Am Tag, als das große Abschlusskonzert der TV-Show „The Piano“ ausgestrahlt wird, sitzt Levin Giesler mit seiner Familie im Flugzeug nach Rhodos. Der elfjährige Musiker aus Sipplingen gab in der Sendung sein bisher größtes Konzert. In der Stadthalle von Wuppertal spielte er vor ausverkauftem Haus. Allein 1200 Zuschauer waren dort. Vor den Bildschirmen kamen hunderttausende dazu. Es war sein erster Fernsehauftritt. Aber wie haben er und seine Familie das Abenteuer Fernsehen erlebt?

„Die Halle war noch viel schöner als ich sie mir vorgestellt habe“, erzählt Levin Giesler von seinem Abschlussauftritt. Er kommt auf die Bühne, schaut ins Publikum, winkt. So hat er es im Workshop gelernt. Am Flügel spielt er das Stück „Kiss the Rain“ des südkoreanischen Komponisten und Pianisten Yiruma. Ein ruhiges, harmonisches Stück. Die Töne perlen wie Regentropfen an einer Scheibe.

„Ich mag es, mit meiner Musik Menschen zu berühren“, sagt der Elfjährige. Aus dem klassischen Musikrepertoire möchte er nichts Anstrengendes spielen, nichts, das man nur der Virtuosität wegen spielt, wie er sagt. Überhaupt scheint neben Schirmmütze und barfuß am Klavier sitzen Entspannung das dritte Markenzeichen von Levin Giesler zu sein. „Für ihn war es ganz entspannt, aber für uns war es etwas Besonderes“, beschreibt Holger Giesler, wie es ist, den eigenen Sprössling im Fernsehen zu erleben.
Wie es nun weitergeht
„Seit der Sendung haben sich einige Agenturen gemeldet, die Levin gern managen wollen“, erzählt Giesler weiter. Entschieden haben sie sich jedoch noch nicht. Wichtig ist vor allem eines: „Levin soll nicht verheizt werden“, betont der Vater. Er soll nicht jeden Tag irgendwohin fliegen müssen. Er soll erstmal in der Nähe spielen, Bodenseeregion, Stuttgart, Zürich. „Spielen, Trampolin springen, Freunde treffen sind genauso wichtig.“ Vorerst sind keine weiteren Fernsehauftritte geplant. Aktiv darauf zugehen würden die Gieslers auch nicht. Im Fall einer Anfrage würden sie, abhängig von der Sendung, aber zusagen. Auch eine CD sei derzeit in Planung.
Viel Arbeit für die Eltern
Für seine Eltern Yulia und Holger bedeutete das Fernsehabenteuer ihres Sohnes viel Arbeit. Sie betreiben einen Onlineshop für Kinderstoffe. „Die Woche vor und nach den Drehtagen mussten wir bis in die Nacht arbeiten“, schildert Holger Giesler. Bei den Aufnahmen waren sie als Eltern die ganze Zeit vor Ort. „Er hat auch kein Interview ohne einen von uns gegeben“, sagt Holger Giesler. Mit Geld entlohnt wurden die Strapazen nicht. Fahrtkosten und Übernachtungskosten trug der Sender, Verpflegung ging auf Kosten der Familie. Nur für das Abschlusskonzert erhielt Levin Giesler eine Aufwandsentschädigung von 1000 Euro, erzählt sein Vater. „Es ist sein Geld, das liegt für ihn auf der Seite.“
Während der Dreharbeiten war Levin noch zehn Jahre alt. Weil Kinder nur drei Stunden am Set verbringen dürfen, wurde er seinem Vater zufolge auch immer als erstes gefilmt. Der Tumult vor und hinter der Kamera habe ihm wenig ausgemacht. Doch hin und wieder erlebt er irritierende Situationen. „Ich dachte, ich hätte Ruhe und wollte mit meinen Eltern ungestört reden. Dann kam von oben ein Mikrofon dazu“, beschreibt Levin aus dem Drehalltag.
Zunächst zwei Tage Dreh in Karlsruhe. Dort begann Levins Reise ins Fernsehen. Unter dem Vorwand, er würde ein Konzert am Bahnhof geben, das im Fernsehen ausgestrahlt würde, meldete sich die Produktionsfirma von „The Piano“ bei der Familie. Was Levin nicht wusste: Popstar Mark Forster und Pianist Igor Levit schauen ihm zu. Ebenso wenig wusste er, dass sein Weg mit der Musikprominenz unmittelbar weitergehen würde, erst zwei Tage in Berlin, wo er einen Workshop hatte, und noch drei Drehtage in Wuppertal.
Unsinn und Arbeit
Die Zusammenarbeit mit Mark Forster und Igor Levit war schön, sagt der junge Pianist im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Sie haben viel Unsinn gemacht manchmal“, aber als Künstler dürften sie das. So beschreibt er es in der Sendung. Was er meint: Igor Levit improvisiert die Titelmusik von „Rocky“, Mark Forster folgt der musikalischen Aufforderung und führt Boxbewegungen aus. Spieltechniken habe Giesler im Workshop mit ihnen nicht gelernt. Es sei mehr ums Auftreten gegangen. Wie dem Publikum präsentieren, beim Betreten der Bühne? Wie abgehen?

Mit der Kappe in der Schule
Er lernt: Markenzeichen sind wichtig. Sie dienen der Wiedererkennung. Sie sollten immer beibehalten werden. Levin Giesler teilt sein Erkennungsmerkmal mit Mark Forster: die Kappe. Zugleich bändigt die Kopfbedeckung seine Haare, die er so gern mag, erklärt sein Vater. Doch außer im Sportunterricht trägt er die Kappe immer. In der Schule hat er dafür eine Ausnahmegenehmigung, dass er sie auch im Unterricht tragen darf. „Manche Lehrer sehen das locker, andere weniger“, schildert Holger Giesler. Außerdem spielt er barfuß Klavier. „So spüre ich die Pedale besser und habe ein gutes Bodengefühl“, wie der Junge sagt.
Ferien am Klavier
Das Finale selbst hat er, wie alle Sendungen davor, mit der Familie im Vorab-Stream gesehen. „Wir hätten den Flieger verpasst, hätten wir es im Fernsehen anschauen wollen“, scherzt Holger Giesler. Nun, unmittelbar nach dem großen Abschlusskonzert, bestehe sein Tagesablauf aber aus Frühstück, Musik und Baden, beschreibt der junge Musiker.

Dass seine Familie mit ihm in den Herbstferien nach Rhodos fliegt, ist kein Zufall. Unter anderem deshalb, weil das Hotel schon beim letzten Besuch zugesichert habe, Levin dürfe den Flügel in der Lobby spielen. Denn wie sein Vater sagt: „Er bekommt schlechte Laune, wenn er fünf Tage nicht spielt.“