Sabine Busse, Sylvia Floetemeyer, Martina Wolters und Holger Kleinstück

Neun Monate Corona-Pandemie haben die Welt der Büchereien grundlegend verändert. Deutlich weniger Nutzer kamen persönlich in die Einrichtungen. Auch die Interessen verschoben sich durch den Alltag mit dem Corona-Virus. Bei den jüngsten Nutzern sind die neuesten Medien der Renner: Sie greifen zu Tonie-Hörfiguren, für die man Texte downloaden kann, und zu Tiptois, eine ganze Welt aus interaktiven Büchern und Figuren.

„Die lautlose Eroberung: Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet“ ist der Titel eines Sachbuchs ...
„Die lautlose Eroberung: Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet“ ist der Titel eines Sachbuchs von Clive Hamilton. Conny Gaupp von der Stadtbücherei Überlingen zeigt den bei den Lesern zurzeit beliebten Titel. Das Buch thematisiert, ob China eine Gefahr für unsere Demokratie darstellt. | Bild: Stadtbücherei Überlingen

In Überlingen stieg die Online-Ausleihe um 19 Prozent

In der Stadtbücherei in Überlingen hat sich die Krise vor allem bei den Besucherzahlen bemerkbar gemacht. „Insgesamt sind die Ausleihzahlen der physischen Medien enorm zurückgegangen“, erläutert Bärbel Frei, die Leiterin der Überlinger Bücherei. Dafür konnte die Online-Ausleihe einen Zuwachs um 19 Prozent verbuchen. Bei den Genres Krimi und Belletristik gab es kaum Veränderungen. Beliebt sind wie immer die aktuellen Titel der Bestsellerlisten. Also die Bücher von Elena Ferrante, Sofia Lundberg oder Pascal Mercier. Das gilt auch für die Kinder- und Jugendbuchabteilung, wo weiterhin Gregs Tagebuch, Comics und die Detektivgeschichten der Reihe „Die drei ???“ gefragt sind.

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Themen Gesellschaft und Politik sind gefragt – und Verschwörungstheorien

Bemerkenswert findet Bärbel Frei die gestiegenen Zahlen von Ausleihen aus dem Sachgebiet Gesellschaft und Politik. Hier führen die Titel „Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance“ von Jeremias Thiel, „Fake Facts: Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen“ von Katharina Nocun sowie „Die Zukunft nach Corona: Wie eine Krise die Gesellschaft unser Denken und unser Handeln verändert“ von Matthias Horx die Liste an. Auch Reiseführer sind weiter gefragt, allerdings für andere Ziele als vor der Krise. Ausgeliehen werden vor allem Ratgeber für Reisen nach Bayern, an die Ostsee, in die neuen Bundesländer sowie ins benachbarte Ausland.

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In Meersburg wird gern auch leichtere Kost ausgeliehen

Claudia Reichle (rechts) und Judith Layec von der Stadtbücherei Meersburg zeigen einige Titel, die derzeit besonders nachgefragt sind.
Claudia Reichle (rechts) und Judith Layec von der Stadtbücherei Meersburg zeigen einige Titel, die derzeit besonders nachgefragt sind. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Zwar habe die Stadtbücherei Meersburg 2020 wegen der Pandemie weniger Präsenzbesucher gehabt, sagt deren Leiterin Claudia Löffler. Doch bei der digitalen Ausleihe seien bereits im Oktober die Zahlen um gut 20 Prozent höher gewesen als im Vorjahr, sodass man am Jahresende wohl „auf gute und leicht gestiegene Ausleizahlen insgesamt“ zurückblicken könne.

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Großes Interesse an Historischem und Zeitgeschichte

Auffallend hoch war in der Meersburger Stadtbücherei dieses Jahr das Interesse an Historischem und Zeitgeschichte. Das stach Löffler und ihren Mitarbeiterinnen Claudia Reichle und Judith Layec besonders ins Auge. So wurden Romane wie „Die Fotografin“ von Petra Durst-Benning oder die Jahrhundert-Trilogie von Carmen Korn besonders gern ausgeliehen. Manche Leser suchten etwas Leichtes, sagte Hayek, und Reichle ergänzte: „Es muss nicht gleich trivial sein, aber auch keine zu schwere Kost.“ Besonders gut bei Krimis liefen nach Auskunft von Claudia Löffler etwa „Schweig still“ von Michael Robotham, „Blind Date“ von Joy Fielding oder auch „Der Wolf vom Bodensee“ von Tina Schlegel. Weitere begehrte Titel waren „Blackbird“ von Matthias Brandt, „Vom Land“ von Dominik Barta oder „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens.

Die neuen Tonie-Figuren sind der Renner

Im Kinderbereich waren laut Löffler nach wie vor „Die drei ???“ und „Die drei !!!“ gefragt, aber etwa auch „Die Schule der magischen Tiere“ von Margit Auer. Bei den Sachbüchern für Kinder war „Rekordfahrzeuge“ von Joachim Klang begehrt, aber auch Bücher über Roboter und Piraten wurden häufig ausgeliehen. Der absolute Renner sei das neue Angebot der Tonie-Figuren. „Hier war das Regal immer leer geräumt“, erzählt Löffler.

