Vor sechs Wochen wussten sie nicht, dass sie bald das Kultur O füllen würden. Damals hörten Sandra Freund und Thomas Schuler zum ersten Mal davon, dass auf dem Hochbühl ein Windpark gebaut werden soll. Die Owinger wären selbst betroffen, sagen sie vor der Veranstaltung dem SÜDKURIER. Freund wohnt beispielsweise am Fuße der Anhöhe. „Als ich davon gehört habe, war mein erster Impuls: Ich werde dann mein Haus verkaufen.“
Aus Sorge vor Auswirkungen auf Landschaftsbild, Natur und ihre Gesundheit haben sie Gegenwind Hochbühl gegründet. Insgesamt hätten die acht Organisatoren aus eigener Tasche rund 8000 Euro investiert: in Flyer, eine Webseite, einen Aktionsflug – und einzelne Rednerhonorare sowie die Miete für diesen Abend. „Wir wollen heute Abend informieren, sensibilisieren und zu Stellungnahmen aufrufen“, sagt Freund. „Es geht um unsere Heimat“, sagt Thomas Schuler.

„Ist das gute Leben in Gefahr?“
Dann erklingt um 19 Uhr der Gong im Kultur O. Die rund 400 Personen werden von Dirk Geisinger begrüßt. Er sagt gleich zu Beginn: Er sei ein „Wirtschaftsmann“, stehe hier aber als Privatperson und „Kind der Region“. Wohnhaft am Bodensee, fragt er zu den Windkraftplänen: „Wir führen hier am See das gute Leben. Aber ist das gute Leben in Gefahr?“ Er habe Sorge, dass in puncto Energiewende die falschen Entscheidungen getroffen würden. Aus diesem Grund moderiere er heute Abend, nachdem er von Bekannten angesprochen wurde.
Kopfschütteln im Publikum
Dann folgt eine dreistündige Folge von Vorträgen, in denen sich die mehrere Redner äußerst kritisch zum Projekt äußern. Zuerst spricht der Überlinger Landschaftsarchitekt Ulrich Bielefeld. Er hat eine Methode entwickelt, mit der er geplante Windkraftanlagen optisch darstellt. Er zeigt, wie sich das Landschaftsbild verändern könnte. Mehrere der rund 400 Gäste schütteln bei dem Anblick den Kopf. Er kritisiert auch die mutmaßliche Missachtung von Artenschutz und Biodiversität bei der bisherigen Planung des Regionalverbands.
Danach spricht Dagmar Hirt vom Verein Naturschutzinitiative. Die Sprecherin der hiesigen Regionalgruppe berichtet von Klagen gegen Windparks, zum Beispiel auf dem Höhenzug Länge zwischen Hüfingen und Donaueschingen im Schwarzwald-Baar-Kreis. Der Verein hat vor mehreren Jahren gegen die Baugenehmigung geklagt, das Verfahren hatte bislang aufschiebende Wirkung. Sie ruft die Anwesenden zum Protest auf: „Es lohnt sich, sich weiter einzusetzen.“
Havarien, Gutachtenfehler und Eiswürfe
Dann folgt Hansjörg Jung. Er wird auf dem Programm als „Betriebswirt“ und „Verfahrensbeteiligter in Windkraftprojekten“ angekündigt. Der Herrenberger tritt seit fast zehn Jahren als Redner bei Veranstaltungen gegen Windkraftprojekte im Südwesten auf, beispielsweise auch Ende Februar in Moos auf der Höri. In Owingen spricht er über technische Herausforderungen und Auswirkungen von Windkraftanlagen. Auf humorvolle Art zeigt er auf, was bei den Anlagen aus seiner Sicht alles schiefgehen könne: Gutachtenfehler, Havarien von Windrädern, mögliche Immobilienwertverluste durch Windparks oder sogenannte Eiswürfe. Damit ist das Ablösen von Eisstücken während des Betriebes einer Windenergieanlage gemeint.
Zwischendurch berichten Personen aus dem Raum Hilpensberg, wie es ist, in der Nähe von Windrädern zu wohnen. Seitdem dort Windräder drehen, klagen sie über Konzentrationsstörungen, Antriebslosigkeit und depressive Stimmungen. Ihre Erklärung: der von den Windrädern ausgehende Infraschall – ein Schall, der unterhalb der vom Menschen hörbaren Frequenz liegt. Über solche Symptome klagen Anwohner von Windrädern in mehreren Ländern. Auswirkungen des Infraschalls durch Windräder sind in der Wissenschaft sehr umstritten.
Kontroverse vor dem Ende
Danach steigt Michael Thorwart, Physik-Professor an der Uni Hamburg, an die Rednerkanzel. Auch er sprach in der Vergangenheit bei mehreren Veranstaltungen von Windkraft-kritischen Bürgerinitiativen. Im Kultur O referiert er unter anderem über die Effizienz erneuerbarer Energien im Vergleich zu fossilen Energieträgern, die Auswirkungen auf das Stromnetz und der mutmaßliche Einfluss von Windparks auf den Tourismus einer Region. Er spricht sich statt Windkraft für „neue Kernenergie“ aus. Damit meint er neuere Reaktorgenerationen, die ihm zufolge effektiver als Windräder und sicherer als alte Reaktoren seien. Nach seinem Vortrag gibt es stehende Ovationen.
Bei der Podiumsdiskussion zum Abschluss kommt es nach einer Frage zu einem kurzen Disput zwischen Thorwart und dem anwesenden Landtagsabgeordneten Martin Hahn (Bündnis 90/Die Grünen). Sie sind sich beim Thema Subventionierung von Strompreisen nicht einig. Moderator Geisinger schreitet daraufhin vermittelnd ein.
Sie wollen weiter Präsenz zeigen
Bevor der Abend endet, ruft Organisatorin Sandra Freund die Anwesenden auf, Stellungnahmen beim Regionalverband einzureichen. „Lassen Sie uns in den nächsten Tagen gemeinsam Präsenz zeigen.“ Bis zum 29. März läuft noch die Offenlage der Pläne des Regionalverbands. Bis dahin können Privatpersonen Stellungnahmen zu den Vorranggebieten für Windkraft abgeben, beispielsweise unter https://beteiligung-regionalplan.de/Bodensee-Oberschwaben.