Die Familie Alliko hat eine schöne Wohnung in Überlingen-Nußdorf gemietet, Vater Sarbast hat Arbeit, die großen Kinder gehen zur Schule. Mutter Meidia war in Syrien Lehrerin und unterrichtet Arabisch an der hiesigen Gemeinschaftsschule. Nach Überlingen wäre er gerne schneller gekommen, erzählt Sarbast Alliko. Der Umweg über sieben Länder und fünf deutsche Städte kostete ihn ein Jahr. „Ein Jahr, in dem ich nicht Deutsch lernen konnte und nicht arbeiten durfte“, erklärt Sarbast Alliko.

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2015, im Jahr von Sarbast Allikos Flucht aus dem syrischen Kriegsgebiet, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Hinblick auf die in der EU „gestrandeten“ Flüchtlinge jenen legendären Satz: „Wir schaffen das.“ Gemeint hatte sie ihn in historischem Kontext. Wörtlich sagte die Bundeskanzlerin: „Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!“ In der folge nahm Deutschland rund eine Million Geflüchtete auf.

Fünf Jahre später blickt Familie Alliko zurück. Und gibt der Kanzlerin Recht

Kanzlerin Merkel hatte damals Recht, sagt Sarbasts Ehefrau Meidia, denn viele Geflüchtete und ihre ehrenamtlichen Helferinnen seien inzwischen zu Freunden geworden. Im Fall der sechsköpfigen kurdischen Familie ist Martina Schütz gemeint, die sich ab 2016 um die Allikos kümmerte – und gerade eben mit den Kindern eine Urlaubswoche an der Ostsee verbrachte. „Ihr seid auch meine Familie geworden, ich wüsste ja gar nicht mehr, was ich ohne euch machen sollte“, sagt Martina Schütz lachend und schaut sich die Hausaufgaben der 13-jährigen Silva an.

Da wird geknuddelt. Martina Schütz aus dem ehrenamtlichen Helferkreis war sogar die Namengeberin der kleinen Elsa, denn so hieß ...
Da wird geknuddelt. Martina Schütz aus dem ehrenamtlichen Helferkreis war sogar die Namengeberin der kleinen Elsa, denn so hieß Schütz‘ Großmutter. Familie und Helferin könnten sich das Leben nicht mehr ohne einander vorstellen, eine Bereicherung für alle, so sagen sie. | Bild: Stef Manzini

Wie eng der Kontakt zwischen Martina Schütz und der geflüchteten Familie ist, zeigt die Namensgebung von Nesthäkchen Elsa: „So hieß meine Großmutter, ich war die Namensgeberein“, freut sich Schütz, die vom ersten Moment an im Überlinger Helferkreis Geflüchtete betreute. Es sei ein gegenseitiges Geben und Nehmen, das mache es für alle so wertvoll und Martina sei für sie tatsächlich ein Familienmitglied, erklären dazu die Allikos.

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Riesiges Lob für Integrationsbeauftragte Elke Dachauer

Elke Dachauer, die Integrationsbeauftragte der Stadt Überlingen, ist für die Familie Alliko ebenfalls ein Schlüssel zum Glück, denn sie sei so engagiert und mit so viel Herz dabei. „Alles ist möglich, wenn Frau Dachauer es machen kann“, erzählt Sarbast Alliko. Nicht überall läuft das so gut wie in Überlingen, weiß Sarbast Alliko und ist deshalb besonders froh, in der Bodenseestadt angekommen zu sein.

Zum Thema Integration von geflüchteten Menschen in Überlingen äußert sich die Stadtverwaltung – und zieht nach fünf Jahren ein insgesamt positives Fazit

Sarbast Alliko machte sich 2015 zunächst allein auf den Weg

Als vor etwas mehr als fünf Jahren im syrischen Aleppo eine Rakete nur 50 Meter entfernt von seinem Sohn Khaleel explodierte, sei für ihn der Zeitpunkt des Aufbruchs und der Flucht gekommen, erklärt der Familienvater. Alleine habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, um über den Libanon, die Türkei und Griechenland auf dem Landweg letztlich im Auffanglager Karlsruhe anzukommen. Ein Jahr später habe er seine vierköpfige Familie nachgeholt.

