In Friedrichshafen herrscht akute Kita-Platz-Not. Zum neuen Kindergartenjahr 2022/2023 fehlen laut Stadtverwaltung ohnehin bereits 240 Plätze. Hinzu kommen jetzt noch viele ukrainische Flüchtlingskinder. Wo sollen also all die Kinder betreut werden?, fragte der SÜDKURIER bereits vor einiger Zeit. Denn bereits aus der Bedarfsplanung für 2021/2022 ging ein drastisch steigender Bedarf hervor – und da alle Gruppen bereits seit Jahren maximal (Höchstgruppenstärke) belegt sind, gibt es in der Zeppelinstadt keinerlei Puffer bei den Betreuungsplätzen.

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Jetzt gibt es die Antwort per Sitzungsvorlage, die am Mittwoch dem Kultur-und Sozialausschuss vorgestellt wird: Die Stadt hat bereits per Eilentscheidung Miet-Container bestellt, um drei vorübergehende Kindergärten zu bauen. Auf ein aufwendiges Vergabeverfahren wurde aufgrund der „Dringlichkeitslage“, verzichtet, heißt es in der Vorlage. Kurzfristig sollen mithilfe der gemieteten Container an drei Standorten in Schnetzenhausen, St. Georgen und Löwental temporäre Kitas entstehen. Die Nutzung ist an allen drei Standorten für zunächst fünf Jahre vorgesehen, die außerplanmäßigen Kosten für Baumaßnahmen und Container-Miete belaufen sich auf über 3,3 Millionen Euro.

In Schnetzenhausen ist ein viergruppiger Kindergarten geplant

Der größte Container-Kindergarten soll in Schnetzenhausen auf dem derzeitigen Parkplatz zwischen dem Dorfgemeinschaftshaus und der Oberen Mühlbachstraße entstehen. Das Grundstück ist laut Sitzungsvorlage zwar in Besitz der Stadt, aber nur teilerschlossen. Nach Erschließung von Strom, Wasser, Telekom und Glasfaser sollen hier 54 gemietete Container aufgestellt werden, in der vier Kindergartengruppen Platz haben. Angedacht ist die Anmietung der Container für fünf Jahre. Kostenfaktor des Gesamtprojekts: über 1,8 Millionen Euro plus rund 1,2 Millionen Personal- und Sachkosten.

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In St. Georgen muss der Spielplatz weichen

Ein weiterer Container-Kindergarten ist für den Stadtteil St. Georgen geplant. „Hierfür müsste ein Teil des öffentlichen Spielplatzes für die Kita-Nutzung weichen“, heißt es in der Vorlage. Gemeint ist der Mehrgenerationenspielplatz Kietzenwiese. Zwei Kindergartengruppen hätten hier Platz in 24 Containern, die als Rückläufer aus Markdorf kommen würden, wo sie nicht mehr benötigt werden. Diese etwas kleinere Container-Kita kostet laut Verwaltung für eine Nutzungsdauer von fünf Jahren rund 730.000 Euro (Miete plus Baumaßnahme) und hat Folgekosten (Personal-und Sachkosten) von rund 400.000 Euro.

Das Familienzentrum Noadja soll erweitert werden

Die dritte Container-Kita soll als Erweiterung des Familienzentrums Noadja in Löwental entstehen. In 17 Containern sollen die beiden Gruppen aus dem Johannes-Brenz-Kindergarten, der zum September aufgelöst wird, untergebracht werden. Laut Beschluss der Diakonie Pfingstweid sollte das Johannes-Brenz-Haus in der Ailinger Straße neu gebaut werden, ist es aber noch nicht. Ab September stehen also zwei Kindergartengruppen auf der Straße. „Hier hat die evangelische Kirche mehrere Containerfirmen angefragt, letztlich hat nur eine Containerfirma ein Angebot eingereicht. Dieses Angebot muss zeitnah angenommen werden. Werden die Container nicht mehr geliefert, fehlen uns zusätzlich 25 weitere Kita-Plätze“, heißt es in der Sitzungsvorlage der Stadtverwaltung. Die Bau-und Mietkosten für fünf Jahre belaufen sich hier auf 880.000 Euro plus Folgekosten von 400.000 Euro.

