Droben in Härlen warteten die Menschen, um in der Praxis der Radiologin Dorothea Klopschek ihre erste, zweite oder dritte Corona-Impfung zu bekommen. Unten am Mantelhafen wuchs zur gleichen Zeit die Menge zusehends, die gegen eine geplante Impfpflicht und den dadurch vermeintlich drohenden Freiheitsverlust protestierte. „Ich freue mich riesig, dass so viele unserem Aufruf gefolgt sind“, sagte Veranstalterin Ruth Meishammer.

„Den Verzagten Mut machen und Kraft spenden, um dem Impfdruck standzuhalten“, nannte Ruth Meishammer als Ziel der Demonstration.
„Den Verzagten Mut machen und Kraft spenden, um dem Impfdruck standzuhalten“, nannte Ruth Meishammer als Ziel der Demonstration. | Bild: Hanspeter Walter

Sie staunte ebenso wie die Polizeibeamten, die den Demonstrationszug der sogenannten „Besorgten Bürger“, wie sie sich im Aufruf bezeichneten, begleiteten. An die 2000 Teilnehmer waren in Überlingen am Samstagvormittag auf die Straße gegangen, um gegen die geplante Impfpflicht zu protestieren.

„Wir wollen den Verzagten Mut machen“, sagte Veranstalterin Ruth Meishammer vor und nach der Demonstration und appellierte ...
„Wir wollen den Verzagten Mut machen“, sagte Veranstalterin Ruth Meishammer vor und nach der Demonstration und appellierte an die Einhaltung der polizeilichen Auflagen, insbesondere der Maskenpflicht. | Bild: Hanspeter Walter
Das könnte Sie auch interessieren

Veranstalter mussten jede Menge zusätzliche Ordner abstellen

Nachdem der Protestzug über den umstrittenen Messengerdienst Telegram beworben worden war, war die Resonanz größer, als es die Veranstalter offensichtlich erwartet hatten. Dass die vorgesehenen zehn Ordner nicht ausreichten, war der Polizei schnell klar geworden und so forderte sie, weitere Personen auszuweisen, die für einen geordneten Ablauf verantwortlich zeichnen sollten.

Schnell noch zahlreiche Ordnerbinden auspacken und verteilen mussten die Veranstalter auf Geheiß der Polizei, da die Zahl der ...
Schnell noch zahlreiche Ordnerbinden auspacken und verteilen mussten die Veranstalter auf Geheiß der Polizei, da die Zahl der Teilnehmenden die Erwartungen deutlich übertroffen hatte. | Bild: Hanspeter Walter

Ruth Meishammer appellierte vor dem Abmarsch an die auferlegte Maskenpflicht und sagte: Wer keine Maske trage, möge sich an den Rand der Veranstaltung begeben. Diese Botschaft wurde von vielen, doch längst nicht allen ernst genommen.

Viele hielten sich an die Maskenpflicht, andere hielten sich nicht daran.
Viele hielten sich an die Maskenpflicht, andere hielten sich nicht daran. | Bild: Hanspeter Walter

„Frieden – Freiheit – Demokratie“ skandierten sie auf dem Zug vom Mantelhafen durch die Münsterstraße über die Gradebergstraße zum Münsterplatz.

Das könnte Sie auch interessieren

Breites Spektrum von Beiträgen und Behauptungen

Der Einsatz von „gentechnischen Versuchsstoffen“ zum Impfen sei unverantwortlich, wurde unter anderem behauptet. Das Spektrum der Beiträge war breit und reichte von Vaclav Havel, dem 2011 verstorbenen tschechischen Dramatiker und Politiker – als vermeintlichen Kronzeugen für die eigene Position bis hin zu einem Choral aus Bachs Weihnachtsoratorium.

Das könnte Sie auch interessieren

Selbst die deutsche Nationalhymne wurde bemüht, ehe Mitveranstalter Christoph Betz aufgrund seiner eigenen medizinische Interpretation der Impfung die Bedenken von Skeptikern weiter befeuerte. „Kann es sein, dass man auf der Grundlage eines solchen Medikaments eine weltweite Impfpflicht einführt?“, rief er ins Mikrofon.

