Es gibt kein Tauziehen um die Weber Automotive GmbH. Dies betonen die beiden Verantwortlichen an der Spitze des Insolvenzverfahrens in Eigenregie für das Markdorfer Unternehmen, das im Juli vergangenen Jahres Insolvenz angemeldet hatte. Gegenüber dem SÜDKURIER äußern sich Martin Mucha, der Generalbevollmächtigte im Insolvenzverfahren, und Christian Gerloff, der gerichtlich bestellte Sachwalter im Insolvenzverfahren, erstmals ausführlich öffentlich zum Stand im Insolvenzverfahren, zum bisherigen Investorenprozess und darüber, weshalb die Familie Weber, seit 2016 Minderheitsgesellschafter von Weber Automotive, den Zuschlag im Investorenprozess bekommen hat und nun mittels eines Asset Deals die Mehrheit an dem insolventen Unternehmen zurückerwerben kann.
Kein Veto von Ardian
„Der Streit, der zwischen den Altgesellschaftern stattfindet, hat mit dem Verfahren nichts zu tun. Das ist allein eine Sache der beiden Gesellschafter“, betont Gerloff. In dem Insolvenzverfahren spiele die Auseinandersetzung zwischen dem Mehrheitseigner, dem französischen Investor Ardian, und der Familie Weber als Minderheitsgesellschafter keine Rolle. Dieser Streit betreffe alleine die Eignerebene, nicht aber das operative Geschäft von Weber Automotive und auch nicht den Sanierungsprozess, verdeutlichen Gerloff und Mucha.
In der Tat seien die Gesellschafterverhältnisse, wie von Ardian jüngst angeführt, unverändert: Der Investor hält nach wie vor 75,1 Prozent am Unternehmen, die Familie 24,9 Prozent. Dies sei für das Verfahren selbst aber ohne Belang. „Entscheidend ist das, was die Gläubiger sagen. Ein Insolvenzverfahren ist immer gläubigerorientiert und gläubigerdominiert. Wir brauchten für den Asset Deal keine Zustimmung der Gesellschafter“, sagt Gerloff. Auch Ardian habe sich nicht gegen diesen Asset Deal verwahrt, bestätigt der Sachwalter die Darstellung des Investors.

Insolvenzplan würde länger dauern
Über den Asset Deal wird die Familie Weber den größten Teil der Vermögenswerte der Weber Automotive GmbH zurückerwerben, also Maschinen, Immobilien, Anlagen. Diese Vermögenswerte will die Familie dann als Alleineigentümer in ein zu gründendes Unternehmen Albert Weber GmbH einbringen (wir berichteten). Die neue Gesellschaft sei dann „frei von jeglichen Insolvenzbelastungen und agiere neu“, so Gerloff. Ein solches Verfahren sei deutlich rascher zu realisieren als eine Sanierung über einen Insolvenzplan, bei dem das insolvente Unternehmen über den Verkauf an Anteilen den Eigner wechselt.

Erlös steht Gläubigern zu
Die Familie habe nicht nur einige Assets erworben, sondern fast alle und vor allem alle notwendigen für eine Betriebsfortführung. Weber Automotive bleibe dann zurück als fast leere Hülle – „mit Guthaben, die der Gläubigerbefriedigung dienen“, wie Gerloff betont. Das heißt, dass der Erlös aus dem Asset-Verkauf in die Insolvenzmasse einfließt und den Gläubigern zustehe. Ardian, so heißt es auf Nachfrage, gehöre im Übrigen nicht zu den Gläubigern. Die Gelder, die der Mehrheitseigner im Zuge seines Invests in das Unternehmen gegeben habe, seien im Prinzip Gesellschafterdarlehen. Solche würden im Insolvenzfall aber nachrangig behandelt werden, heißt es. Im Insolvenzverfahren mache Ardian auch keine Ansprüche geltend, nach Kenntnis der Verfahrensverantwortlichen richten sich die Ansprüche des Investors alleine gegen die Familie.

