2023 war für Immenstaad kein gutes Jahr: die Kosten für die Sanierung von Grundschule und Forstwiesen explodierten, der Kindergarten Kippenhausen wurde geräumt und die Linzgauhalle gesperrt. War das Pech oder rächen sich Versäumnisse der vergangenen Jahre?

Da machen sich sicher Versäumnisse der Vergangenheit bemerkbar, der Sanierungsstau in unserer Gemeinde ist an vielen Stellen deutlich spürbar. Das Ortsbauamt hat unter neuer Leitung die Infrastruktur der Gemeinde genau unter die Lupe genommen, die jahrelangen Erfahrungswerte unserer Ortsbaumeisterin bei der Zustandsbewertung von Gebäuden waren und sind dabei sehr wertvoll. Der Gemeinderat hat vor vielen Jahren entschieden, im Kindergarten Kippenhausen und an der Linzgauhalle nichts mehr zu machen. Die Gebäude sind nun 45 bis 50 Jahre alt und wurden dementsprechend nicht mehr instandgesetzt. Deshalb sind im letzten Jahr einige Dinge zusammengekommen, die so nicht vorhersehbar waren. Vielleicht war dies aber auch nötig, um zu verstehen, dass wir wieder investieren müssen und unsere Infrastruktur nicht weiter durch Sparen an falscher Stelle kaputtgehen lassen dürfen. Wir schaffen jetzt Infrastruktur für die nächsten 40 bis 60 Jahre. Wir brauchen die Schule und die Halle. Wir haben im Ort fast 1000 Mitglieder bei den Hennenschlittern, der TuS hat rund 1400 Mitglieder, 200 Grundschulkinder mit Eltern und Großeltern, Jugendliche und Aktive beim Musikverein und zahlreiche andere Vereine mit vielen Engagierten – das ist ein Großteil der Einwohnerschaft, dem diese Projekte direkt zugutekommen, das muss uns etwas wert sein.

Vereine fördern das Miteinander, sie will Bürgermeister Johannes Henne (rechts) auch in Zukunft pragmatisch unterstützen.
Vereine fördern das Miteinander, sie will Bürgermeister Johannes Henne (rechts) auch in Zukunft pragmatisch unterstützen. | Bild: Corinna Raupach

Die Gemeinde muss Schulden aufnehmen, welchen Gestaltungsspielraum haben sie noch?

Ich sehe große Gestaltungsmöglichkeiten eben bei diesen Jahrhundertprojekten wie Halle und Schule. Wie sieht das Raumkonzept aus, wie das Gebäude, welche Nutzungen sind möglich? Dass wir dafür Schulden aufnehmen, ist nicht das eigentliche Problem. Aber Zins und Tilgung werden unseren Ergebnishaushalt in den nächsten Jahren um 750.000 bis 800.000 Euro belasten. Da wir dort laut Plan ohnehin schon rote Zahlen schreiben, müssen wir uns überlegen wie wir unsere laufenden Ausgaben und Aufwendungen herunterschrauben können.

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Gleichzeitig können wir auch gestalten, indem wir Aufgaben wie den Wohnungsbau, die Schaffung von Gewerbeflächen oder die künftige Weiterentwicklung der Kinderbetreuung nach Möglichkeit zusammen mit privaten Partnern und Investoren angehen. Wir als Gemeinde setzen dann die Rahmenbedingungen und bestimmen, wie wir uns eine möglichst nachhaltige Entwicklung unserer Gemeinde vorstellen. Wir haben also tolle Perspektiven bei der Gestaltung, aber es soll und muss anders werden als die Gemeindeentwicklung der letzten Jahrzehnte.

Wohnraum ist in Immenstaad ganz besonders schwer zu bekommen. Welche Möglichkeiten haben Sie als Gemeinde, gegenzusteuern?

Wir sollten an das Neubaugebiet Häldele, den alten Bauhof oder auch das Grundstück des alten Kindergartens Kippenhausen mit städtebaulichen Vorstellungen herangehen, die auch auf die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum setzen. Wenn wir es selbst in der Hand haben, können wir eher dafür sorgen, dass dort dann auch vernünftige Preise aufgerufen werden, sowohl zur Miete als auch zum Kauf. Das hat dann allgemein für die ganze Gemeinde, auch für Kippenhausen einen enormen Mehrwert.

