Mit dem Kauf der Vermögenswerte (“Assets“) der Weber Automotive GmbH durch die Familie Weber und der anschließenden Neugründung einer Albert Weber GmbH scheint für den insolventen Markdorfer Zulieferer ein Weg aus dem Insolvenzverfahren gefunden zu sein (wir berichteten).
Abwicklung von Weber Automotive in Sicht
Geplant ist, dass Weber Automotive abgewickelt wird, sobald die Vermögenswerte in den Besitz der Familie gewechselt sind. Bis dahin verbleibt der französische Finanzinvestor Ardian noch Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens. In einer neuen Albert Weber GmbH wäre die Familie dann Alleingesellschafter. Ardian, mit dem die Familie im Streit liegt, wäre am neuen Unternehmen nicht mehr beteiligt.

Familie setzt eigenes Vermögen ein
Für den Rückkauf der Vermögenswerte, den so genannten „Asset Deal“, muss die Familie immense Mittel aufwenden. In welcher Höhe wird nicht mitgeteilt. Über den Kaufpreis seien mit dem Sachwalter und mit dem Generalbevollmächtigten im Insolvenzverfahren Stillschweigen vereinbart worden, heißt es seitens der Familie. „Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgt aus einer Mischung aus Eigenkapital und Fremdkapital. Das Eigenkapital stammt aus dem Familienvermögen„, teilt Familien-Sprecher Christian Weber auf Anfrage des SÜDKURIER mit.
IG Metall fordert Tarifvertrag
Unterdessen fordert die IG Metall Pforzheim die Unternehmensführung von Weber Automotive dazu auf, für den Weber-Standort in Neuenbürg mit rund 140 Mitarbeitern in Gespräche über „zukunftsfähige Tarifverträge“ einzusteigen, wie die Pforzheimer Zeitung berichtet. Nach Monaten der Ungewissheit sei es nun an der Zeit, der Belegschaft „echte Sicherheiten“ zu bieten, wird der zuständige Gewerkschaftssekretär der IG Metall Pforzheim, Kai Müller, zitiert. Immerhin, so Müller, sei der alte und neue Eigentümer des Unternehmens an der Insolvenz „nicht ganz unbeteiligt“ gewesen. Nach dem „unfruchtbaren Streit“ zwischen Ardian und der Familie Weber sei es nun geboten, das Unternehmen wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu bringen.
Gibt es einen Sozialplan?
Bei der IG Metall Bodensee-Oberschwaben, die für den Hauptsitz in Markdorf zuständig ist, werden die Pläne der Familie abwartend, aber nicht ablehnend bewertet. Grundsätzlich sehe man es erst einmal positiv, dass es überhaupt eine Perspektive für das insolvente Unternehmen gebe, sagt Gewerkschaftssekretär Frederic Striegler, der in den vergangenen Monaten in enger Abstimmung mit der Belegschaftsvertretung regelmäßig in dem Unternehmen war. Zunächst gelte es nun zu regeln, wie man das Erwerberkonzept ausgestalte und ob und wie im Sinne der Belegschaft der Interessenausgleich für einen eventuellen Sozialplan zu verhandeln sei. Aktuell seien die Verantwortlichen im Insolvenzverfahren noch dabei, die Zukunftsprognosen zu sondieren. Es gehe um die Produktpalette, die jetzt zur Verfügung stehe, und wie eine solche für die Zukunft aussehen müsse.

Zwei Jahre für den Umbau
Nachdem aber bereits ausgemacht ist, dass die Belegschaft reduziert wird und die Familie Weber, so es denn so kommt, mit einem geringeren Mitarbeiterstand in ihr neues Unternehmen Albert Weber GmbH starten wird, müsse man definitiv über einen Sozialplan nachdenken, sagt Striegler. Auch der Häfler IG-Metall-Funktionär spricht sich außerdem zumindest für eine künftig „tarifangelehnte Entlohnung“ der verbleibenden Mitarbeiter aus. Er gehe davon aus, dass der nötige Umbau des Unternehmens hin zu neuen Technologien sehr viel Zeit in Anspruch nehmen werde. „Derzeit ist Weber sehr automobillastig, zwei Jahre wird das neue Unternehmen sicherlich brauchen“, schätzt Striegler.
Corona bremst Verhandlungen
Was Sachwalter Christian Gerloff, der von einem sehr schwierigen Investorenprozess unter äußerst ungünstigen Bedingungen sprach, bereits ausführlich gegenüber dem SÜDKURIER darlegte (wir berichteten am 20. Mai), bestätigt nun auch der Gewerkschaftssekretär. Die seit Monaten andauernde Corona-Krise erschwere die Verhandlungen ungemein, sagt Striegler. Videokonferenzen würden den persönlichen Austausch nicht ersetzen können – ein Umstand, der auch anderen Unternehmen nicht fremd ist, der aber ein Insolvenzverfahren heftig einbremsen kann.
Lösung für alle Standorte
„Uns ist an einer Lösung gelegen, die alle Standorte umgreift und das scheint auch zu klappen“, sagt Striegler. Seitens der IG Metall sei man diesbezüglich in engem Austausch mit den anderen Weber-Standorten. Generell sei man nach eigener Einschätzung derzeit aber eher noch am Anfang des Weges. Hinsichtlich der Übernahme der Vermögenswerte durch die Familie Weber sei es auch für die Gewerkschaft wichtig, nachvollziehen zu können, ob alles solide durchgerechnet sei, so der Häfler Gewerkschaftssekretär. Auch dort erwarte man sich in den kommenden Wochen noch weitere Aufschlüsse. „Ist alles schlüssig und sind die Maßnahmen, die getroffen werden, die richtigen“, seien die Fragen, um die es gehe, so Striegler.