Die meisten Reiseführer bleiben in den Regalen stehen

Im Sachbuchbereich für Erwachsene waren Titel wie „Besser essen ohne Zusatzstoffe“, „Rachs Rezepte für jeden Tag“ und „Zero Waste“ stark nachgefragt, aber auch Familienbücher wie „Afterwork Familie“ oder „Erziehen ohne Schimpfen“. Hingegen blieben die meisten Reiseführer im Regal stehen. Ausnahmen waren Bücher zu Norditalien und Südtirol sowie Wanderführer, berichtete Reichle.

In Uhldingen-Mühlhofen gibt es einen klaren Trend nur bei Reiseführern

Dorothee Rau, Leiterin der Gemeindebücherei in Uhldingen-Mühlhofen, mit ihrem derzeitigen Lieblingsbuch „Wo geht‘s denn hier ...
Dorothee Rau, Leiterin der Gemeindebücherei in Uhldingen-Mühlhofen, mit ihrem derzeitigen Lieblingsbuch „Wo geht‘s denn hier zum Glück?“ von Maike van den Boom, eine gefragte Glücksforscherin. | Bild: Holger Kleinstück

In der Treffpunkt-Bücherei in Uhdlingen-Mühlhofen gibt es bei Reiseführern einen Trend, der sich aus der Corona-Pandemie erklären lässt: „Denn hier sind eindeutig nahe Ziele gefragt“, sagt Leiterin Dorothee Rau. Deshalb finden sich auch neu in der Ausleihe mehrere Bücher der Reihen „Glücksorte in Deutschland„ oder „52 kleine und große Eskapaden“, die 52 kleine und große Ausflüge sowie Miniurlaube in den beliebtesten Regionen und Städten Deutschlands bieten. Mit jeweils 18 Ausleihen liegen bei den Erwachsenenbüchern die Werke von Megan Miranda („Little Lies“) und Michael Robotham („Schweige still“) ganz vorn, beides Bücher aus der Rubrik Thriller und Krimi.

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Kinder holen sich Tiptoi und Tonie-Figuren

Bei Kindern steht das Bilderbuch „Ritter Rost auf Kreuzfahrt“ von Jörg Hilbert auf der Hitliste weit oben (17 Mal), noch mehr ausgeliehen wurde das Tiptoi mit dem Titel „Meine schönsten Märchen“ von Anja Kiel (25 Mal). Tiptoi ist ein Lern- und Kreativsystem, mit dem Kinder die Welt spielerisch entdecken: Tippen sie mit dem Tiptoi-Stift auf ein Bild oder einen Text, erklingen passende Geräusche, Sprache oder Musik. „Wir haben auch den Eindruck, dass viele Kinder- und Jugendbücher zum Vorlesen ausgeliehen werden“, erläutert Leiterin Dorothee Rau. Auch die Tiptoi-Figuren seien begehrt. „Gut nachgefragt werden die neuen Tonies, die seit Sommer im Bestand sind.“ Kaum nachgefragt seien trotz Homeschooling die Lernhilfen. Übrigens: Das ausleihstärkste Medium überhaupt war das Hörbuch „Die große Pater Brown Box“ von Gilbert Keith Chesterton, das 37 Nutzer erfreute.

In Salem verdoppelten sich die Online-Ausleihe sogar

Susann Regenscheit und Anja Steppacher von der Salemer Gemeindebücherei zeigen die Lese-Favoriten zu Corona-Zeiten.
Susann Regenscheit und Anja Steppacher von der Salemer Gemeindebücherei zeigen die Lese-Favoriten zu Corona-Zeiten. | Bild: Martina Wolters

Corona-bedingt hat sich auch in der neuen Salemer Gemeindebücherei einiges verändert. So haben laut Bibliotheksleiterin Anja Steppacher durchschnittlich doppelt so viele Besucher ihre ausgewählten Medien online ausgeliehen, nämlich 520 statt vormals 250 Mal. Spannendes lag an der Spitze der entliehenen Erwachsenenbücher. Die meisten erwachsenen Leser wollten den vierten Fall des Provence-Krimis „Madame Commissaire und das geheimnisvolle Bild“ von Pierre Martin lesen. Ermittlerin Isabelle Bonnet bekommt es darin mit einem gefälschten Matisse-Gemälde und einer Hilfsbotschaft zu tun.

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Spitzenreiter ist ein Schwarzwald-Wanderführer

Bei den Junglesern machte das humorvolle Bilderbuch „Das Neinhorn“ um ein rebellierendes Einhorn das Rennen. Sehr gern spielten Kinder auch in Salem mit Tiptoi-Figuren, hier sind es speziell Dinosaurier, die begeistern. Was die Bücherei-Leiterin besonders überrascht hat, ist die hohe Ausleihzahl an Reiseführern für Baden-Württemberg, den Bodensee und Bayern. Am besten nachgefragt waren hier Wanderführer. Spitzenreiter war das Wanderbuch „Vergessene Pfade im Schwarzwald“ mit 35 Wander- und Schlössertouren. Dass die Führer zu Fernreisezielen in Pandemiezeiten fast gar nicht gewünscht waren, findet Steppacher schade. Schließlich war die Reiseführerabteilung erst im Vorjahr erneuert und aufgestockt worden.