„Habt ihr eure Masken dabei?“, fragt Tanja Garone ihre beiden Jungs jeden Morgen, wenn sie das Haus verlassen. Die vierfache Mutter aus Friedrichshafen-Fischbach wäre froh, diese Frage nicht mehr stellen zu müssen. „Die Kinder werden drei Mal pro Woche getestet“, sagt sie, „und es ist eine Zumutung für sie, den ganzen Vormittag Maske zu tragen.“ Deshalb hat sich Garone der landesweiten Petition gegen die Maskenpflicht an Schulen angeschlossen, die Therese Klimek, eine Mutter aus Wertheim, initiiert hat. Binnen zwei Tagen haben über 100.000 Menschen unterzeichnet, darunter auch viele Eltern und Lehrkräfte aus Friedrichshafen.


Sie alle eint der Ärger darüber, dass die Landesregierung die Maskenpflicht nun auf unbestimmte Zeit verlängert hat, obwohl sie zunächst nur für 14 Tage nach den Sommerferien – als Schutz gegen Infektionen von Reiserrückkehrern – verordnet wurde. Und dass, obwohl sich das Infektionsgeschehen in Schulen laut Kultusministerium auf „niedrigem Niveau“ befindet. In Zahlen: Aktuell sind gemäß einer Statistik des Ministeriums 0,1 Prozent der 1,5 Millionen Schüler in Baden-Württemberg infiziert. Im Bodenseekreis wurden in den ersten zehn Tagen nach Schulbeginn insgesamt zwölf Schüler PCR-positiv getestet. Hinzu kamen viele falsch-positive Tests, die für Unruhe sorgten.
„Wir haben an den Häfler Schulen während der ganzen Pandemie keine großen Ausbruchsgeschehen beobachtet“, sagt Geschäftsführender Schulleiter Steffen Rooschüz, „und so langsam sollten wir schon wieder in eine Normalität kommen.“ Es sei für ihn logisch und notwendig erschienen, nach den Ferien mit mehr Vorsichtsmaßnahmen in den Schulalltag zu starten. „Allerdings sehen wir doch jetzt – auch nach der Erfahrung der anderen Bundesländer – dass die Effekte mit oder ohne Maske gleich sind – und eben keine Ansteckung passiert.“

Rektor: „Jüngere Kinder haben deutliche Probleme“
Dabei verweist der Schulleiter darauf, dass die Maskenpflicht für alle Schüler im Klassenzimmer mittlerweile lediglich nur noch in vier Bundesländern gilt und die Infektionszahlen der Schüler trotzdem überall zurückgehen. „Besonders jüngere Kinder brauchen die Mundmotorik. Bei Kindern, die sich ohnehin schwerer tun, funktioniert das gar nicht ohne. Zumal auch die Lehrkräfte schlecht zu verstehen sind“, sagt er. Für alle Beschäftigten – und allen voran die Kinder – wäre es eine große Erleichterung, wenn die Maskenpflicht im Klassenzimmer fallen würde.
Das sieht auch Gesamtelternbeiratsvorsitzender Lars Scheider so. „Bei den Eltern herrscht großes Unverständnis, vor allem weil die Politik mit schlechtem Beispiel vorausgeht.“ In Elternkreisen kamen beispielsweise die Bilder von feiernden unmaskierten Politikern auf Wahlpartys am Wochenende gar nicht gut an. Eine Abfrage bei Eltern mit Kindern in verschiedenen Schularten ergab laut Scheider: Die Mehrheit, also rund 80 Prozent, wollen die Maske aus dem Klassenzimmer verbannen. „Der Unterricht muss maskenfrei sein“, sagt er.

Zustimmung bekommt er von Elternbeirätin Sonja Venger, Mutter zweier Grundschulkinder und Rechtsanwältin. „Meine beiden Grundschulkinder sitzen stundenlang mit Maske im Unterricht – selbst an den drei Tagen in der Woche, an denen sie getestet werden. Ungeachtet der negativen Auswirkungen auf die Sprachentwicklung, Rechtschreibung oder Lesefähigkeit der Kinder ist das im Vergleich zu den Freiheiten, die die Politik getesteten Erwachsenen zugesteht nicht nachvollziehbar oder einfach unfassbar“, sagt sie. Kinder seien und waren nie die Treiber der Pandemie gewesen und müssten aber immer umfangreichste Einschränkungen hinnehmen. Die Juristin verweist auf die anderen Bundesländer ohne Maskenpflicht: „In Berlin scheint man dem Kindeswohl bei der Frage der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen ein anderes Gewicht zu geben.“

Dahinter steht die Frage: Warum herrschen an Schulen strenge Regeln?
Ein Sprecher des Sozialministeriums verweist im Gespräch mit dem SÜDKURIER auf verschiedene Faktoren. In Baden-Württemberg seien erst 62 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft und es drohe immer noch eine Überlastung des Gesundheitswesens, wenn die Infektionen sich massiv weiterverbreiten. „Insofern ist es weiterhin wichtig, Maßnahmen zur Reduktion der Weiterverbreitung zu ergreifen. Schulen sind ein Setting in dem sich viele Menschen über vergleichsweise lange Zeit gemeinsam in Innenräumen aufhalten und die Betroffenen haben zudem zahlreiche Kontakte außerhalb der Schule“, sagt der Sprecher. Doch sind Schulen wirklich problematischer als andere Orte, an denen Menschen lange zusammen kommen?
In einer Pressemitteilung des Staatsministeriums vom 28. September heißt es dazu: „Von den zuletzt 341 aktiven Ausbrüchen im Land mit insgesamt 1567 Fällen haben neun an Schulen stattgefunden, mit insgesamt 44 Fällen. Zum Vergleich: 235 Ausbrüche mit 812 Fällen fanden im privaten Umfeld statt, 32 Ausbrüche mit 206 Fällen am Arbeitsplatz.“ Kurz: Sowohl im privaten Bereich als auch am Arbeitsplatz verbreiten sich Infektionen schneller als in Schulen.
„Transmissionen an Schulen sind selten und praktisch ohne Schwererkrankte. Bei standardisierten, longitudinalen Testungen war die Prävalenz in Schulen stets geringer als in der Region“, fasst Hygienikerin Professor Ursel Heudorf im aktuellen „Hessischen Ärzteblatt“ die internationale Studienlage zusammen. Heißt: Schulen sind weder Treiber, noch gefährdete Orte. Und sie waren es auch nie. Allerdings sind sie eben – anders als Unternehmen – in staatlicher Hand und damit auch Hebel zur Pandemiebewältigung.
Sind Lockerungen in Baden-Württemberg geplant?
Angesichts der Tatsache, dass in Sachen Maskenpflicht an Schulen nur noch wenige Bundesländer an einem strengen Kurs festhalten, könnte es auch bald in Baden-Württemberg zu Lockerungen kommen. Das bestätigte Regierungssprecher Arne Braun am Mittwoch. „Es ist schwierig für die Kinder und Jugendlichen, wenn sie die Maske den ganzen Tag tragen müssen. In Bezug auf Lockerungen an den Schulen steht daher eine Erleichterung bei der Maskenpflicht als einer der ersten Punkte auf der Tagesordnung, wenn das angesichts des Pandemiegeschehens verantwortbar ist“, sagt Kultusministerin Theresa Schopper. Zudem seien immer mehr Schüler geimpft. Da die Corona-Verordnung übernächste Woche aktualisiert wird, dürfte es spätestens dann soweit sein.