Das Ziel ist ehrgeizig: Die Stadtverwaltung soll bis 2040 klimaneutral werden, bis 2030 sollen bereits die Hälfte der CO2-Emissionen eingespart werden. Dass das aber nicht kostenneutral zu bewerkstelligen ist, machte Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand in seiner Haushaltsrede zur Einbringung des neuen Doppelhaushaltes 2020/21 klar. „Wir wollen 100 Euro pro Einwohner und pro Jahr zusätzlich investieren, um im Bereich Klimaschutz weiter zu kommen“, sagte er vor dem Gemeinderat, der am Montag tagte. Bis 2024 sollen rund 28 Millionen Euro in Klimaschutzprojekte fließen, das sind pro Jahr etwa 6,2 Millionen Euro.
Deutlich weniger Gewerbesteuer
Mit kritischem Blick auf die Stadt Konstanz, die den Klimanotstand in diesem Jahr ausgerufen hatte, merkte OB Brand an: „Verbote und Panikmache sind falsch und zudem absolut antiparlamentarisch, auch wenn Klimapolitik wichtig ist.“
Dass die Stadt so viel Geld investieren will, um „grüner“ zu werden, ist ein klares Zeichen angesichts sinkender Gewerbesteuereinnahmen, die auf Friedrichshafen in den nächsten Jahren zukommen werden. Der Stadtkämmerer geht im Haushaltsentwurf von etwa 39 Millionen Euro Gewerbesteuern aus, zwei Jahre zuvor waren es noch 68 Millionen Euro. „Wir gehen ein gewisses Wagnis ein“, sagte der OB, „denn wie genau die Einnahmen aussehen werden, wissen wir noch nicht.“ Daher sei es umso wichtiger, jetzt Prioritäten zu setzen und antizyklisch zu investieren.
Neben Brand hielten erstmals auch die drei Bürgermeister Stefan Köhler, Andreas Köster und Dieter Stauber eigene Haushaltsreden. Die wichtigsten Inhalte des neuen Haushaltsentwurfs auf einen Blick:
Wofür soll das Geld, das für den Klimaschutz gedacht ist, ausgegeben werden?
Neun Millionen Euro sind vorgesehen für konkrete Maßnahmen wie etwa den Ausbau des Radwegenetzes, den Ausbau der LED-Straßenbeleuchtung oder für barrierefreie Haltestellen. 19 Millionen Euro sollen für weitere Klimaschutz-Maßnahmen verwendet werden, über die der Gemeinderat aber noch beschließen muss. Denkbar laut Stadtverwaltung wären Maßnahmen wie Bürgersolaranlagen oder der Ausbau der Nahwärmenetzen. Eine weitere Idee: Einen Baum für jeden Bürger neu pflanzen, das wären etwa 60.000.
Was sind die größten Projekte, für die Mittel ausgegeben werden sollen?
Eines der größten „Batzen“ im kommenden Haushalt sind die anteiligen Baukosten für den Waggershauser Tunnel an der B 31-neu. 36,2 Millionen Euro zahlt die Stadt in 2020 und 2021 dafür.

Sowohl OB Brand als auch Baubürgermeister Stefan Köhler betonten, dass der Bau von neuen Kitas vordringlich sei. 16,2 Millionen Euro sind dafür eingeplant. Außerdem steht die Sanierung des Graf-Zeppelin-Hauses mit 15,5 Millionen Euro an. Um neuen Wohnraum zu schaffen, will die Stadt 10,3 Millionen Euro in die Hand nehmen, für den Erwerb von Grundstücken 12,5 Millionen Euro. Für die Schulen ist ein Etat in Höhe von 2,9 Millionen Euro anvisiert. Auch das Thema Mobilität soll eines der Hauptfelder sein, in die die Stadt neben dem Klimaschutz investieren will. „Allerdings müssen auch weitere Mittel von Bund und Land fließen, um den weiteren Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt und der Region zu ermöglichen“, so Brand.
Erhöht die Stadt Steuern oder Gebühren?
OB Andreas Brand erläuterte vor den Stadträten, dass keine Steuererhöhungen geplant seien. Stattdessen stellte er die Frage in den Raum, ob es sinnvoll sein könnte, die Gewerbesteuer für einen Zeitraum von fünf Jahren sogar zu senken, um die Wirtschaft in Friedrichshafen zu fördern. Dafür schlug er vor, Gebühren und Abgaben zu überprüfen und gegebenenfalls zu erhöhen. „Die Kostendeckungsgrade sind in vielen Bereichen viel zu niedrig“, sagte OB Brand. Als Beispiel nannte er vor Journalisten etwa die Friedhofsgebühren, die nur eine Deckung von 64 Prozent hätten.

Wo wird denn eingespart?
Im Jahrespressegespräch erläuterte OB Andreas Brand vor Journalisten, dass es bereits Überlegungen in diese Richtung gäbe. So sei ein Verzicht auf die Bahnunterführung in Fischbach denkbar. Auch der Kreisel, der an der Ludwig-Dürr-Schule geplant ist, könnte zurückgestellt werden. Gleiches gilt für die Verlängerung des Uferwegs in Fischbach. Endgültig entscheidet der Gemeinderat.
Wie entwickeln sich die Schulden in der Stadt?
Nachdem Friedrichshafen jahrelang seine Schulden verringerte, 2019 auf rund acht Millionen Euro, wird die Stadt nun neue Schulden machen müssen, um nicht begonnene Projekte abblasen zu müssen. Oberbürgermeister Brand erläuterte, dass die Verschuldung bis 2022 auf etwa 82 Millionen Euro steigen wird.
Wird auch Geld für den Flughafen eingestellt?
Nein. Wie der OB vor Journalisten erläuterte, sind weitere Ausgaben für den Bodensee-Airport im neuen Doppelhaushalt nicht vorgesehen. Der Flughafen selbst beziffert die Mittel, die für wichtige Investitionen bis zum Jahr 2022 nötig wären auf 13,2 Millionen Euro. Die Stadt ist neben dem Bodenseekreis mit knapp 40 Prozent einer der beiden Hauptanteilseigner des Airports.
Wie viel Geld ist in der Kasse der Ferdinand gGmbH mittlerweile?
Nach Angaben von Oberbürgermeister Andreas Brand wurden im Zeitraum zwischen 2016 und 2019 bisher 150 Millionen Euro angespart. Das Geld soll aber nicht ausgegeben werden, wie OB Brand betonte. Sein Ziel ist es, in der Ferdinand gGmbH eine Milliarde Euro anzusparen.
