Paukenschlag beim insolventen Markdorfer Zulieferer Weber Automotive: Die Gründerfamilie Weber, seit dem Einstieg des Investors Ardian 2016 Minderheitseigner, hat die Anteile an der Unternehmensgruppe zurückgekauft. Künftig werde die Familie Weber wieder, wie vor 2016, alleiniger Eigentümer der Gruppe sein. Dies teilte die von der Geschäftsführung beauftragte Kommunikationsagentur am Freitag mit. Die Belegschaft in Markdorf sei bereits am Freitagvormittag von der Geschäftsleitung informiert worden.
Investor Ardian ist Geschichte
Über den Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden, der Kaufvertrag sei am Mittwoch unterzeichnet worden und soll in einigen Wochen rechtskräftig werden. Damit ist der französische Investor Ardian nun komplett ausgestiegen, eine Entwicklung, die sich in den vergangenen Monaten bereits abgezeichnet hatte. Ardian dürfte mit dem Ausstieg nun deutliche Verluste mit seinem Invest gemacht haben.

Familie hatte im September bereits ihre Kaufabsicht öffentlich gemacht
Weber Automotive hatte im Juli 2019 Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Seither hatten sich die Geschäftsführung und der Generalbevollmächtigte Martin Mucha unter Aufsicht und mit Unterstützung des gerichtlich bestellten Sachwalters Christian Gerloff auf Investorensuche befunden. Christian Weber, Gesellschafter der Weber Holding und Sprecher der Markdorfer Gründerfamilie, hatte bereits im September vergangenen Jahres im Interview mit dem SÜDKURIER die Absicht der Familie öffentlich gemacht, das Unternehmen zurückkaufen zu wollen. „Wir werden unser Angebot abgeben“, hatte er seinerzeit angekündigt.
Informationen des SÜDKURIER zufolge hatte Ardian 75 Prozent der Weber-Anteile besessen, die Familie 25 Prozent. Für den Rückkauf waren also substanzielle finanzielle Mittel vonnöten. Das legt nahe, dass beteiligte Banken und andere Akteure am Kapitalmarkt begründete Chancen auf eine gesicherte Zukunft des angeschlagenen Automotive-Zulieferers sehen.

Weber-Gruppe soll neu aufgestellt werden
Entsprechende Pläne für eine Neuaufstellung der Weber-Gruppe hat die Familie offenbar bereits. So soll das Kernunternehmen Weber Automotive GmbH zeitnah, wie es heißt, in Albert Weber GmbH umbenannt werden. „Als sichtbares Symbol“ der geplanten Transformation, so Christian Weber in der Mitteilung am Freitag, wolle die Familie so „zu unseren Wurzeln zurückkehren“. Gemeint mit der Transformation, deren Ausdruck die Streichung des Begriffs „Automotive“ aus dem Unternehmensnamen ist, sei die Strategie, künftig „über den Automobilsektor hinaus weitere Branchen zu erschließen“. Diesen Weg, so Weber, habe man vor der Insolvenz begonnen und er solle nun „konsequent“ fortgesetzt werden.
Ziel: Einstieg in neue Technologien
Dafür, so kündigt Christian Weber an, werde das Unternehmen „massiv in neue Antriebstechnologien wie Elektroantriebe, Brennstoffzellen und synthetische Kraftstoffe investieren“. Weitere denkbare Branchen für einen Neueinstieg seien die Medizintechnik oder auch der Flugzeugbau. Die technischen Fertigungskompetenzen und den nötigen hohen Automatisierungsgrad würde man im Unternehmen besitzen, so Weber. Nach eigenen Angaben beschäftigt die Weber-Gruppe nach wie vor an weltweit sieben Produktionsstandorten rund 1500 Mitarbeiter.
Kurzarbeit im Zuge der Corona-Krise
Mitte April hat auch Weber Automotive im Zuge der Corona-Krise Kurzarbeit angemeldet. Bis dahin, so heißt es, sei der Geschäftsbetrieb aber ohne Einschränkungen seit dem Eintritt in die Insolvenz fortgeführt worden. Dies sei möglich gewesen, da die Kunden während des Insolvenzverfahrens dem Unternehmen treu geblieben seien. „Es waren vor allem die Mitarbeiter, als auch die großen Stammkunden, die uns in vielen Gesprächen immer wieder das Vertrauen ausgesprochen haben und uns bestärkt haben, diesen Schritt zu gehen“, wird Christian Weber zitiert.
Schwierige Investorensuche
„Wir haben in der Insolvenz wesentliche Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Fortbestand von Weber Automotive gesetzt. Nach dem Verfahren ist das Unternehmen für die Zukunft gut gewappnet“, wird der Generalbevollmächtigte in der Insolvenz, Rechtsanwalt Martin Mucha von der Stuttgarter Kanzlei Grub Brugger, zitiert.