Mittelstand leidet unter Preisdruck
Die Corona-Krise trifft vor allem kleinere und mittelständische Firmen hart und dort die Zulieferbetriebe in der Automotive-Branche, die angesichts der Einbrüche, unter denen auch die Hersteller leiden, zudem unter einem nochmals erhöhten Kostendruck stehen. Und verschärft gilt dies gerade für jene Unternehmen, die bereits in Schieflage sind – wie Weber Automotive. Denn Finanzhilfen vom Staat bekommen nur jene Unternehmen, die im vergangenen Jahr auch einen Gewinn erwirtschaftet hatten. Dazu zählt der Markdorfer Zulieferer nicht. Aus einer aktuellen Umfrage des Industrie- und Handelskammertages unter 15 000 Unternehmen geht hervor, dass sich fast jede fünfte Firma einem Insolvenzrisiko ausgesetzt sieht. Man gehe von einem starken Anstieg bei den Insolvenzen aus, sagt etwa Peter Jany, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben. Einige Prognosen, so Jany, würden „darauf hindeuten, dass die jetzt zu erwartende Rezession stärker sein wird als die nach der Finanzkrise“. Oder wie es Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Freiburger Industrieverbandes WVIB formuliert: „Oben sind die Automobilkonzerne und mit Abstrichen die großen Systemlieferanten. Unten stehen Hunderte kleine und mittelständische Autozulieferfirmen, die sich einem gnadenlosen Preisdruck gegenübersehen.“
Die Hintergründe
- Asset Deal: Bei einem Asset Deal erwirbt ein Investor die Vermögenswerte (“Assets“) eines Unternehmens. Anders als bei einem Kauf von Anteilen wechselt dadurch nicht die Mehrheit an einem Unternehmen den Besitzer, sondern lediglich dessen Sachwerte. Die Mehrheitsverhältnisse an dem Unternehmen bleiben dadurch unberührt. Deswegen wird der Finanzinvestor und bisherige Mehrheitseigner von Weber Automotive, Ardian, auch die Mehrheit an dem Unternehmen behalten, bis es endgültig abgewickelt werden wird. Die Familie Weber als Käufer der Assets in diesem Fall möchte dann die von ihr erworbenen Vermögenswerte in ein von ihr neu zu gründendes Unternehmen Albert Weber GmbH überführen. Mit dem alleinigen Besitz der Vermögenswerte wäre dann die Familie auch Alleineigentümer des neuen Unternehmens. Die Beteiligung von Ardian würde dadurch mit der Abwicklung der Weber Automotive GmbH enden. An der neuen Albert Weber GmbH wäre Ardian dann nicht mehr beteiligt.
- Der Erlös: Mit dem Erlös aus dem Asset Deal sollen die Gläubiger der insolventen Weber Automotive GmbH bedient werden. Das Geld fließt also der Insolvenzmasse zu. Der Mehrheitseigner Ardian gehört im engeren Sinne nicht zu den Gläubigern. Die Mittel, die Ardian seit dem Erwerb der 71-prozentigen Mehrheit an Weber Automotive unter anderem durch Kapitalerhöhungen in das Unternehmen investierte, sind nach Auskunft des Sachwalters im Prinzip wie Gesellschafterdarlehen zu behandeln. Solche werden in einem Insolvenzverfahren aber nachrangig behandelt, wenn es um die Entschädigung der Gläubigeransprüche geht. Den Informationen des SÜDKURIER zufolge richtet Ardian auch keine Ansprüche an das Unternehmen, sondern gegen die Familie Weber, der sie Betrug und Täuschung im Zuge des Einstiegs des Investors Ende 2016 vorwirft.
- Die Strafanzeige: Ardian hält aus diesem Grunde auch an seiner Strafanzeige vom Juli 2019 fest. Über die ist noch nicht entschieden: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt nach wie vor.