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Trotz der angespannten Situation im Baubereich ist das Jahr 2024 der richtige Zeitpunkt sich hierzu Gedanken zu machen. Außerdem beschäftigen wir uns aktuell mit dem Thema Zweckentfremdungen und Milieuschutz, um wertvollen Wohnraum für das dauerhafte Wohnen zu erhalten. Bei der Zweitwohnungssteuer hat der Gemeinderat die Erhöhung auf 28 Prozent beschlossen. Da ist aber definitiv noch Luft nach oben, wenn wir uns die Herangehensweise von Überlingen und Konstanz ansehen.

50 Jahre nach der Eingemeindung gab es 2023 Debatten um Kippenhausen – der Ortschaftsrat plädierte für seine Beibehaltung, viele Kippenhauser halten am eigenen Kindergarten fest. Wie gut ist das Verhältnis von Haupt- und Teilort?

Immenstaad und Kippenhausen haben ein super Verhältnis. Die beiden ehemaligen Gemeinden sind längst zu einer Gemeinde zusammengewachsen. Fußballer, Volleyballer und Turner trainieren zusammen im TuS, die Musiker sind im Musikverein vereint und bei Feuerwehr, DRK und DLRG wird nicht zwischen Immenstaad und Kippenhausen unterschieden. Selbst in der Fasnet gibt es Immenstaader, die bei der Katzenzunft dabei sind und Kippenhauser bei den Hennenschlittern.

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Seit die unechte Teilortswahl vor zehn Jahren abgeschafft wurde, hat Kippenhausen doppelt so viele Vertreter im Gemeinderat wie jemals zuvor. Dass sich der Ortschaftsrat für seine Beibehaltung entscheiden hat, finde ich in Ordnung. Es muss jetzt aber auch das entsprechende Engagement für Kippenhausen folgen. Aus Sicht der Verwaltung gibt es keinen Unterschied, ob die Bürger im Kernort, in der Siedlung oder eben in Kippenhausen wohnen. Was den Wunsch nach einem Kindergarten in Kippenhausen angeht, so sollten wir uns ehrlich machen und die Verwendung der finanziellen Mittel realistisch und bedarfsgerecht einsetzen. Das sind wir dem Steuerzahler schuldig. Für einen wirtschaftlich zu betreibenden Kindergarten sind die Bedarfe in Kippenhausen einfach nicht gegeben – und dabei hat der Ortschaftsrat auch das Signal gegeben, dass man als Ortschaft gar nicht mehr wesentlich wachsen möchte. Also müssen wir im Sinne von Kippenhausen kreativ werden.

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Ich könnte mir beispielsweise auch eine Mischnutzung in einem mehrgeschossigen Gebäude vorstellen, mit Wohnungen, aber auch mit einer öffentlichen Nutzung für alle Kippenhauser, für die wir uns alles möglich einfallen lassen können, vielleicht auch in Richtung Kinderbetreuung oder eines Dorfladens oder dergleichen. Es ist jetzt in erster Linie Aufgabe des Ortschaftsrates, hierfür Ideen zu liefern. Jetzt hoffe ich zunächst, dass sich viele Leute in die Wahllisten für die Kommunalwahl eintragen – Demokratie ist schließlich die Macht des Volkes.

Wo sehen Sie die besonderen Herausforderungen für 2024?

Unsere großen Projekte sind Linzgauhalle, Interimshalle, Schule, Interimsschule. Wir haben einen guten Plan, aber der hängt in der Schwebe aufgrund des angeschlagenen Bundeshaushalts. Wenn die dreieinhalb Millionen Förderung des Bundes für die Sanierung der Linzgauhalle nicht kommen, überlegen wir uns eine neue Lösung. Auf jeden Fall hat die Hallensituation derzeit oberste Priorität, das ist ganz klar.

