Die Freude über ihre Leistung steht Silvia Georgi und Berthold Späth aus Markdorf ins Gesicht geschrieben, als sie nach ihrer Ankunft an den Hamburger Landungsbrücken nahe der Elbphilharmonie stehen. 15 Tage verbringen sie im Juni im Zuge der bundesweiten Aktion Stadtradeln auf dem Fahrrad. Von der eigenen Haustür im Markdorfer Stadtteil Bergheim kämpfen sie sich 1250 Kilometer bis in die Hansestadt.
Ein triumphaler Schlusspunkt, den man sich nach solch einer Strecke vielleicht vorstellen mag, ist es jedoch nicht. Viel mehr ist es der ruhige Abschluss von vielen tollen Erlebnissen und Eindrücken, die die beiden im Laufe ihrer Reise durch Deutschland erlebt haben, sagt Silvia Georgi. „Es ist nicht so, wie wenn man nach einem Marathon im Ziel einläuft. Der Weg war mehr das Ziel.“
Einmal durch die Bundesrepublik
Und dieser Weg beginnt etwas mehr als zwei Wochen zuvor zu Hause. Als Silvia Georgi und Lebensgefährte Berthold Späth ihren Familien und Freunden von der Idee erfahren, ohne Akku-Unterstützung auf einem ganz klassischen Fahrrad in den hohen Norden zu fahren, halten viele das Unterfangen für nicht machbar. Doch für die 46-Jährige, die im Auto- und Traktor-Museum in Uhldingen-Mühlhofen arbeitet und den 54-jährigen Maschinenbautechniker sind lange Radtouren keine Seltenheit.

„Wir machen gerne Touren und wollen das Fahrrad wo es geht in den Alltag einbauen“, erzählt Silvia Georgi im Gespräch. Alle zwei Jahre unternehmen sie auch größere Reisen. „Der Auslöser war damals, dass ich nach Wien wollte. Da hat Berthold gesagt: Wir fahren nach Wien, aber mit dem Rad.“ Zwei Jahre später folgt dann eine Österreich-Rundfahrt, wiederum zwei Jahre später eine Fahrt ans Meer nach Südfrankreich. Zur Aktion des Stadtradelns 2024 will das Duo dann auch mal einen Trip in den Norden unternehmen. Die über 1200 Kilometer nach Hamburg stellen für die leidenschaftlichen Radfahrer und Mountainbiker knapp einen neuen Längen-Rekord auf.
Deutschland von seiner schönsten Seite
Mit etwa 15 Kilogramm Gepäck und einer Radfernweg-Karte machen sich die beiden Mitte Juni von Bergheim auf. Jeden Tag sind sie von 9 bis 19 Uhr auf dem Rad, legen im Schnitt 90 Kilometer zurück. Dann suchen sie sich den nächsten Campingplatz und übernachten in einem Zelt, das sie mit dabei haben. Eine strenge Routine, die Georgi und Späth knapp zwei Wochen durchziehen müssen.
Doch für die Erlebnisse und Begegnungen auf dem Weg lohnt sich der Aufwand, sagt Berthold Späth: „Wir haben viele superschöne Radwege im Land. Wir waren kaum an Straßen unterwegs und viel am Wasser. Auch die Leute waren sehr hilfreich. Das hatten wir so nicht erwartet.“

Eine Begegnung ist dem Duo besonders in Erinnerung geblieben. In Ellwangen stellen die beiden fest, dass ihr auserwählter Zeltplatz für die Nacht geschlossen hat. Auf der Suche nach einer Alternative treffen sie auf eine ältere Dame, die ihnen aus eigenem Antrieb ihren Garten als Unterkunft anbietet. „Wir haben dann am Abend gemeinsam gekocht und am nächsten Morgen gefrühstückt. Sie hat uns einfach so willkommen geheißen. Das war ein unheimlich schönes Erlebnis“, sagt Silvia Georgi.
Keine Probleme mit den Rädern
Insgesamt haben die beiden großes Glück mit den Gegebenheiten. „Wir hatten keinen einzigen Plattfuß und auch sonst keine Probleme an den Rädern“, sagt Berthold Späth. Und wie sah es mit den Kräften und der Motivation aus? Dort muss das Duo zu ganz unterschiedlichen Punkten ein wenig kämpfen. „Ungefähr zur Mitte der Strecke bei Fulda habe ich mir mal gedacht: Ich habe Urlaub, was mache ich hier eigentlich?“, sagt Silvia Georgi und lacht. Als ihnen dann aber irgendwann das erste „Moin“ zur Begrüßung entgegen gerufen wird, ist der Antrieb bei der 46-Jährigen schnell wieder zurück.
Bei Berthold Späth kommt das Tief auf dem letzten Abschnitt, doch auch er hält bis zum Ziel durch. Einen letzten wichtigen Motivationsschub löst die Ankunft in Bremen aus. „Als wir in Bremen angekommen sind, stand erstmals Hamburg auf dem Radwegschild. Das war schon ein großer Moment“, erinnert sich Silvia Georgi.

Von Unwettern bleibt das Duo auf seiner Reise verschont. Dennoch ist es ein Unwetter, das die Ankunft in Hamburg kurzzeitig gefährdet. Am 26. Juni überrascht ein Gewitter mit Starkregen Teile des Bodenseekreises. Vor allem Oberteuringen, aber auch Teile von Markdorf sind betroffen. Der Muldenbach tritt unter anderem auf Höhe des Campingplatzes Wirthshof über die Ufer. Auch Georgi und Späth leben am Muldenbach. „Es war schon ein kleiner Schockmoment, als wir davon erfahren haben“, sagt Berthold Späth. Ihr Haus ist glücklicherweise nicht direkt von den Überflutungen betroffen. „Trotzdem haben wir da kurz überlegt, ob wir abbrechen sollen“, sagt Späth weiter. Ihre Familien reden den beiden dann gut zu, die Fahrt nicht so kurz vor dem Ziel zu beenden.
Die nächste Tour kommt
So kommen Georgi und Späth schließlich am 30. Juni müde und glücklich in der Hansestadt an und werden dort von Silvias Bruder Stefan Georgi in Empfang genommen. Was von den zwei Wochen auf dem Fahrrad neben den Erlebnissen hängen bleibt? „Was gut tut, ist, reduziert unterwegs zu sein. Man stellt fest, wie viel man gar nicht braucht“, sagt Berthold Späth.

Zurück ging es für das Paar dann mit dem Zug. Übrigens: während der gesamten dreiwöchigen Stadtradel-Aktion waren die beiden 2462 Kilometer auf dem Sattel, haben die gleiche Strecke also nochmal im Alltag hinter sich gebracht. 2026 soll dann die nächste große Tour starten. Rom könnten sie sich als Ziel vorstellen. Bis sie sich festlegen, ist noch ein bisschen Zeit. „Wir lassen das hier erstmal sacken“, sagt Berthold Späth und grinst.