Meersburg – Unter Fackelschein und Trommelwirbel verurteilte das hohe, ehrbare, furchtlose Tribunal des Hexengerichts am Rosenmontag auf dem Marktplatz zwei Missetäter für ihre Taten. Ein dritter Delinquent entkam der Verhandlung durch Krankheit. Obwohl es viele Missetäter über das Jahr hinweg gegeben habe, wurden nur die schlimmsten Frevler vor die Gerichtsbarkeit zitiert. Als Erstes musste sich ein Weib verantworten, das in der Meersburger City wohnt, ihren Mann fest im Griff hat, gerne herumglonkert und eine Stimme wie ein Reibeisen hat: Martina Mattes.

Ihr wurde zur Last gelegt, die Glonkegruppe beim Allerlei hängengelassen zu haben und statt auf der Bühne zu stehen, weithin sichtbar mit extra großem Sombrero anderen Zuschauern die Sicht versperrt zu haben. Dort habe sie sich einen lustigen Abend mit vielen Schorle gemacht, statt ihre zahlreichen Talente singen, tanzen und dichten auf der Bühne einzubringen. Auch beim Gugelhupf wurde sie vermisst und dachte sich, lass die anderen machen, verkündete die anklagende Hexe.

Zudem ist sie im November mit einer Horde Weiber ins Tal der Liebe gefahren, aufgebrezelt in einem Leopardendress, um den Bauersfrauen zu zeigen, wie eine Frau von Welt sich kleidet. Das Hexengericht legte ihr den Schandkragen um und verurteilte die im Obsthandel Tätige dazu, das schöne Märchen von Rapunzel zu inszenieren und vom Obertor ihr geflochtenes, güldenes Haar hinunter zu lassen und zu warten, ob ein Prinz sie befreie. Zusätzlich muss die Apfel-Dealerin vom See eine große, frische Vitaminkiste in den Kindergarten im Sommertal liefern. Darüber hinaus bekam die Verurteilte die obgligatorischen zehn Besenhiebe.

Als zweiter Delinquent hatte sich ein Mann zu verantworten, der seine Aufgaben tausendprozentig erfüllt, fast in Rente ist, all halbes Jahr zum Frisör rennt und mit dem Fahrrad blindlinks über die Kreuzungen fährt. Gesucht wurde der Klarinettenlehrer, Freizeit-DLRG‘ler, Breitbandhubert Hubert Möhrle. Ihm wurde zur Last gelegt, ein gar zu strenger Klarinettenlehrer zu sein, bei dem die Kinder einiges über sich ergehen lassen müssen und nichts zu Lachen haben. Aber immerhin sind sie hinterher gut ausgebildet, das kann ihnen keiner nehmen, fügte die anklagende Hexe strafmildernd an. Ferner wurde dem städtischen Angestellten zur Last gelegt, auf seinem Stand-up-Paddle-Board immer Richtung Saunagarten der Therme abzutreiben. Zudem spart der Hobbyschrauber an Material, sodass das von ihm reparierte Motorboot der DLRG nach seiner Reparatur gleich wieder antriebslos vor dem Hafen trieb. Neben Schandkragen und den zehn Besenhieben, bei denen sich die Hexen zu seinen Ungunsten verzählten, bekam er folgende Strafen:

Er muss ein großes Konzert aller Musikkörper der Stadt veranstalten. Dazu gehören die Knabenmusik, die Stadtkapelle, die Selbsthilfegruppe aus dem Sommertal (Anmerkung: der Fanfarenzug), die drei besoffenen Alphörner, die Narrenmusik, die Baumeister und die benachbarten Bierdeckelpfeifer. Es müssen mindestens 50 Personen spielen und Möhrle muss die Truppe dirigieren. Zudem muss er ein Aqua Jogging für Meersburger im Strandbad organisieren und im Outfit von David Hasselhoff aus Baywatch die Damen der Narrenzunft ins Schwitzen bringen.

Freispruch der alten Missetäter

Vor der Verurteilung der diesjährigen Delinquenten wurden die Missetäter des vergangenen Jahres freigesprochen. Der Stadtpaparazzo und Bierkönig Peter Köstlinger hatte seine Strafen abgearbeitet und ein medienträchtiges Tennisturnier mit Fassbieranstich organisiert. Zudem hat der Polizist im Ruhestand Präventionsveranstaltungen für Jugendliche zu den Themen Alkohol und Drogen abgehalten. Auch der Holzwurm und Feuerwehrmann Thomas Schmäh ist seiner Auflage, Holzpuzzle herzustellen, nachgekommen. Diese wurden bei der Hauptversammlung der Zunft versteigert und so konnten 750 Euro an den Familientreff übergeben werden.

Seine zweite Strafe, eine Autowaschaktion in Badehose vor dem Feuerwehrhaus, hingegen ist noch offen. Das Tribunal des Hexengerichts sah Hinderungsgründe in dem verregneten Sommer und verlängerte die Zeit zur Straferfüllung um ein Jahr. Die dritte verurteilte Delinquentin des Vorjahres, die Frau aus dem Dachsbau, die ihren Mann immer kleiner macht, als er schon ist, Claudia Waibel, war zur Verhandlung im Urlaub. Das Saugatter für Verurteilte, die ihrer Strafe nicht nachkommen sind, blieb somit leer.