Schwieriger Investorenprozess
Im Falle Weber gab es mit zehn Monaten Dauer einen langen und offenbar auch sehr schwierigen Investorenprozess. „In der heutigen Zeit der Corona-Krise und in dieser Branche, in der es viele Umbrüche von Verbrennungsmotoren hin zu neuen Antriebsformen gibt, ist es alles andere als leicht, überhaupt eine Lösung zu finden, die tragfähig ist und zugleich auch die Akzeptanz auf der Gläubigerseite findet“, bestätigt Gerloff. Mucha, der den Investorenprozess geleitet hatte, äußert sich überzeugt, mit dem Asset Deal an die Familie Weber eine „tragfähige Lösung“ gefunden zu haben. Für einen Betrieb in dieser Größenordnung und unter diesen Umständen – unter Transformationsdruck stehende Automotive-Branche und gegenwärtige Corona-Krise – sei dies „eine gute Botschaft“. Nun müsse das Unternehmen „die Historie hinter sich lassen“, sagt der Insolvenzverwalter: „Weber hat jetzt die zweite Chance erhalten, und ich bin zuversichtlich, dass das Unternehmen sie nutzen wird.“
Kundenstamm wird bleiben
Nun gehe es darum, so Gerloff, dass das Unternehmen „zügig in neue Strukturen kommt, um sich wieder am Markt behaupten zu können“. Solange das Verfahren laufe, würden die Kunden das Unternehmen als „insolvenzbehaftet“ wahrnehmen. Sowohl Gerloff wie auch Mucha betonen, dass die Kunden- und Lieferantenbeziehungen für die Zukunft gesichert seien. Mit der neuen Firma habe man aber keine Rechtsnachfolge der Weber Automotive GmbH. „Die Albert Weber GmbH muss deshalb neue Verträge mit den Kunden und Lieferanten schließen. Das geht relativ reibungslos, weil man zuvor schon geklärt hat, dass man weiter miteinander zusammenarbeitet“, sagt Mucha.
Mitarbeiterstand wird reduziert
Anders sei es bei den Arbeitsverträgen. Die würden auf die neue Gesellschaft übergehen. Mit Blick auf die Turbulenzen der vergangenen Jahre und auf den aktuellen Sinkflug des Verbrennungsmotors wird es dabei auch um das Thema Kostenreduzierung gehen müssen. Dies bestätigt Mucha: Um ein „tragfähiges und zukunftsfähiges Konzept“ umsetzen zu können, müsse man „sicherlich auch kostenseitig verschiedene Maßnahmen ergreifen“, sagt der Insolvenzverwalter. Dies sei aber Thema des neuen Eigners. Fest steht aber laut Mucha, dass es im Mitarbeiterbereich „Anpassungen“ geben werde. In welchem Umfang dies geschehe, stehe noch nicht fest und sei derzeit Gegenstand von Gesprächen.
Nun soll es rasch gehen
Laut Mucha sollen nun „schnellstmöglich“ die Closing-Bedingungen erfüllt werden, also die Voraussetzungen für die Gründung des neuen Unternehmens und die Abwicklung von Weber Automotive. „Da sprechen wir von ein paar Wochen“, sagt er. Nach Vollzug der Transaktion – der Asset Deal wurde in der vergangenen Woche unterzeichnet und soll in einigen Wochen rechtswirksam werden – werde man die Gläubigerbefriedigung vorbereiten und die Abschlüsse fertigen. Dies könne noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Die Gesprächspartner
- Dr. Christian Gerloff: Christian Gerloff von der Kanzlei Gerloff Liebler (München) wurde vom Amtsgericht Konstanz als Sachwalter im Insolvenzverfahren um Weber Automotive eingesetzt. Als Sachwalter ist es seine Aufgabe, das Management des Unternehmens im Interesse der Gläubiger zu begleiten und zu überwachen, ähnlich wie es die Rolle eines Aufsichtsrates ist. Gerloff Liebler ist eine nach eigenen Angaben auf das Insolvenzrecht spezialisierte Anwaltssozietät. Die Kanzlei war unter anderem in die Insolvenzverfahren um die Klinikkette Sanitas-Gruppe, die Modekette K&L Ruppert, das Modeunternehmen Gerry Weber und den Automobilzulieferer Angell-Demmel eingebunden.
- Martin Mucha: Martin Mucha ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner in der ebenfalls auf Insolvenz- und Wirtschaftsrecht spezialisierten Stuttgarter Kanzlei Grub Brugger. Er ist für die Dauer des Verfahrens als Generalbevollmächtigter in das Unternehmen eingetreten und unterstützt die Geschäftsführung in der Restrukturierung des Unternehmens im Zuge der Insolvenz in Eigenregie.