Überlingen/Mainau – An eine alte Tradition hat die Narrenzunft am Sonntag nach über 400 Jahren zum fünften Mal angeknüpft: Das „Küchlinholen“ auf der Mainau.
In Erinnerung an den im Mittelalter und früher Neuzeit vom Überlinger Magistrat gepflegten Heischebrauch ruderten 20 Narrenräte auf die Insel. Die bisherigen Fahrten fanden in den Jahren 2009, 2011, 2013 und 2016 statt.
Unter dem folgenden Link finden Sie zahlreiche Bilder von dem Ereignis, von der Überfahrt, der Ankunft auf der Mainau und später an der Uferpromenade von Überlingen:
„Die Narrenzunft Überlingen steht in dem ehrbaren Ruf, Altüberliefertes ihrer Urväter getreu zu erhalten sowie Bräuche und Traditionen weiterzuführen““, sagte Narrenmutter Wolfgang Lechler vor der Abfahrt im Mantelhafen. „Wir wären keine echten Seealemannen, wenn nicht auch bei uns in der Zunft ein Quäntchen Alefanz regieren würde. Es wird gerudert“, sagte er in angesichts dessen, dass es ein Leichtes sei, die 15 Kilometer lange Fahrt mit einem Motorboot zurückzulegen. Zum Einsatz kam das Zehn-Mann-Boot „Julius“ aus Wahlhausen, das vorige Woche eigens vom Winterlager in Stockach nach Überlingen gebracht worden war.
Austausch symbolträchtiger Geschenke
Nach rund zwei Stunden Hinfahrt wurden die Überlinger von der insularen Hofnarrenzunft „Mainauer Paradiesvögel“ empfangen. In deren Zunftstube kam es zum Austausch symbolträchtiger Gastgeschenke.

Zunftmeister Kai Lehmann überreichte den Überlingern ein Stück Holz, das angeblich von einem an der Mainau einst zerschellten Überlinger Boot stammte. „Ein Fundstück von anno dazumal.“ Es sei für die Narrenzunft Überlingen ein ganz aufregender Tag, entgegnete Narrenvater Thomas Pross. In Anlehnung an die bevorstehende Landesgartenschau, bei der laut Pross die Insel Mainau in den Menzinger Gärten einen sogenannten Schmetterlingsgarten vorbereiten werde, überreichte er einen überdimensionalen Schmetterling in einem besonderen Kleid der Hänselefarben, der für das Narrenkonzert 2007 produziert worden war.
Ankunft mit Kanonendonner
Frisch gestärkt traten die Räte die Rückfahrt an, jetzt mit zehn anderen Narrenräten im Boot. Und das etwas früher und schneller als geplant, weil die Wettervorhersage nichts Gutes verhieß. Große Freude bei der Ankunft in Höhe der Seeschulen, nachdem das Bürgerliche Artilleriekorps mit seiner Kanone drei Mal Salut gefeuert hatte. Hier verteilten die Narren unter dem Klang des Spielmanns- und Fanfarenzugs der Freiwilligen Feuerwehr 300 frisch gebackene Fasnetsküchle zur besonderen Freude des Narrensamens. „Es war eine Punktlandung“, freute sich Narrenrat Andreas Pross in Bezug auf den gerade einsetzenden Regen.
Der historische Hintergrund
Das „Küchlein“ von der Mainau war eine Art Grundsteuer in Form von Naturalzins für das in Überlingen stehende Amtshaus der Deutschordenscomturei Mainau, welche nur dem Rat der Stadt zugutekam. So war es nicht verwunderlich, dass die Bürger dem Rat neidisch gegenübertraten. Weil der Magistrat tat, was er den Bürgern verbot, war deshalb die Freude groß, als die Überlinger Stadträte 1573 bei einer Seegfrörne die Mainau nicht erreichen konnten. Im Jahre 1603 wurde das letzte Küchlin auf der Mainau geholt. Bei der Premiere der Neuzeit ruderten die Narren am 1. Februar 2009 erstmals wieder zur Mainau, um die bei Hutdesignerin Diana Gräfin Bernadotte in Auftrag gegebene Kopfbedeckung für die damalige OB Sabine Becker abzuholen. (hk)