So hatte sich der Gemeinderat das eigentlich nicht vorgestellt. Voller Ungeduld hatte das Gremium angesichts der enormen Nachfrage auf die Erschließung einiger stadtnaher Bauplätze am Turmgartenweg gewartet und sich darauf fokussiert, damit insbesondere junge Familien bedienen zu können. Doch die beschlossenen Preise für die elf städtischen Grundstücke, die nach dem aktuellen Beschluss zwischen 665 und 800 Euro pro Quadratmeter liegen werden, entfachten eine ebenso lange wie ernüchternde Diskussion. Den Grundstückspreisen, die die Stadtverwaltung aus ihrer Sicht vorschlagen musste, stimmten die Gemeinderäte nur zähneknirschend mit großer Mehrheit zu, auch wenn sie dem Stadtsäckel damit Gutes tun.

Nach der Gemeindeordnung müsse sich die Kommune an aktuellen Marktwerten orientieren. "Wir dürfen nicht unter Wert verkaufen", betonte Martina Vollstädt und verwies auf den Paragrafen 92 der Gemeindeordnung. Vor den Beschlussempfehlungen habe die Verwaltung bei der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses die aktuellen Bodenrichtwerte abgefragt, die sich aus den Kaufpreissammlungen der Notarverträge ergäben, und sich mit den Grundstückspreisen daran orientiert. Das Gremium könne nicht nach Gutdünken einen politischen Preis festsetzen, sagte Vollstädt. Als Alternative biete die Verwaltung die Nutzung von Grundstücken im Erbbaurecht gegen eine Verzinsung von fünf Prozent an, erklärte Vollstädt. Die jüngsten Angebote dieser Art seien allerdings auf wenig Resonanz gestoßen.

Oberbürgermeister Jan Zeitler bemühte sich, dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen und den hohen Preis zu rechtfertigen. Immerhin gebe es in der Stadt keine zentralere Lage. Wer dort wohne, könne möglicherweise auf das Auto oder zumindest den Zweitwagen verzichten und hier etwas sparen. Zudem erlaubten die höchstgelegenen, teuersten Plätze eine dreigeschossige Bebauung: "Da kann man ja noch eine Einliegerwohnung planen."

In den Grundstückskosten sind die Erschließung und Versorgung mit rund 25 Euro schon enthalten. Deren Ablösung mit dem Grundstückskauf musste der Gemeinderat ebenfalls beschließen. Nicht abgerechnet, aber von der Stadt finanziert werden mit der Erschließung auch die geplanten Fußwege innerhalb des kleinen Baugebiets. Möglich geworden war dies durch die Umwidmung einer ursprünglich für die Friedhofserweiterung vorbehaltenen Fläche, die inzwischen für verzichtbar gehalten wurde.

"Einigermaßen erschrocken" sei er ob der Preise, sagte SPD-Stadtrat Michael Wilkendorf. Schließlich habe man gehofft, den Überlinger preiswertes Bauland anbieten zu können. Deshalb habe er im Ausschuss die Erbbaunutzung angeregt. Der Zinssatz von fünf Prozent "konterkariert jedoch diese Möglichkeit". Raimund Wilhelmi (FDP regte an, vielleicht könne man wenigstens hier mit günstigeren Konditionen für junge Familien "politisch etwas machen". Auch Günter Hornstein (CDU) sagte: "Das Gremium war gewillt." Doch jetzt komme die Ernüchterung, "dass wir an Recht und Gesetz gebunden sind." Gut durchdacht sei aber das Punktesystem zur Vergabe der Bauplätze. "Geschockt" über die Preise sei auch er gewesen, erklärt Lothar Thum (ÜfA/FWV). Doch die Argumentation des Liegenschaftsamts nannte er nachvollziehbar. Nicht hinnehmen wollte Ronald Biniossek (Linke) die Preise. Ein Grundstück liege bei 300 000 bis 400 000 Euro rechnete Biniossek vor: "Das können Sie vergessen." Einen Erbbauzins von mehr als zwei Prozent nannte er nicht machbar.

