Mateusz Ostrozny ist mit seiner Freundin im Auto auf dem Weg nach Hause. Sie befinden sich irgendwo zwischen Nesselwangen und Überlingen. Es ist Samstagnacht, 7. März, ungefähr 23.30 Uhr. Plötzlich sieht er Bewegungen auf der Straße. Vielleicht ein Tier? Er bremst, fährt langsam am rechten Fahrbahnrand entlang und schaltet die Warnblinkanlage an. Als das Scheinwerferlicht den Störenfried zeigt, fangen Mateusz Ostrozny und seine Freundin zu lachen an.
„Ein Stachelschwein war‘s“, sagt Mateusz Ostrozny und kann sich ein erneutes Lachen nicht verkneifen. „Ich war zusammen mit meiner Freundin auf dem Heimweg von Bonndorf nach Überlingen. Wir waren bei einem Freund. Und dann haben wir das Stachelschwein auf der Straße entdeckt.“
Das Stachelschwein ist aus der Reutemühle ausgebüxt
Sie seien dann direkt rechts rangefahren, stellten die Warnblinkanlage an und verständigten die Polizei. Die hätten ihn zuerst nicht ernst genommen, sagt er. Kann er verstehen. Doch nach ungefähr 20 Minuten seien dann doch zwei Polizeibeamte gekommen. Diese verständigten den Haustierhof Reutemühle. Wie sich herausstellte, war das Tier von dort entwischt.
„Die Jagd ging bis 0.40 Uhr“, sagt Ostrozny und kann nicht aufhören zu lachen. „Eine Stunde sind wir dem Stachelschwein hinterher gerannt, bis wir es gefangen haben. Ich hab meine Lederjacke und eine Decke aus meinem Auto drauf geworfen und konnte es so fangen. Einer der Polizeibeamten hat mir dabei geholfen.“
Über 20 kleine Wunden hat der Retter davongetragen
Er ist so gut wie sicher, das Tier wäre überfahren worden: „Den hätte jemand erwischt“, sagt er. Deshalb habe er bis zum Eintreffen der Polizei die Warnblinkanlage angemacht und die Autos abgebremst. Als er und der Polizeibeamte das Tier schließlich einfingen, seien auch die Mitarbeiter der Reutemühle dazu gestoßen.
„Ich hab 20 bis 30 Wunden von den Stacheln, ganz kleine. Aber mir war es lieber, Wunden zu haben, als das Tier sterben zu lassen“, sagt Ostrozny. „Ich habe Tiere schon immer geliebt.“ Er sei auf einem Bauernhof in Polen groß geworden. Sein Großvater war Bauer. Mit 18 Jahren habe er dann angefangen, Schlangen und Spinnen zu züchten. Heute ist er Herrchen von vier Kampfhunden.
Ein Zeichen gegen Klischees
Er besitzt eine Baufirma und sein Hobby sind umgebaute Autos. „Ich bin voll tätowiert und groß, aber ich wollte zeigen, dass wir eben auch ein Herz haben“, sagt Mateusz Ostrozny. Menschen wie er seien nicht aggressiv oder negativ, aber leider käme es wegen seines Aussehens immer wieder zu diesem Vorurteil. Die Menschen von der Reutemühle seien ihm aber sehr dankbar gewesen. Sie hätte sogar einen Gutschein geschickt: Einmal Eintritt und Essen umsonst.
Das sagt die Reutemühle
„Das war sehr mutig von dem Herrn“, sagt Friedrich Schuler, Chef des Haustierhofs Reutemühle. Das müsse man anerkennen, deshalb habe er auch einen Gutschein von der Reutemühle bekommen. Die Polizei habe in der Nacht bei der Reutemühle angerufen, doch als sie eintrafen, war das Tier bereits eingefangen worden. Dafür sind sie dankbar.
Ein weiteres Stachelschwein ist seitdem flüchtig
Doch die Reutemühle hat ein Problem. Ein zweites Stachelschwein sei in jener Nacht ebenfalls entwischt, sagt Friedrich Schuler. Der Chef der Reutemühle vermutet einen vorausgegangenen, rivalisierenden Kampf der beiden Männchen, woraufhin sie über den Zaun geklettert oder durch den Bach geflohen seien. Ein Stachelschwein ist noch unterwegs. Es ist vor wenigen Tagen bei Hödingen gesichtet worden. Daraufhin seien sie hingefahren und hätten einen Futterplatz gerichtet, um es anzulocken. Allerdings habe später nichts vom Futter gefehlt, was bedeute, dass es weiter gezogen sei.
„Ein Stachelschwein kann man nicht so einfach suchen. Sie sind ja nachtaktiv“, sagt Friedrich Schuler. „Man weiß nicht, wo man suchen soll. Es gibt keine Anhaltspunkte.“ Es frisst im Notfall auch Gras wie eine Ziege, und kann so überleben. Friedrich Schuler hofft, dass sich jemand bei der Reutemühle meldet, der das Stachelschwein gesehen hat. Das können Sie unter 07551/64649 tun.