Im Juni entscheidet die Kommunalpolitik über den Fortbestand des Flughafens. Im Februar musste die Geschäftsführung Insolvenz anmelden; seit Mai läuft das Verfahren. Grund: Die Flughafen-Gesellschaft (FFG) ist überschuldet. Stimmen Stadt Friedrichshafen und Bodenseekreis als Hauptgesellschafter dem nun vorliegenden, umfangreichen Hilfeplan zu, könnte die Pleite verhindert werden – wenn die EU-Kommission zustimmt.
Flughafen-Grundstück steht zum Verkauf
Kernstück ist der Verkauf des Flughafens selbst, also Grundstück und Gebäude. Ohne dieses Geld, dass die FFG als Eigenbeitrag im Sanierungsprozess braucht, wäre das Ende des Airports besiegelt. Im Gespräch ist aktuell ein Kaufpreis von 21,7 Millionen Euro für 1,6 Millionen Quadratmeter, die die Betriebsgesellschaft dann zurückmieten muss. Wunsch-Käufer ist die öffentliche Hand, also Stadt oder Bodenseekreis – und damit die eigenen Gesellschafter. Zusätzlich braucht der Flughafen bis 2025 jährlich rund 8,8 Millionen Euro an Unterstützung.
Am Montagabend entschied sich die Mehrheit im Finanz- und Verwaltungsausschuss mit neun zu fünf Stimmen für den Weg aus der Krise. Mit diesem Votum von CDU, Freien Wählern, SPD und FPD ist eine politische Mehrheit im Gemeinderat bei der Entscheidung zugunsten den Flughafens am 21. Juni so gut wie sicher. Die ÖDP enthielt sich.
Skepsis zu den Passagierzahlen
Dafür sparten Grüne und Netzwerk nicht mit Kritik. Beide Fraktionen trauen den vorgelegten Zahlen nicht. Die FFG geht aktuell davon aus, dass im Jahr 2025 wieder 554 000 Passagiere in Friedrichshafen an- und abfliegen. „Daran glauben wir nicht“, sagte Jürgen Holeksa, Fraktionschef des Netzwerks – genauso wenig, wie seine Fraktion den Mitte November im Gemeinderat präsentierten Fluggastzahlen aus dem Roland-Berger-Gutachten glauben konnte. Die Unternehmensberatung prognostizierte Stand Ende August 2020, dass in fünf Jahren mit viel Optimismus 491 000 Passagiere zu erwarten sind. Optimiere die FFG ihr Geschäftskonzept wie vorgeschlagen, seien 562 000 Passagiere zu erwarten.
Aktuell geht die FFG von insgesamt 700 000 Passagieren weniger bis zum Jahr 2025 aus, als das Gutachten ins Aussicht gestellt hatte; rechnet statt 2,6 nun mit 1,9 Millionen Fluggästen bis dahin. Das sei eine „Zäsur“, sagte Jürgen Holeksa. Ihm gebe zu denken, dass von Januar bis April dieses Jahres nur 6131 Passagiere am Flughafen aus- oder zustiegen, in Memmingen beispielsweise aber 86 457. Friedrichshafen sei abgekoppelt von der allgemeinen Fluggast-Entwicklung in Deutschland und „nicht auf dem Weg, die Zahlen von 2025 zu erreichen“, stellte Holeksa in den Raum. Mit dem Verkauf des „Tafelsilbers“ sei das Geld in absehbarer Zeit verbraucht. Dann stehe der Flughafen als „vermögenslose Gesellschaft“ da.

Noch kritischer äußerte sich Anna Hochmuth, Fraktionschefin der Grünen. Das Berger-Gutachten bezeichnete sie als „eindeutig mangelhaft“, weil es auf die drohende Insolvenz hätte hinweisen müssen. Auch sie verwies auf die neuen Passagierzahlen, die den Ratsunterlagen beigefügt sind und Abweichungen zum Gutachten von bis zu 61 Prozent dokumentieren. Für die Grünen im Gemeinderat sei „das Prinzip Hoffnung gescheitert“, erklärte Felix Bohnacker. „Wir brauchen endlich ein belastbares Ausstiegsszenario.“ Das Risiko, dass der Flughafen doch pleite geht und damit Millionen-Zuschüsse der öffentlichen Hand verpuffen, sei „extrem hoch“.
Die Kritik wies Flughafen-Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr in der Ratssitzung scharf zurück. Es sei „weit hergeholt, das Gutachten so zu verteufeln“ und der FFG „einen Strick daraus zu drehen“. Ende August sei die zweite und dritte Corona-Welle und deren Auswirkungen auf den Flugverkehr nicht vorhersehbar gewesen, und Friedrichshafen lasse sich nicht mit dem Billigflug-Standort Memmingen vergleichen. Wehr pochte darauf, dass wesentliche Aussagen des Gutachtens zur regionalen Bedeutung des Airports und dessen Brutto-Wertschöpfung unverändert gelten.
Ohne Verkauf des Flughafens nicht genug Eigenkapital
Weitere Fragen gab es zum geplanten Verkauf des Flughafens. So wollte Simon Wolpold (Netzwerk) wissen, warum im Berger-Gutachten ein Teilgrundstück für 6 Millionen Euro „gehandelt“ wurde und das gesamte Gelände jetzt nur für 21,7 Millionen Euro den Besitzer wechseln soll. Laut Claus-Dieter Wehr sei das der sogenannte Liquidationswert, also der Wert nach Rückbau von Terminal, Landebahn oder Altlastensanierung. Auf die Frage von Dagmar Hoehne (Freie Wähler), ob die EU-Kommission dem Verfahren zustimmt, zeigte sich der Flughafenchef nach bisher fünf Gesprächen optimistisch – „wenn der Verkauf der Grundstücke gelingt“. Ohne das nötige Eigenkapital, das bei mindestens 50 Prozent liegen muss, wäre der Sanierungsplan beihilferechtlich Makulatur.
Allerdings bleibt das Eis für die FFG dünn, selbst wenn der Flughafen das Insolvenzverfahren erfolgreich abschließen kann. Nach 2025 sind weitere Investitionen von knapp 15 Millionen Euro nötig. Mindestens ein Viertel davon muss der Flughafen selbst erwirtschaften. Das Szenario geht davon aus, dass der Flughafen mindestens 450 000 Passagiere braucht, um im operativen Geschäft eine „schwarze Null“ zu schreiben – abhängig von den Mietkosten, die der Flughafen zahlen muss.