Angesichts des Minimaletats für die Kultur drängt sich ein Blick zurück auf: Es war die Stadt Überlingen, die nach zwölf düsteren Jahren Nationalsozialismus 1945 die allererste Ausstellung verfemter Kunst im Nachkriegsdeutschland zeigte: „Rückkehr der Moderne“ war ein Paukenschlag. Sie wurde 1995 zum Jubiläum wiederholt, auch wenn nicht mehr alle der großen Gemälde ausgeliehen werden konnten – inzwischen waren sie zu bedeutend für die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts geworden.

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Was wurde nicht alles initiiert? Wir denken an den Bodensee-Literaturpreis, an die große Zeit der Tourneetheater mit den Namen berühmter Schauspieler. Ab 2003 das Sommertheater, Konzerte, Musik- und Jazz-Festivals, das literarisch-kulinarische Festival WortMenue – die Liste, die über die Jahrzehnte aufzuschreiben wäre, geriete sehr lang. Und alles ist Vergangenheit.

Ruf als Ausstellungsmacher gab den Ausschlag zur Anstellung Michael Brunners

Doch sei hier speziell der Blick auf die Bildende Kunst gerichtet in der Stadt, die sich bis in die Zweitausender-Jahre als Kulturstadt definierte. Denn es geht auch um jenes Können, für das Michael Brunner einst geholt wurde. Als Brunner 2003 die Leitung des Kulturamtes übernahm, war der Ruf, den er sich im kleinen Engen als überregional beachteter Ausstellungsmacher geschaffen hatte, ein Hauptgrund dafür, dass sich der Gemeinderat für ihn entschied. Und so hatte er in den ersten Jahren die (finanziellen) Möglichkeiten, kunstgeschichtlich bedeutende Präsentationen zu kuratieren.

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Sogar einen Turner, der in Großbritannien nationales Kulturgut ist, brachte Brunner an den See

Dabei kam Michael Brunner sein damals viel gerühmtes Talent zugute, die Verantwortlichen in bedeutenden Museen davon zu überzeugen, ihre Preziosen auszuleihen. Gleich die erste Ausstellung 2004 war eine Sensation. „Wasser in der Kunst – Von Turner bis Nolde“ zeigte unter anderem zwei Hauptwerke William Turners und drei Meereslandschaften Emil Noldes. Ein Turnerbild aus der „York Art Gallery“ gilt als nationaler Kulturschatz und darf die britische Insel eigentlich nicht verlassen. Nachdem Brunner sie so weit hatte, begleitete die Museumdirektorin ihr Bild schließlich persönlich an den Bodensee.

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Dann die Venedig-Ausstellung mit Bildern aus dem „Museo Correr“, dem Brunner durch sein Studium in Venedig verbunden ist. So spektakulär ging es weiter. Die große Ausstellung „1100 Jahre Kunst und Architektur in Überlingen“ 2005 zeigte – nur ein Beispiel für die Qualität auch bei regional ausgerichteten Schauen – ein extrem seltenes Bergkristallrelief aus der Karolingerzeit, das von einem Überlinger Goldschmied in ein Kapitelkreuz eingesetzt wurde. Jahrzehnte ruhte das Kreuz unzugänglich im Freiburger Münsterschatz.

Lang ist es her: Als die Ausstellungen in der städtischen Galerie Fauler Pelz noch große Kunst zeigten, packte auch der ...
Lang ist es her: Als die Ausstellungen in der städtischen Galerie Fauler Pelz noch große Kunst zeigten, packte auch der Oberbürgermeister mit an: Hier hilft OB Volkmar Weber (rechts) im Mai 2006 Stefan Schuster, dem Restaurator des Bayerischen Nationalmuseums, der damals das Auspacken und Hängen des Bildes „Der Hofhalt Kaiser Friedrichs II. in Palermo“ von Freiherr von Ramberg persönlich überwachte. | Bild: Martin Baur

Eine lange Liste großer Namen bedeutender Künstler

Ein Jahr später gab es „Glanz und Glamour“ über das inszenierte Portrait seit 1300. Brunner beschaffte Bilder von Dürer, von van Dyck bis hin zu Warhol – Weltkunst erster Klasse. Nach „700 Jahre russische Kunst“ (2008) folgte ein Jahr später „Impressionismus und Japanmode“ mit Werken von Edgar Degas und James Whistler. Leihgaben unter anderem aus dem Britischen Museum und dem Kunstmuseums Winterthur.

Nur noch eine Erinnerung: 2007 gelang es Brunner, den Streit der Stadt mit ihrem bedeutendsten Bürger Martin Walser beizulegen. Nur dadurch kam die international beachtete Ausstellung „Walser und die Kunst“ zustande, mit Werken aus der Privatsammlung des bedeutendsten lebenden deutschen Dichters und Gemälden von Künstlern, die Walser schätzt, darunter Bilder von Werner Tübke, Johannes Grützke und Grafiken von Horst Janssen.

Immer ein Publikumsmagnet ist Bildhauer Peter Lenk, den die Stadt kurzerhand 2017 erneut einlud. Hier eine Zweitfertigung des Löwen vom ...
Immer ein Publikumsmagnet ist Bildhauer Peter Lenk, den die Stadt kurzerhand 2017 erneut einlud. Hier eine Zweitfertigung des Löwen vom Denkmal für Heinrich den Löwen auf dem Schweriner Marktplatz. Hinten links Rudolf Scharping, in seiner Rolle als Verteidigungsminister stellte ihn Lenk salutierend auf sein Stockacher U-Boot. | Bild: Martin Baur
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Im Jahr 2011 hieß es dann, es gebe nur noch alle drei Jahre eine größere Ausstellung – die Ouvertüre zum Niedergang der Kultur in allen Bereichen. Wobei angemerkt sei, dass Michael Brunner mit der aktiven Hilfe eines kreativen kleinen Teams und eines ideenreichen Museumskustos Peter Graubach sowohl in der Galerie Fauler Pelz als auch im Museum attraktive Ausstellungen zustande brachte. Etwa 2017, als er zum wiederholten Male der genialen Bodmaner Bildhauer Peter Lenk in den Faulen Pelz einlud, dessen Kunst immer ein Erfolgsgarant ist. Die durchaus ebenfalls erfolgreiche Dalí-Ausstellung 2018/19 zeigte, was Kritiker bemängelten, kein einziges Originalwerk.

Am Ende sei dann noch an die Etatkürzung für das Sommertheater in Etappen über Jahre erinnert, die dem Konstanzer Stadttheater mit Intendant Christoph Nix die Steilvorlage für den Schlusspfiff lieferte. Mit dem jetzigen Sparetat ist nun ein vorläufiger Höhepunkt der städtischen Kulturföderung erreicht. Was verloren ist, zeigt dabei der Blick zurück.