingen näher auf die Schussverletzung ein. Beamte des Landeskriminalamts (LKA) waren mit der Untersuchung der Schmauchspuren – das sind Partikel, die bei einem Schuss freigesetzt werden – sowie der Waffe und der Munition befasst.
An der Hand der Geschädigten seien viele Schmauchspuren gefunden worden. Eine eindeutige Erklärung dafür gab es nicht. „Es bleiben Fragezeichen“, so Richter Veiko Böhm. Die Waffe stammt laut dem LKA-Sachverständigen aus den 70er-Jahren. Modelle wie diese werden in der Regel nicht von Sportschützen genutzt, sondern dienten einst als Dienstwaffe. „Wie plausibel ist es, dass sich ein Schuss gelöst hat?“, fragte der Richter. Die Untersuchungen hätten keinen Defekt ergeben. Der Abzug muss also betätigt worden sein. An der Waffe wurden Spuren vom Angeklagten und seiner Partnerin gefunden.
Betrüger geben sich als Mark Keller aus
Wie bereits am ersten Prozesstag kam mehrfach zur Sprache, dass der 84-Jährige anderen gegenüber von einer möglichen Beziehung seiner Partnerin zu einem anderen Mann berichtet habe. Den Aussagen zufolge soll sie jemandem Liebesnachrichten geschrieben haben, der sich als Schauspieler Mark Keller ausgegeben habe. Entsprechende Nachrichten fanden sich bei der Auswertung der Handydaten auf ihrem Smartphone, allerdings von einer Nummer mit der Vorwahl von Ghana. Benutzerkonten der mutmaßlichen Scammer wurden inzwischen deaktiviert.
Angehöriger hatte sie vor Betrügern gewarnt
In mehreren Chatverläufen fanden sich Nachrichten der 84-jährigen Frau, dass ihr Partner zwar nett sei, sich gut um sie kümmere, sie sich aber in einen anderen Mann verliebt habe. Ein Angehöriger sagte vor Gericht aus: „Sie hat mir erzählt, dass sie mit jemandem schreibt, jemand, der angeblich prominent ist, der sie liebt und den sie auch liebt. Das schien mir eine Betrugsmasche zu sein.“ Das habe er ihr auch geschrieben, doch zunächst wollte sie es nicht wahrhaben.
Dass der Angeklagte von diesen Nachrichten Kenntnis hatte, zeigten die Handyauswertungen. Demnach hatte der Angeklagte Mitteilungen von ihrem Smartphone aus an sein eigenes Gerät weitergeleitet. Auch einer Mitarbeiterin der Einrichtung hatte er die Nachrichten gezeigt. Sie habe ebenfalls den Verdacht geäußert, dass es sich dabei um Betrüger handelt, ihm gesagt, dass sie damit zur Polizei gehen müssen. Doch dazu sei es nicht mehr gekommen.
Der Prozess wird am 5. April fortgesetzt. Nach weiteren Zeugenaussagen soll die Beweisaufnahme geschlossen werden. Dann werden die Plädoyers erwartet.