Einkaufen auf dem Überlinger Wochenmarkt, das ist – eigentlich – mehr Lust als Pflicht. Man trifft sich, hält ein Schwätzchen, kauft Obst aus der Region, ist an der frischen Luft. Mit Corona ist die Freude am Marktbummel allerdings gesunken, aber im Vergleich zum Einkauf in geschlossenen Räumen für viele Besucher immer noch ein Vergnügen.
Das bestätigt auch Obstbauer Michael Baader aus Frickingen: „Man muss ja auch mal unter d‘ Leut“, sagt er. Leute treffen, auch wenn man mit ihnen keine großen Unterhaltungen hinter der Maske führt, das ist nach seiner Beobachtung für viele Kunden mit ein Grund, den Wochenmarkt zu besuchen. Ihm tun die Einzelhändler leid, die unter dem zweiten Lockdown leiden, weil die Lust am Stadtbummel zurückgeht, wenn man sich nicht mal in ein Café setzen darf. Als Händler mit Lebensmitteln habe man keine Einbußen zu verzeichnen.
Wie halten‘s die Leute mit der Maske? Aus Sicht von Michael Baader nimmt die Disziplin zu, seit an den Eingängen zur Münsterstraße blaue Schilder aufgestellt wurden.

Doch was bedeuten die Schilder? Laut Manfred Schlenker, Fachbereichsleiter in der Stadtverwaltung Überlingen, handelt es sich um Gebotsschilder, die an sich keine durchgängige Maskenpflicht bedeuten, aber die Besucher daran erinnern, dass sie eine Maske tragen müssen, wenn sie Abstände von mindestens 1,5 Metern nicht einhalten können – also praktisch bei jedem Einkaufsvorgang an den Marktständen. Wie er in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch, 11. November, sagte, habe er sich selbst ein Bild von der Lage am Samstag zuvor gemacht und den Eindruck gewonnen, dass sich die Marktbesucher weitgehend an die Maskenpflicht hielten.

Schlenker bezog sich auch auf Aussagen des Marktsprechers Herbert Schober. Demnach laufe es super, man komme mit den Masken gut zurecht. Schlenker widerspricht mit seiner Aussage den Beobachtungen, die Gemeinderat Andrej Michalsen (LBU/Die Grünen) machte. Michalsen stellt in der Marktstraße ein erhebliches Gedränge fest, bei vielen Besuchern, die keine Maske trügen. Diese Beobachtung bezog sich auf den Markttag 7. November, also den Samstag vor der Gemeinderatssitzung.
Michalsen: Ein Thema für den Gemeinderat
Michalsen kritisierte, dass die Marktstände von der Hofstatt auf die Münsterstraße verlegt wurden. Zur Begründung hatte es vonseiten der Stadt geheißen, dass die Verlegung nötig sei, weil die Hofstatt wegen der bis März dauernden Straßenbauarbeiten in der Hafenstraße für die Händler nicht mehr bedient werden könne. Jedenfalls hält Michalsen die Verlegung für bedenklich, weil sich der Besucherstrom somit auf eine kleinere Fläche konzentriert: „Das ist in Corona-Zeiten kontraproduktiv.“ Zudem sieht er darin keinen Vorgang der laufenden Verwaltung, sondern erwartet, dass sich der Gemeinderat mit dem Thema beschäftigt.

Käsehändler Schober: „Überlinger vorbildlich“
Käsehändler Herbert Schober aus Singen, Sprecher der Markthändler in Überlingen, bestätigt, wie ihn der städtische Fachbereichsleiter Schlenker zitierte. Mit einem weiteren Tag an Erfahrungen, die er am 15. November sammeln konnte, sagt Schober: „Die Maskenpflicht wird zu 95 Prozent verfolgt. Sie wird angenommen, die Leute beherzigen es, tragen Maske.“ Die Verständigung sei manchmal sehr schlecht, die Leute seien schon länger genervt von der Maske, dennoch nähmen sie auf dem Markt in Überlingen Rücksicht. Diesbezüglich bezeichnet er die Kunden auf diesem Markt als vorbildlich.
Schober begrüßt es, dass in Überlingen keine Security-Kräfte über den Markt patrouillieren, wie das in Radolfzell der Fall sei, wodurch unter den Besuchern „stimmungsmäßig eine gewisse Zurückhaltung“ entstehe. In Überlingen sei das Ordnungsamt zwar präsent und spreche hier und da die Besucher ohne Maske an, „hier ist aber alles ein bisschen lockerer.“
Benefizaktion trotz Corona? Wegen Corona!
Niklaus Waser steht in der Münsterstraße an einem Stand des Lionsclubs und verkauft Adventskalender für den guten Zweck. Der Erlös kommt der Hilfe für sexuell missbrauchte Kinder zugute. Zunächst hätten sie im Lionsclub darüber diskutiert, keine Verkaufsaktion zu starten, wegen Corona. Sie seien dann aber zu dem Ergebnis gekommen, gerade wegen der Corona-Krise, in der häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch in Familien zunehme, die Benefizaktion zu starten. Während in früheren Jahren die Programme ausführlicher erklärt werden mussten, sei das Thema dieses Jahr so eindeutig, dass längere Gespräche mit lästiger Maske gar nicht nötig seien. „Viele kaufen den Kalender zum ersten Mal, denen das Thema wichtig ist.“

Auch Niklaus Waser am Stand des Lionsclubs bilanziert, dass die meisten Maske trügen. „In Überlingen ist das entspannt, man jammert nicht, sondern man macht‘s halt.“ Oder, um es in den Worten von Obstbauer Michael Baader auszudrücken: „Des isch jetzt halt so.“