Am Mittwochnachmittag startete mit dem Spatenstich der Bau der Freiflächenfotovoltaikanlage auf dem Hofgut Rickertsreute in Oberrickertsreute, einem Ortsteil von Heiligenberg. Die Anlage ist die erste im Bodenseekreis und gleichzeitig die erste Großanlage in Baden-Württemberg mit eigenem Stromspeicher, wie der Investor erklärte. „Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel zu spüren bekommt. Und wir sind die letzte Generation, die etwas dagegen tun kann“, stellte Investor und Bauherr Hubert Bechinger fest.

Bauherr kritisiert mangelndes Interesse der Politiker

Für den Bodenseekreis sei der Solarpark ein Leuchtturmprojekt, sagte Bechinger. Dass weder vom Umweltministerium noch vom Landratsamt jemand zum Spatenstich gekommen war, auch Bundestags- und Landtagsabgeordnete nicht vertreten waren, das war für Hubert Bechinger nicht nachvollziehbar. Es sei aber der Beweis, dass „die Energiewende von den Menschen vor Ort gemacht wird und nicht von den Politikern“.

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Energiewende oder Lebensmittelproduktion? Der Gemeinderat von Überlingen hat die Entscheidung über den Bau einer Fotovoltaikanlage mit einer Fläche von 5,2 Hektar im Ortsteil Bonndorf zunächst vertagt. Hier wollen die Entscheidungsträger zunächst ein Gutachten zur Bodenqualität abwarten.

Bauherr und Investor Hubert Bechinger.
Bauherr und Investor Hubert Bechinger. | Bild: Karlheinz Fahlbusch

Landwirte im Gemeinderat sehen Projekt zunächst skeptisch

In Rickertsreute hingegen soll Grünland überbaut werden. Die Fläche ist mit zwölf Hektar jedoch mehr als doppelt so groß als wie die geplante Fläche in Bonndorf. Im Gemeinderat von Heiligenberg sitzen vier Haupterwerbslandwirte und ein Nebenerwerbslandwirt. Diese standen dem Projekt zunächst sehr skeptisch gegenüber. Investor Hubert Bechinger ging nach einem ersten Meinungsbild im Gremium davon aus, dass es nichts wird mit seinem Großprojekt.

Antrag auf Windkraftanlagen am selben Ort scheitert

Hubert Bechinger war bereits mit dem Antrag auf den Bau mehrerer Windkraftanlagen auf dem Areal des Hofguts Rickertsreute in Heiligenberg gescheitert. Bürgermeister Frank Amann bekennt: „Ich selbst war damals auch dagegen.“ Und es gab sehr viel Widerstand aus der Bevölkerung gegen die Windkraft-Pläne. Ganz anders bei der Fotovoltaikanlage. „Es ist nicht wichtig, die Zukunft vorauszusehen, man muss sie gestalten“, zitierte Amann den griechischen Philosophen Perikles. Bürgermeister und Ortsverwaltung setzten auf viel Information, ließen den Gemeinderat einen Fragenkatalog erstellen, gingen mit dem Gremium vor Ort und ins Gespräch mit Hubert Bechinger.

Die Gerätschaften für das Einrammen der Stahlpfosten sind schon da.
Die Gerätschaften für das Einrammen der Stahlpfosten sind schon da. | Bild: Karlheinz Fahlbusch

Für Fotovoltaikanlage nur eine Gegenstimme

Bechinger und seine Projektpartner machten ihre Hausaufgaben offensichtlich gut: Sie beantworteten Fragen sehr umfangreich schriftlich und letztendlich gab es im Gemeinderat nur eine Gegenstimme gegen die Pläne sowie eine Enthaltung. „Mit einem so klaren Ergebnis habe ich nicht gerechnet. Ich hatte eher Zweifel, ob die Sache überhaupt genehmigt wird“, hatte Bechinger nach der maßgeblichen Sitzung gegenüber dem SÜDKURIER festgestellt.

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Beim Spatenstich machte Amann deutlich, dass es nicht ums Geld gegangen sei. Das komme sowieso erst in einigen Jahren mit der Gewerbesteuer. Gleich von Beginn an erhält die Gemeinde eine Vergütung von 0,2 Cent pro Kilowatt eingespeisten Strom. Der Vertrag wurde erst wenige Stunden vor dem Spatenstich unterschrieben.

Unter den Gästen waren neben Bürgermeister Frank Amann (rechts) einige Gemeinderäte.
Unter den Gästen waren neben Bürgermeister Frank Amann (rechts) einige Gemeinderäte. | Bild: Karlheinz Fahlbusch

Hubert Bechinger hatte auch immer wieder das Gespräch mit Fachbehörden gesucht. Dass das Projekt jetzt umgesetzt werden kann, liegt seiner Meinung nach auch daran, dass das Gelände kaum einsehbar ist und die Anlage daher das Landschaftsbild nicht störe. Proteste aus der Bevölkerung habe es nicht gegeben. Aber es gebe durchaus Skeptiker.

Vom Biolandbetrieb zur Energiegewinnungsfläche

Bechinger ist Master of Engineering und 100-prozentiger Gesellschafter des Unternehmens Bechinger Energie. Die Fläche übernahm er 2017 von seinem Onkel Johann Restle. Da war das Hofgut Rickertsreute noch ein Biolandbetrieb mit Mutterkuhhaltung, Ackerbau und Wald. Die 78 Hektar Fläche im Eigenbesitz erwirtschafteten aber keinen Gewinn mehr. Zudem wären große Investitionen nötig gewesen. „Durch meine Haupttätigkeit als Bauingenieur und Bauträger habe ich mich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt, Gebäude auch für die Gewinnung regenerativer Energien zu nutzen“, erklärt Hubert Bechinger. So sei die Idee zur Freiflächenanlage entstanden. Josef Restle steht voll hinter diesen Plänen und unterstützt den Bau der Anlage. Die ursprünglich geplanten Windräder wären für ihn ein Problem gewesen: „Da konnte ich mich nicht dafür begeistern.“

Der Eingang zum Solarpark wird später geschlossen sein. Dann können auch die 50 Schafe, die die Fläche beweiden werden, nicht ausbüxen.
Der Eingang zum Solarpark wird später geschlossen sein. Dann können auch die 50 Schafe, die die Fläche beweiden werden, nicht ausbüxen. | Bild: Karlheinz Fahlbusch

Unter den Modulen sollen einmal 50 Schafe weiden

Der Bauherr selbst sieht sich in einer besonderen Rolle, da er kein Flächenverpächter ist, sondern als Landwirt auch selbst in das Projekt investiert. Sein Credo: „Die Landwirtschaft ist dazu da, Menschen mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Strom gehört dazu.“ Statt intensivem Weidebetrieb werde nun extensive Grundfuttergewinnung betrieben, was gut für Pflanzen und Insekten sei. Unter den Fotovoltaikmodulen sollen einmal rund 50 Schafe weiden. Zeitnah werden die ersten Stahlpfähle in den Boden gerammt, die als Träger der Modultische dienen. Im September soll die Anlage komplett installiert sein. Die Inbetriebnahme ist für Oktober geplant. Dann sollen 15 Millionen Kilowattstunden pro Jahr ins Stromnetz eingespeist werden. Vorausgesetzt, die Sonne verweigert sich nicht. Beim Spatenstich sah es nicht danach aus: Die Sonne strahlte mit voller Kraft.