Zu fünfeinhalb Jahren Haft ist am vergangenen Freitag am Landgericht Konstanz der 26-Jährige verurteilt worden, der Ende Mai in Markdorf in einer Nacht drei Brandstiftungen begangen hat. Was an den zwei Verhandlungstagen klar wurde: Der Mann, der seit seiner Jugend immer wieder straffällig geworden war, hat seit langen Jahren bereits ein massives Alkohol- und Drogenproblem. Dennoch wird er nun aus der Untersuchungshaft nicht in den sogenannten Maßregelvollzug verbracht, der auch eine zweijährige Therapiebehandlung in einer geschlossenen forensisch-psychiatrischen Klinik vorsieht, sondern in den ganz normalen Strafvollzug. Wie kam es dazu?
Tatsache ist: Diese Entscheidung des Gerichts war eine enge Sache. Die Staatsanwältin hatte Strafvollzug beantragt, die Verteidigerin des Angeklagten den Maßregelvollzug. Das Zünglein an der Waage spielte der medizinische Sachverständige. Der hatte bei dem 26-Jährigen bei seiner Begutachtung eine „dissoziale Persönlichkeitsstörung“ diagnostiziert. Alleine diese Störung würde zwar die „notwendige Schwere“ für eine Unterbringung in einer Therapie aufweisen. Dem Angeklagten, so der Sachverständige, mangele es an der Fähigkeit Bindungen einzugehen, es fehle ihm an Empathie gegenüber seinen Mitmenschen, er habe kein Bewusstsein für ein normales Sozialverhalten. Hinzu kämen, als zweites Kriterium für eine Therapieeinweisung, die Suchtabhängigkeiten des Mannes. Eigentlich also eine klare Sache, könnte man meinen.

Ganz so klar war es aber dann doch nicht, und das lag an dem Angeklagten selbst. Denn mangelnde Einsicht in sein Suchtverhalten und mangelnden Therapiewillen, konstatierte der Gutachter. Während der Mann selbst bereit war, sich einer Alkoholtherapie zu unterziehen, sah er andererseits keine Notwendigkeit für eine Drogen- oder Verhaltenstherapie.

Selbst in der U-Haft noch Drogen konsumiert
Drei bis vier Gramm Cannabis konsumiert er eigenen Angaben nach täglich, auch in der Untersuchungshaft. An das Rauschgift komme man dort problemlos, antwortete er auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Arno Hornstein. Mit seinem Cannabiskonsum komme er jedoch klar, so der 26-Jährige.
Vor Gericht gibt es in dieser Frage aber keinen Unterschied zwischen den Süchten, oder wie es der Gutachter formuliert hatte: keine „selektiven Süchte“. Sucht ist Sucht. Dies in Verbindung mit den zwölf Vorstrafen, etlichen abgebrochenen Entziehungen und ständigen Konfrontationen mit der Polizei führte bei dem Gutachter schließlich zur Diagnose: „Nicht therapierbar.“

Diesen Gegensatz zwischen Selbstbild und tatsächlicher Persönlichkeit offenbarte der 26-Jährige beide Prozesstage hindurch. Während der Schilderungen des Hauptzeugen, dessen Scheune mit Stall Raub der Flammen geworden waren, senkte der Angeklagte den Blick zur Tischplatte. Man mochte glauben, in diesem Moment bereue er seine Taten. Als Richterin Sabine Jann hingegen eine Dreiviertelstunde lang minutiös die Vorstrafen des Mannes verlas und ungerührt die unsäglichen Beleidigungen, die er gegenüber Polizisten ausgesprochen hatte, musste er wiederholt grinsen – bis ihm Staatsanwältin Patricia Müller deswegen harsch in die Parade fuhr.
Viele Puzzleteile führen zur Überzeugung: Nicht therapierbar
Hatte er vor dem Prozess dem Gutachter gegenüber noch angegeben, er habe in den Scheunen und im Waldkindergarten-Bauwagen nach Wertgegenständen suchen wollen und die Feuer nur gelegt, um seine Spuren zu verwischen, so konnte der Angeklagte in der Verhandlung kein Motiv mehr für seine Taten nennen. An alle Betroffenen der Brände, auch an die Stadt und die Kindergartenkinder, hatte der 26-Jährige aus der Untersuchungshaft heraus Entschuldigungsbriefe geschrieben. Im Prozess hingegen brachte er kein Wort der Entschuldigung heraus. Für ihn, so Hornstein in seiner Urteilsbegründung, komme diese Form der Reue nicht ehrlich herüber.
All diese Puzzleteile hatten das Gericht schlussendlich zu der Überzeugung geführt: ohne Einsicht keine Therapie. Ein junger Mann mit einer Latte an Vorstrafen, bei dem man nicht den Eindruck habe, er wisse, worum es gehe, formulierte es der Vorsitzende Richter in seinen Schlussworten: „Das bereitet mir schon Sorgen.“ Verteidigerin Nicole Pfuhl kann noch bis Freitag Revision einlegen. Bis dahin ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.