Diese außerplanmäßigen Kosten von rund 3,3 Millionen Euro plus Folgekosten sollen laut Vorlage „durch unterjährige Mehr-Erträge und/oder Weniger-Aufwendungen an anderer Stelle und ggf. darüber hinaus aus vorhandenen liquiden Mitteln des Haushalts der Zeppelin-Stiftung“ erfolgen.

Eigentlich sollte hier, hinter dem Skaterplatz in Fischbach, auf dem Areal der dortigen Grundschule längst eine Kita stehen. Doch der ...
Eigentlich sollte hier, hinter dem Skaterplatz in Fischbach, auf dem Areal der dortigen Grundschule längst eine Kita stehen. Doch der Neubau hat sich massiv verzögert. | Bild: Wienrich, Sabine

Wie konnte es zu diesem Kitaplatz-Desaster kommen?

Seit Jahren baut die Stadt Friedrichshafen Kitas – und trotzdem reichten die Baumaßnahmen nie aus. Denn die Kinderzahlen entwickeln sich – anders als zunächst gedacht – immer weiter nach oben, der Bedarf stieg kontinuierlich steil an. Geplant waren deshalb größere Kita-Neubauten, zum Beispiel in Fischbach auf dem Grundstück der Grundschule und im Karl-Olga-Park sowie eine Übergangskita in der Schwabstraße. Bei den beiden Kita-Neubauten kommt es jetzt zu zeitlichen Verzögerungen, die sich die Stadt für ihre Kinder nicht leisten kann.

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Die große städtische Kita Fischbach sollte eigentlich bereits zum Kindergartenjahr 2021/2022 an den Start gehen. Doch es gab noch nicht mal eine Vergabesitzung. „Das Bauvorhaben für die Kita in Fischbach befindet sich bereits in der konkreten Planung. Das Submissionsverfahren ist seit kurzem abgeschlossen, im nächsten Schritt erfolgt die Vergabesitzung im Gemeinderat am 16. Mai. Der momentane Zeitplan sieht eine Fertigstellung Mitte 2023 vor“, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Bis die geplante Kita im Karl-Olga-Park eröffnet werden kann, wird noch mindestens genauso viel Zeit vergehen, denn der Neubau ist ebenfalls noch nicht begonnen. Die Planungen des Mammutprojekts – Altenheim und Kita unter einem Dach – dauern bereits zwölf Jahre an. Und die Übergangskita in der Schwabstraße? Hier sollte zwischen Schwabstraße und dem Polizeirevier in der Ehlersstraße eine temporäre Kindertagesstätte entstehen, was auch per Grundsatzbeschluss vom Gemeinderat festgelegt, aber nie realisiert wurde.

Verschärft hat sich die ohnehin schon brenzlige Situation noch durch den Wegfall von 97 Kindergartenplätzen (Johannes-Brenz-Kindergarten) und den Flüchtlingsstrom aus der Ukraine, denn hier kommen vor allem Mütter mit ihren Kindern. Die Container-Lösung wurde allerdings laut Sitzungsvorlage bereits Anfang Februar – also weit vor dem Ukraine-Krieg – in der Stadtverwaltung besprochen, wäre also auch ohne die ukrainischen Kinder gekommen. Jetzt geht es allenfalls um die Dringlichkeit, die sich verschärft hat.

Warum werden nicht gleich richtige Kitas gebaut?

Die Zeit drängt. „Ein Neubau in regulärer Bauweise bzw. auch ein Neubau in Modulbauweise kommt aufgrund der Zeitnot nicht in Betracht. Darüber hinaus sind für die kommenden drei bis sieben Jahren mehrere Neubau- und Erweiterungsbauten in Planung, die das Angebot an Kita-Plätzen im Stadtgebiet bedarfsgerecht decken können. Wir benötigen somit einen Lückenschluss mit kurzfristigen Lösungen in Container-Bauweise“, heißt es weiter in der Vorlage. Allerdings finden sich dort bereits auch Hinweise auf mögliche Schwierigkeiten mit Anwohnern – insbesondere in Schnetzenhausen. Ob die Stadt ihre rechtliche Aufgabe also vollkommen erfüllen wird und allen Kindern mit Rechtsanspruch für 2022/2023 einen Kindergartenplatz anbieten kann, ist also noch mehr als ungewiss.

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