Beim Thema Integration kennt sich Serhiy Kosar aus. Der gebürtige Ukrainer kam vor fast neun Jahren nach Deutschland, absolvierte mehrere Stationen – sportlich und beruflich – und arbeitet mittlerweile als Integrationsmanager bei der Diakonie in Überlingen. „Wir helfen Flüchtlingen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und beraten in allen Fragen des Alltags in Deutschland“, fasst Serhiy Kosar die Aufgaben zusammen.

Wer andere bei der Integration unterstützen kann, darf sich bei dem Thema wohl als Profi sehen. Doch als er 2023 die deutsche Staatsbürgerschaft beantragte, gab es zahlreiche bürokratische Hürden, die er überwinden musste. Schließlich dauerte es eineinhalb Jahre, bis er im April 2025 im Landratsamt seine Einbürgerungsurkunde abholen und den Personalausweis beantragen konnte.

Der Fußball brachte ihn an den Bodensee

Serhiy Kosar brachte Ende 2016 der Fußball nach Überlingen. In der Ukraine spielte er als Profi und lernte den Dirigenten Georg Mais kennen, als dieser in Kosars Heimatstadt Lemberg ein Konzert gab. Der gebürtige Überlinger Musiker stellte den Kontakt zum hiesigen Fußball-Club (FC) her, wo Kosar bald als Spieler auf dem Platz stand. Doch ohne gültigen Aufenthaltstitel konnte er nicht bleiben. Daher bewarb er sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in einem Pestalozzi Kinderdorf.

Seine Deutschkenntnisse waren damals noch recht lückenhaft, aber seine Chefin gewährte ihm Zeit. Dazu gab ihm die Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen die Gelegenheit, an internen Sprachkursen teilzunehmen. Für den Umgang mit den Jugendlichen war er durch sein Sport- und Projektmanagement-Studium in der Ukraine gut vorbereitet, wo er auch Sportfreizeiten für Jugendliche organisiert hatte.

Beim FC09 Überlingen fing alles an. Das Bild zeigt Torjäger Marc Kuczkowski (Mitte) mit Serhiy Kosar (links) und Patrick Thum (rechts). ...
Beim FC09 Überlingen fing alles an. Das Bild zeigt Torjäger Marc Kuczkowski (Mitte) mit Serhiy Kosar (links) und Patrick Thum (rechts). Das Bild entstand 2016 im Spiel des FC gegen den SV Aach-Eigeltingen. | Bild: Eugen Fischer

Serhiy Kosar überwindet Sprachbarrieren

Nach dem Jahr war Serhiy Kosar klar, dass er gerne in Deutschland bleiben möchte. Er ließ seine Zeugnisse anerkennen und schrieb sich in Ravensburg für eine duale Ausbildung am Institut für Soziale Berufe ein. „In pädagogischen Berufen muss man viel sprechen“, stellt Kosar fest. Das sei für ihn Herausforderung und Ansporn gewesen, die Sprache immer besser zu beherrschen. Nach der dreijährigen Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher arbeitete er bei der Familienhilfe im Landkreis Konstanz.

Dort gehörte es zu seinen Aufgaben, deutsche und ausländische Familien im Auftrag des Jugendamts aufzusuchen, sie zu unterstützen und Beratung im Alltag zu geben. Dann wurde die Stelle im Integrationsmanagement bei der Diakonie in Überlingen ausgeschrieben, die im Auftrag der Stadt für die Betreuung von Flüchtlingen zuständig ist. „Das passte sofort“, freut sich Serhiy Kosar, der sichtlich Spaß an seinem Job hat. „Ich bekomme viele positive Rückmeldungen.“

Seit der Krieg begann, konnte er vielen Menschen helfen

Die Invasion Russlands in die Ukraine Ende Februar 2022 löste eine Flüchtlingswelle und große Betroffenheit aus. In Überlingen fand sich spontan das Netzwerk „Überlingen hilft“ zusammen. Die Initiatoren holten Serhiy Kosar mit ins Boot, der direkt mit der Unterstützung loslegte. „Ich konnte mit meinen Kontakten und bei der Sprache helfen“, erinnert er sich. Er übersetzte Dokumente, fungierte als Dolmetscher und organisierte Hilfslieferungen. Das hat er alles ehrenamtlich, neben seinen beruflichen Aufgaben, gemacht. Für die ukrainischen Flüchtlinge in Überlingen war und ist er eine wichtige Hilfe.

Bei seiner Arbeit als Integrationsmanager kommt Serhiy Kosar mit vielen Menschen unterschiedlicher Nationen und Ansprechpartnern bei Ämtern und Initiativen zusammen. Diese Kontakte schätzt er sehr. „Durch die Arbeit habe ich viele nette Menschen kennengelernt, so kann man schnell helfen“, betont er. Diese gute Vernetzung sei charakteristisch für die Kleinstadt am Bodensee. „In keiner anderen Kommune im Bodenseekreis läuft es so gut wie in Überlingen“, stellt Kosar stolz fest.

Das könnte Sie auch interessieren

Anträge erschweren den Integrationsprozess

Auf die Frage, wie die Gemütslage bei ihm ist, nachdem er endlich den deutschen Pass hat, antwortet er vor allem erleichtert: „Ein langer Kampf ist zu Ende.“ Eineinhalb Jahre lang musste er immer wieder neue Dokumente vorweisen, die zu beschaffen Zeit kostete, was wiederum Fristen verstreichen ließ.

So musste er trotz seiner erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung das Ergebnis eines Deutschkurses vorweisen. Er überzeugte die verblüfften Kurs-Anbieter, ihn an einer Abschlussprüfung teilnehmen zu lassen, um an das Dokument zu kommen. „Der Integrationsprozess wird erschwert durch die Bürokratie. Alles besteht aus Anträgen“, sagt Kosar schulterzuckend. „Ich habe gelernt, viele Sachen zu akzeptieren und nicht zu hinterfragen.“

Viele Deutsche hätten keine Ahnung, was es bedeute, einen Aufenthaltstitel zu benötigen und wie kompliziert die Gesetze seien, so Kosar. Sein Ziel sei es immer gewesen, „einfach dazuzugehören“. Also möglichst wenig auffallen, perfekt Deutsch sprechen und sich von Diskriminierungen im Alltag nicht entmutigen lassen. Für seine Arbeit seien seine Erfahrungen nützlich, da er so seinen Klienten besser helfen und deren Probleme nachvollziehen könne. „Das ist nicht nur Integration, das ist auch pädagogische, psychologische Arbeit.“

Der Krieg in der Heimat belastet

Der Krieg in der Ukraine belastet ihn wie alle seine Landsleute sehr. Kosars Familie lebt zum größten Teil noch dort und er verfolgt alle Nachrichten mit großer Sorge. Doch für seine Frau und seine beiden kleinen Kinder schaut er vor allem nach vorn. Es ist ihm wichtig zu betonen: „Ich bin sehr dankbar für die Hilfe und Unterstützung, die ich bekommen habe!“ Angefangen von Georg Mais, der ihn damals nach Überlingen brachte, über den ÜFC bis zu seinen Kollegen bei der Diakonie, habe er viel Hilfe, positive Verstärkung erfahren. Und nun gehört er ganz offiziell dazu.