Gastfreundschaft spiele eine große Rolle für sie als Kurden, erklärt Sarbast Alliko. Seine Frau Meidia hat gekocht und der Tisch ist ...
Gastfreundschaft spiele eine große Rolle für sie als Kurden, erklärt Sarbast Alliko. Seine Frau Meidia hat gekocht und der Tisch ist reichlich gedeckt mit Spezialitäten aus ihrer Heimat, wie Köfte und Labane-Suppe. Silva, Martina Schütz aus dem Überlinger Helferkreis, Muhammad, Meidia, Elsa, Sarbast und Khaleel (von links). | Bild: Stef Manzini

Mutter Meidia erinnert sich an ihre Flucht über die Grenze zur Türkei: „Wir gingen nachts zu Fuß und brauchten acht Stunden, wir mussten ganz leise sein, meine Mutter hatte allen Kindern Telefonnummern an die Hosen genäht, für den Fall, dass wir getrennt würden. Ja, es war schwer, die Kinder hatten Durst.“ Seine Familie dem Krieg und Terror ausgesetzt zu wissen, das habe ihn sehr mitgenommen in jener Zeit, in der er noch alleine in Deutschland war, sagt der heute 39-jährige Sarbast.

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Angela Merkel hat Recht gehabt mit ihrem Satz „wir schaffen das“, glaubt auch er und begründet: „Fast alle Männer, die damals kamen und die ich kenne – Kurden, Afghanen und andere – arbeiten mittlerweile und ernähren ihre Familien.“ Für den kurdischen Syrer ist dazu die Sprache der Schlüssel zum Leben in einem fremden Land. Die großen Kinder der Allikos sind alle in der Wiestor-Gemeinschaftsschule und sprechen hervorragend deutsch. Ihre Mutter Meidia gibt Arabisch-Unterricht in der Schule, damit die Kinder ihre Muttersprache nicht vergessen.

Der elfjährige Muhammad möchte Zahnarzt werden. Da verdiene man gut und könne den Menschen helfen, so seine Überlegung. Darauf gebracht ...
Der elfjährige Muhammad möchte Zahnarzt werden. Da verdiene man gut und könne den Menschen helfen, so seine Überlegung. Darauf gebracht hat ihn sein Bruder, der möchte Augenarzt werden. | Bild: Stef Manzini

Vielleicht eröffnet Sarbast Alliko eines Tages ein kleines Schneideratelier in Überlingen

Sarbast Alliko war in seiner Heimatstadt Schneider. Heute arbeitet er in der Autoaufbereitung beim Autohaus Bihl in Überlingen. „Samstags habe ich noch eine Arbeit bei Anza-Fashion, da kann ich nähen“, erklärt er und fügt an, dass er vielleicht eines Tages ein kleines Schneideratelier in Überlingen eröffnen möchte. Berufswünsche haben auch seine Tochter und die Söhne. Der 14-jährige Khaleel möchte Zahnarzt werden, sein elfjähriger Bruder Muhammad Augenarzt. Als Arzt verdiene man gut und könne Menschen helfen, erklären die Brüder. Silva, 13 Jahre alt, möchte gerne Sängerin werden. Sie hat eine so schöne Stimme, sagt Vater Sarbast, und Silva schnappt sich gleich das Instrument und singt dazu.

Die 13-jährige Silva spielt ein Instrument aus der Heimat. Sie spielt gut und hat eine sehr schöne Stimme, sagt der stolze Papa Sarbast ...
Die 13-jährige Silva spielt ein Instrument aus der Heimat. Sie spielt gut und hat eine sehr schöne Stimme, sagt der stolze Papa Sarbast Alliko. | Bild: Stef Manzini

Fußball, erklärt Sarbast Alliko, sei sein liebstes Hobby, er spiele einmal wöchentlich mit seinen Söhnen und Freunden, das sei leider durch Corona in diesem Jahr zu kurz gekommen. Der Spaß an Sport und Musik verbinde alle Völker und lasse die Menschen zu Freunden werden, ist sich Sarbast sicher. Seine Familie sei in Überlingen angekommen und fühle sich sehr wohl. Anfeindungen gebe es nur sehr selten. „Danke Frau Merkel und danke den Überlingern, denn sie sind offen, großzügig und freundlich“, sagt Sarbast Alliko zum Schluss.