 

Punktesystem soll Vergabe regeln

Bei den Kriterien für die Vergabe der Grundstücke hat sich die Verwaltung an dem Punktesystem orientiert, das beim Baugebiet Sandbühl in Deisendorf angewandt wurde. Besonders viele Pluspunkte gibt es für Überlinger und/oder in der Stadt Beschäftigte und für Familien mit Kindern. Auf Antrag der Feuerwehr wurde ein kleiner Bonus für aktive Mitgliedschaft bei den ehrenamtlichen Einsatzkräften zugestanden. Einen Abschlag müssen Haus- oder Grundstückbesitzer hinnehmen:

  • Wohnort / Arbeitsort
    Bewerber mit Hauptwohnsitz oder Arbeitsort seit mindestens drei Jahren in der Stadt Überlingen oder einem Teilort erhalten 40 Punkte, Bewerber die seit mindestens einem Jahr bzw. unter drei Jahren in der Stadt Überlingen oder einem Teilort wohnen oder arbeiten 25 Punkte.
  • Zuschlag
    Bewerber die über fünf Jahre ununterbrochen in der Stadt Überlingen wohnhaft sind oder in Überlingen ihrem Hauptberuf nachgehen erhalten 5 Punkte zusätzlich, jedes weitere Jahr wird mit einem weiteren Punkt bewertet. Der höchste Zuschlag sind 10 Punkte.
  • Auswärtige Bewerber
    Auswärtige Bewerber, die nicht in der Stadt Überlingen oder einem Teilort ihrem Hauptberuf nachgehen erhalten 5 Punkte. Auswärtige Bewerber, die früher einmal mindestens zehn Jahre ununterbrochen in der Stadt Überlingen mit Hauptwohnsitz gewohnt haben 25 Punkte
  • Familienstand
    1. verheiratet / Lebensgemeinschaft / keine Kinder 10 Punkte2. alleinstehend / verheiratet / Lebensgemeinschaft mit· einem Kind 20 Punkte· zwei Kindern 25 Punkte· drei Kindern 30 Punkte· vier und mehr Kindern 35 Punkte.
  • Junge Familien
    Junge Familien bzw. Ehepaare, bei denen mindestens ein Partner unter 40 Jahre alt ist, erhalten einen Zuschalg von 10 Punkten.
  • Feuerwehr
    Da Brandschutz eine Pflichtaufgabe der Stadt ist, die Zahl der Feuerwehrleute jedoch rückläufig ist, setzt die Stadt einen Anreiz: Personen, die seit mindestens fünf Jahren Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sind, erhalten einen Bonus von 5 Punkten.
  • Abschlag
    Sofern der ortsansässige oder auswärtige Bewerber bereits über einen bebauten oder bebaubaren Grundbesitz verfügen, werden 20 Punkte abgezogen.

"Unglücklich" über die Entwicklung zeigte sich auch Marga Lenski (LBU/Grüne): "Warum können wir keinen politischen Preis festlegen?" Ganz ausgeschlossen sei dies zwar nicht, modifizierte Kämmerer Stefan Krause die Aussage der Verwaltung. "Sie müssen sich jedoch dann auf Klagen einstellen und mit den Konsequenzen leben." Künftig zumindest teilweise noch kleinere Grundstücke auszuweisen, schlug Ralf Mittelmeier (FWV/ÜfA) vor. Es gebe Situationen, in denen der Rat vielleicht einmal "klare Kante zeigen" müsse, stellte Ulf Janicke (LBU/Grüne) in den Raum. Ob an dieser Stelle ziviler Ungehorsam angebracht und zielführend sei, zog Günter Hornstein (CDU) allerdings in Zweifel.

Gemeindeordnung regelt Grundsätze für Grundstücksverkauf

  • In der Gemeindeordnung sind Grundsätze zur Veräußerung von Vermögen festgeschrieben: "Vermögensgegenstände dürfen in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden." Für eine Überlassung von Gegenständen zur Nutzung gelte dies ebenso. Dies wäre der Fall bei Erbbaurechtsverträgen. Weiter ist festgesetzt: "Will die Gemeinde ein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht veräußern, hat sie den Beschluss der Rechtsaufsichtsbehörde vorzulegen. Das Gleiche gilt für andere Vermögensgegenstände, wenn diese unter ihrem vollen Wert veräußert werden sollen."
  • Kämmerer Stefan Krause wies darauf hin, dass die Stadt froh über gute Einnahmen sein könne. Gegen den Vorwurf der Preistreiberei verwahrte sich Martina Vollstädt vom Liegenschaftsamt. Die Verwaltung folge lediglich einer Entwicklung, die auf dem Markt schon gelaufen sei, wenn sie aus der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses und den daraus resultierenden Bodenrichtwerten ihre Preise ableite. Anders wäre dies, wenn die Grundstücke gegen Höchstgebot vergeben würden. So war die Verwaltung allerdings bei privilegierten Flächen an der Schreibersbildstraße vorgegangen und hatte Preise von 1000 bis 1100 Euro erzielt.