Die Linzgauhalle in Immenstaad ist momentan gesperrt. Sie muss saniert werden.
Die Linzgauhalle in Immenstaad ist momentan gesperrt. Sie muss saniert werden. | Bild: Benjamin Schmidt

Bei der Schule wird ein Baubeginn in diesem Jahr immer unwahrscheinlicher, da das Förderprogramm des Landes zum Ausbau des Ganztagesbereichs immer noch auf sich warten lässt, das sind auch rund 2,5 Millionen Euro, auf die wir nicht verzichten können. Schule und Halle bilden das Herzstück der Gemeinde. Die größte Herausforderung für dieses Jahr ist also, wie wir einen guten Plan und eine solide, leistbare Finanzierung für diese zentralen und wichtigen Projekte hinbekommen und wir die Chancen und das Potenzial im Bereich Bildung, Betreuung, sportliches und kulturelles Miteinander in der Gemeinde wieder in Einklang bringen.

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In Immenstaad leben verschiedene Interessengruppen – Meistverdienende am Bodensee und Familien, die kaum über die Runden kommen, Schwimmer, Turner, Junge, Alte. Wie wollen Sie den Zusammenhalt der Gemeinschaft fördern?

Konkurrenzsituationen und Ambivalenzen haben immer bestanden, es wird vielleicht gerade nur stärker ersichtlich. Sicherlich müssen wir alle erkennen, dass wir, zumindest zeitweise, auch mal auf Liebgewonnenes verzichten müssen oder unsere Standards anpassen müssen, um durch die aktuelle Zeit zu kommen. Gleichzeitig muss es auch unsere Aufgaben sein, mehr Transparenz zu den Zwängen, Herausforderungen und Problemstellungen der Gemeinde zu schaffen sowie den offenen und respektvollen Austausch unter den Menschen zu fördern. Denn nur, wenn miteinander gesprochen wird, entsteht gegenseitiges Verständnis. Unseren Vereinen kommt dabei eine wichtige Rolle zu, sie stärken das Miteinander. Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen lernen sich dort kennen und treten für eine gemeinsame Sache ein. Daher ist die Unterstützung der Vereine für mich wichtig, manchmal darf und muss es dabei dann auch pragmatisch und hemdsärmelig zugehen. Für zwingend notwendig halte ich deshalb auch den Bau der Interimshalle, auch wenn uns diese nochmals Geld kostet.

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Wenn Sie sich etwas für Immenstaad wünschen könnten, was wäre das?

Das wäre eine zweite Halle. Dann hätten die Sportler einen Ort, der ausschließlich dem Sport gewidmet wäre. In der Linzgauhalle könnten Schüler turnen und wir hätten die Möglichkeit, parallele Sportangebote, mehr Jugend- und Seniorenarbeit, kulturelle Events, Info- und Kommunikationsveranstaltungen anzubieten, das könnte die Gemeinde auf jeden Fall vertragen. Im Grunde verfolgen wir dieses Ziel ja sogar schon mit der Interimshalle, die wir 10 bis 15 Jahre stehen lassen können und dann eine Ausweichmöglichkeit haben für die Zeit nach der Sanierung der Linzgauhalle. Für eine große Lösung danach haben wir dann genügend Zeit, um planerisch im Außenbereich alles vorzubereiten und die erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen.

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Seit Sie nach Fischbach gezogen sind, unterstellen Ihnen die Narren, dass Sie Ambitionen jenseits der Gemeinde haben. Macht Ihnen Ihr Job als Bürgermeister in Immenstaad noch Spaß?

Mir macht der Job nach wie vor sehr viel Spaß und ich begegne solchen Frotzeleien ganz offen. Als echter Hohenzoller sehe ich das recht neutral und diplomatisch: Ich fühle mich als Bürgermeister im badischen Immenstaad sehr wohl und als Privatmann im württembergischen Fischbach. Natürlich wären wir als Familie gerne in Immenstaad sesshaft geworden, das ist allseits bekannt, aber leider hat es nicht sollen sein. Immenstaad ist einfach eine äußerst attraktive Wohngemeinde und deshalb auch bei Menschen beliebt, die das nötige Kleingeld mitbringen und bei den ohnehin schon hohen Immobilienpreisen sogar noch einen draufsetzen. Aber wir sind froh, dass wir nicht weit weg wohnen. Wir sind und blieben als Familie mit Immenstaad verwurzelt, pflegen unsere Freundschaften, setzen auf die Immenstaader Handwerker, wenn es am Haus etwas zu tun gibt und nehmen am öffentlichen Leben teil. Unabhängig von der privaten Wohnsituation bin ich in Immenstaad gewählt und sehe mich hier auch in der Verantwortung.