Mit Spritzen und Coronaviren gegen die Imfpflicht: Vermummte und weniger vermummte Demonstranten waren in Überlingen unterwegs.
Mit Spritzen und Coronaviren gegen die Imfpflicht: Vermummte und weniger vermummte Demonstranten waren in Überlingen unterwegs. | Bild: Hanspeter Walter

Am Rande wurden mit „Wir sind das Volk“ und „Lügenpresse“ vereinzelt auch Parolen von Pegida gegrölt. Im Sinne der Veranstalter scheint das allerdings nicht gewesen zu sein. Denn in ihrem Fazit nach der Demo sprach Ruth Meishammer nicht nur der Polizei ihren Dank für die Begleitung des Protestzugs durch die Innenstadt aus. Die Ermöglichung der Demonstration und deren geordneter und unbehelligter Ablauf lasse auch hoffen, sagte sie sinngemäß, dass es noch Hoffnung gebe für Demokratie und Freiheit.

Prominente vermeintliche Kronzeugen kamen auf Transparenten zu Wort, aber auch Pegida-Parolen waren zu hören: „Wir sind das ...
Prominente vermeintliche Kronzeugen kamen auf Transparenten zu Wort, aber auch Pegida-Parolen waren zu hören: „Wir sind das Volk.“ | Bild: Hanspeter Walter

Nicht jeder der Teilnehmenden hätte diese Position allerdings unterschrieben. Der eine oder andere behauptete während des Zuges, dass sowohl die Medien als auch die Weltgesundheitsorganisation vom Großkapital unterwandert und manipuliert seien – ohne sich allerdings namentlich zu den Aussagen bekennen zu wollen. Zwar waren vereinzelt verbale Kraftakte zu hören, es kam jedoch zu keinen tätlichen Ausschreitungen.

Das könnte Sie auch interessieren

Pflegekräfte machen ihrem Unmut Luft

Unter den Teilnehmenden waren auch viele Pflegekräfte aus der Region, die der Sorge um ihre Einrichtungen Ausdruck verliehen. Sie nahmen Bezug auf die beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeberufen und stimmten mit einem neuen Text ein bekanntes Kinderweihnachtslied an:

Das könnte Sie auch interessieren

„Im März ihr Leute wird‘s was geben, darauf könnt ihr euch schon freu‘n. Durch den Kollaps in der Pflege könnt ihr Patienten selbst betreu‘n.“

Das könnte Sie auch interessieren

Bevor sie den ungeplanten Chorgesang der Pflegekräfte gewähren ließ, hatte Ruth Meishammer bei der Polizei noch um die Gewährung einer kurzen Verlängerung für die genehmigte Protestzeit gebeten und grünes Licht erhalten.

„Besorgter, sagen wir aufmerksamer Beobachter“, wie er sagte, war Überlingens Oberbürgermeister Jan Zeitler. Hier im ...
„Besorgter, sagen wir aufmerksamer Beobachter“, wie er sagte, war Überlingens Oberbürgermeister Jan Zeitler. Hier im Gespräch mit Revierleiter Stephan Stitzenberger (rechts) und seinem Stellvertreter Andreas Riess. | Bild: Hanspeter Walter

Das erklärte Ziel der Veranstalter, geimpfte und ungeimpfte Menschen mit der Demonstration zusammenzuführen und gegen eine wachsende Konfrontation anzugehen, scheint sich allerdings nicht erfüllt zu haben. Zumindest meldete sich niemand zu Wort oder bekannte auf Nachfrage, dass er oder sie geimpft sei und sich mit den Anliegen der Protestaktion solidarisiere.

Demo in der Franziskanerstraße
Demo in der Franziskanerstraße | Bild: Hanspeter Walter

Die wenigen Zaungäste, die in der Innenstadt Notiz nahmen von dem Demonstrationszug, äußerten sich eher kritisch gegenüber den Teilnehmern, die teilweise Kind und Kegel mitgebracht hatten und zu Kronzeugen ihres Protests zu machen versuchten.

Allzweckwaffe der Protestbewegungen: Altbekannte Slogans ziehen die Aufmerksamkeit der Passanten nur kurz auf sich.
Allzweckwaffe der Protestbewegungen: Altbekannte Slogans ziehen die Aufmerksamkeit der Passanten nur kurz auf sich. | Bild: Hanspeter Walter