Fast sechs Hektar groß, bislang mit Werkshallen und Industriebauten belegt: Das ist das Kramer-Gelände im Osten von Überlingen. Der Eigentümer, die Wacker-Neuson-Gruppe aus München, möchte es zu Geld machen. Der Konzern kommt an der Planungshoheit der Stadt Überlingen allerdings nicht vorbei. Und das verschafft der Öffentlichkeit die Chance, sich am Planungsprozess zu beteiligen.

Die weiß gepunktete Linie umfasst die rund 5,7 Hektar große Fläche, die neu bebaut wird. Den rot schraffierten Bereich an der Nußdorfer ...
Die weiß gepunktete Linie umfasst die rund 5,7 Hektar große Fläche, die neu bebaut wird. Den rot schraffierten Bereich an der Nußdorfer Straße (1,8 Hektar) kann die Stadt vom derzeitigen Eigentümer Wacker Neuson erwerben. | Bild: Müller, Cornelia

In Verhandlungen zwischen Unternehmen und Stadt wurde vereinbart, dass ein Teil des Geländes an die Stadt zur eigenen Verwertung abgetreten wird, rund ein Fünftel der gesamten Fläche. Zudem wird das Areal einem städtebaulichen Wettbewerb unterzogen. Diesem Prozess wiederum geht ein Bürgerbeteiligungsprozess voraus.

Auftakt war am Mittwoch mit einer Einwohnerversammlung im Kursaal. „Der Saal ist voll“, sagte Oberbürgermeister Jan Zeitler, der die Zahl auf 300 Besucher schätzte. Er sei sich sicher, dass auf dem Kramer-Areal „ein lebhaftes Quartier“ entsteht. Das Interesse an der Auftaktveranstaltung stimmte ihn zuversichtlich.

Wie die Bürger ihre Meinung einbringen können

Brainstorming auf dem Werksgelände

Am Freitag, 3. März, können die Bürger ihre Ideen einbringen. Wie sollen die Grünflächen aussehen, wo findet Kultur ihren Platz, stehen auf der Seeseite die höchsten Gebäude oder an der Nußdorfer Straße, welche Werkstoffe werden verwendet, wie wird geheizt, gibt es einen Durchstich unter den Bahngleisen zum See? Der Phantasie in einem Workshop sind keine Grenzen gesetzt. Beginn ist um 16 Uhr nach einer Führung über das Grundstück.

Die Uhr läuft: Ab sofort können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger in den Planungsprozess direkt einbringen.
Die Uhr läuft: Ab sofort können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger in den Planungsprozess direkt einbringen. | Bild: Hilser, Stefan

OB Jan Zeitler und und Baubürgermeister Thomas Kölschbach kündigten an, in dieser Phase nur zuzuhören. Der Prozess sei völlig offen, sagte Zeitler. Es könne sein, dass alle Bestandsgebäude abgerissen werden, es könne aber auch sein, dass ein Teil der alten Werkshallen bestehen bleibt.

Eine Künstlergruppe will alte Werkshalle erhalten

Eine Gruppe von Kulturschaffenden und Existenzgründern aus Überlingen hat das Ziel, eine alte Halle zu erhalten. Sie nennen sich „Überlinger Kulturschutzgebiet“, sind als Verein organisiert, und meldeten sich in der Einwohnerversammlung zu Wort. Auch mit Kritik am Verfahren als solchem, das sie für überhastet halten. Sie hätten sich mehr als zwei Tage Bedenkzeit zwischen Auftakt und Workshop gewünscht. Zeitler forderte sie zur Teilnahme am Freitag auf. „Es wäre fatal, wenn Sie sich nicht einbringen.“

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Er sei überrascht, sagte Bürgermeister Thomas Kölschbach, dass der Kursaal so voll ist. „Sie sind von Anfang an mit dabei“, versicherte er den Besuchern. Überlingen sei jetzt schon die schönste Stadt am Bodensee, das neue Quartier könne dazu beitragen, dass das so bleibt.

Wie den Planern die Feder geführt werden kann

Als „spannendsten“ Teil der Bürgerbeteiligung sieht Kölschbach die Auseinandersetzung zwischen Bürgern und Planern im sogenannten Werkstattdialog. Hier könne das Publikum mit Blick auf erste Entwürfe den Planern „einen Zahn ziehen“ und sagen: „So haben wir nicht gewettet.“ Die Planer, die letztlich eine auch mit Bürgern besetzte Jury überzeugen müssen, könnten sich dann überlegen, wie sie ihre Pläne so abändern, dass sie dem aus der Öffentlichkeit formulierten Wunsch entsprechen.

Stadt plant auf ihrem Anteil günstiges Wohnen

Dem Überlinger Wohnbauland entsprechend, müssen auf dem gesamten Areal 30 Prozent an preisgedämpftem Wohnraum entstehen. Die Stadt ihrerseits, so Zeitlers Wunsch, schaffe auf ihrem Anteil 90 Prozent an preisgedämpften Wohnraum. Es handelt sich um Wohnungen, die für mindestens 30 Jahre zu 15 Prozent unter dem Mietpreisspiegel für vergleichbare Objekte liegen.

In der Fragerunde bei der Einwohnerversammlung wies Jochen Dambacher darauf hin, dass mit der Übererfüllung durch die Stadt die Wacker-Neuson-Gruppe entlastet werde, was die Erfüllung der 30-Prozent-Quote aus dem Wohnbaulandmodell betrifft. Ob das gewünscht sei?

Das Kramerareal. Zwischen Werksgelände und Bodensee verläuft eine Bahnlinie.
Das Kramerareal. Zwischen Werksgelände und Bodensee verläuft eine Bahnlinie. | Bild: Hilser, Stefan

Kölschbach antwortete, dass noch nicht entschieden sei, ob Wacker-Neuson nicht von sich aus die 30 Prozent erfüllt. Verpflichtet sei sie nicht dazu, wenn die Quote dank des höheren städtischen Anteils insgesamt erfüllt werde. Allerdings, so Kölschbach auf Nachfrage des SÜDKURIER, habe die Stadt dank des Wohnbaulandmodells einen Hebel in der Hand und somit bei den Verhandlungen mit Wacker-Neuson gepunktet.

Gewinnabschöpfung nennt sich Infrastrukturabgabe

Ein Ergebnis des städtebaulichen Vertrags mit dem Eigentümer ist es, dass der Konzern ein Fünftel der Fläche an die Stadt abtritt – zu welchem Preis, das halten die Parteien geheim. Er sei aber gut, versicherte Zeitler. Zudem, so Kölschbach, werde Wacker-Neuson zu einer Infrastrukturabgabe verpflichtet, die steigt, je mehr Wohnbaufläche auf dem Gelände entsteht. Die Summe, die der Vorhabenträger an die Stadt abtreten muss, reiche „locker“, um damit einen Kindergarten mit vier bis sechs Gruppen zu bauen. Zeitler betonte: „Wir haben gut verhandelt.“ Die Kosten für den gesamten Prozess, einschließlich Bürgerbeteiligung und Wettbewerb, trägt Wacker-Neuson.