Dass die Investorensuche der vergangenen Monate kein einfaches Unterfangen gewesen sein muss, wird aus der Stellungnahme des Sachwalters Christian Gerloff deutlich. „Einen Investor für das Unternehmen zu finden, gestaltete sich insbesondere in der aktuell schwierigen und unsicheren wirtschaftlichen Lage als besonders herausfordernd. Ich bin deshalb sehr froh, dass es gelungen ist, den Geschäftsbetrieb fortzusetzen und dem Unternehmen eine neue Perspektive zu geben“, so Gerloff.
Kaufvertrag umfasst alle Standorte
Der Verkauf des Unternehmens an die Familie Weber sei in Form eines so genannten Asset Deals erfolgt, heißt es. Dabei werden die entsprechenden Vermögenswerte in eine neue Gesellschaft eingebracht, die den Geschäftsbetrieb fortsetzt. Der Kaufvertrag umfasse alle Produktionsstandorte des Unternehmens sowie alle Beteiligungen, bis auf die an der Saarotec GmbH in St. Ingbert. Für diese Beteiligung strebe die Eigenverwaltung eine unabhängige Einzellösung an, heißt es.
Die Weber-Insolvenz: Hintergründe und Fakten
- Neue Führungsspitze und Zuständigkeiten: Mit dem Verkauf des Unternehmens werden auch die Personalien an der Führungsspitze neu geordnet. Die Familie Weber wird als neuer Eigentümer des Unternehmens sowie der Betriebsimmobilien nicht mehr in der operativen Führung des Unternehmens tätig sein, sondern ihre Tätigkeit dem Unternehmen über einen Familienbeirat zur Verfügung stellen. Die Weber Holding GmbH wird künftig von Roger Breu geführt werden, die operative Führung der Albert Weber GmbH wird Martin Bleimehl übernehmen. Der bisherige Geschäftsführer Frank Grunow sei bereits vor mehreren Wochen aus dem Unternehmen ausgeschieden, hieß es am Freitag auf Nachfrage des SÜDKURIER.
- Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch: In Sachen Betrugsanzeige durch den Investor und bisherigen Mehrheitseigner Ardian gegen die Familie Weber und die bisherige Geschäftsführung ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt nach wie vor. Dies bestätigte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen auf Anfrage des SÜDKURIER. „Der Sachstand ist unverändert. Wann es zu einem Abschluss der Ermittlungen kommen wird, kann derzeit nicht gesagt werden“, teilte Niesen mit. Investor Ardian hatte im Juli 2019 Strafanzeige gestellt, wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Betruges, des Kreditbetruges und der Finanzmanipulation. Ardian wirft den Altgesellschaftern vor, ihn beim Verkauf der Mehrheit des Unternehmens Ende 2016 über dessen tatsächlichen Wert getäuscht und die Geschäftsbilanz 2016 durch eine nicht in den Büchern verbuchte Privattransaktion manipuliert zu haben. Neun Monate dauern die Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft nunmehr an.
- Der Streit, der die Insolvenz auslöste: Dem Schritt in die Insolvenz ging ein Zerwürfnis zwischen der Familie Weber und Investor Ardian voraus. Beide Seiten überwarfen sich in der Frage der künftigen Geschäftsstrategie. Während der Investor und Mehrheitseigner nicht erreichte Geschäftsziele, fehlende Ertragskraft und einen nicht erfüllten Wachstumsplan kritisierte, wollte die Familie weiteres Wachstum und dafür frisches Geld in Form einer Kapitalerhöhung. Dazu war Ardian aber nicht bereit, es kam zum Bruch und in der Folge zur Insolvenz. (gup)