Wenn man die Schneckenzucht von Andres Hertrich betritt, sieht man auf den ersten Blick lediglich ein Feld, auf dem jede Menge Unkraut wächst. Meterhohe Disteln wechseln sich mit Brennnesseln ab, dazwischen wachsen Blühpflanzen.
Wer genauer hinsieht, erblickt zwischen den Pflanzen Schleimspuren, vereinzelte Schneckenhäuschen hängen still am Zaun. Es ist ein früher, trockener Sommerabend. Eigentlich noch zu früh für die Weinbergschnecken. Bis sie aus ihrem Häuschen kriechen, dauert es noch.

Hertrichs Wunsch wäre es, alleine von der Schneckenzucht leben zu können
Andres Hertrich blickt auf das wild wuchernde Feld vor sich: „Das hier ist der schönste Arbeitsplatz überhaupt“, findet er. Sein Wunsch wäre es, alleine von der Schneckenzucht leben zu können, derzeit reicht es aber noch nicht.
Denn das Jahr 2018 war sehr trocken – schlechte Bedingungen für die Schnecken. Die Folge: Sie vermehrten sich nur sehr schlecht. „Ich habe mich dazu entschieden, im vergangenen und diesem Jahr keine Schnecken zu entnehmen, um die Population nicht zu gefährden“, sagt Hertrich.Schnecken der Gattung Helix Pomatia für die Gastronomie
Denn eigentlich hat er die Schneckenzucht begonnen, um die Schnecken der Gattung Helix Pomatia an umliegende Gastronomen zu verkaufen. Probleme, Abnehmer zu finden, habe er bisher nie gehabt. Die Schwierigkeiten lägen eher wo anders. Neben der Trockenheit macht auch die zunehmende Zahl an Nacktschnecken seiner Population Probleme. „Die Nacktschnecken machen die Weinbergschnecken regelrecht kaputt.“ Um ihnen Herr zu werden, sammelt er sie regelmäßig ein und wirft sie über seinen Schneckenzaun.

Vögel, Bienen, Hummeln und Schmetterlinge sind gerne gesehene Gäste
Je später es wird, desto agiler werden auch die Schnecken. Einzelne Fühler schauen schon aus dem Schneckenhaus. Manche begeben sich bereits auf die Futtersuche. Weil sich die Weichtiere in ihrem 200 Quadratmeter großen Feld sichtlich wohlfühlen, haben sich neben Nacktschnecken inzwischen auch ganz neue Schneckenarten dort eingenistet. Auch Vögel, Bienen, Hummeln und Schmetterlinge seien gerne und oft gesehene Gäste in Hertrichs Schneckenzucht. „Das hier ist ein guter Beitrag zur Biodiversität“, sagt er stolz.
Hertrich greift in die naturbelassene Freilandzucht kaum ein
In seiner naturbelassenen Freilandzucht dürfen sich die Schnecken frei bewegen. Andres Hertrich selbst greift kaum ein. Nach dem harten Sommer 2018 habe er sich zwar überlegt, das Feld, auf dem die Schnecken leben, zu bewässern, hat sich aber dagegen entschieden. Denn er wisse nicht, ob er damit nicht vielleicht mehr Schaden anrichtet, als Gutes zu tun. „Das muss man dann aber aushalten“, sagt er im Rückblick auf 2018. Ganz untätig ist der Züchter dennoch nicht. Mit einer Sense kürzt er das Gras und bildet daraus Haufen, in denen sich die Schnecken tummeln können. „Das ist mein Beitrag, der Rest muss von oben kommen.“

Vom Schafzüchter zum Schneckenzüchter
Faszinierend habe er die Weichtiere schon immer gefunden, doch mit jedem Jahr sei die Liebe zu den Schnecken gewachsen, sagt Andres Hertrich. Die Idee zur Schneckenzucht entstand, nachdem er eine gemeinsam mit seinem Nachbarn gehütete Schafherde aufgeben musste. „Ich dachte mir dann: Wie wäre es mit Schnecken?“ In der Zeitung habe er gelesen, dass ein Schneckenzüchter aus Markdorf seine Zucht aufgegeben habe, er es aber immer wieder machen würde. Nach zahlreichen Schulungen fragte Hertrich die ansässigen Gastronomen, ob sie ihm Schnecken abkaufen würden – und fand: „Dafür gibt es einen Markt“. Seit 2013 tummeln sich daher Schnecken auf einem Feld am Ortsrand von Andelshofen. 10 000 bis 20 000 seien es momentan ungefähr.
„Das sind wahre Überlebenskünstler“, sagt er. Und lecker seien sie auch. Als ambitionierter Koch habe er schon immer verschiedene Dinge ausprobiert, zum Beispiel Schneckenlebertoast. Um den Schnecken ein besonderes Aroma zu verleihen, hat er in seiner Schneckenzucht auch Kräuter wie Majoran gepflanzt.
Schnecken Essen ist in der Gegend heute nicht mehr sehr verbreitet
Verarbeiten muss Hertrich die Schnecken selbst, bevor er sie an Gastronomen verkaufen kann. Für zweieinhalb Stunden werden sie in einem Sud gezogen, bevor es ans Blanchieren geht, der Eingeweidesack aus dem Häuschen gezogen und vom Fuß der Schnecke getrennt wird. Die Einsatzmöglichkeiten des Fleisches seien vielfältig, sagt er. Während das Schnecken Essen in der Gegend heute nicht mehr sehr verbreitet sei, könne er sich an Zeiten erinnern, in denen man mit einem Eimer bewaffnet im Wald Schnecken sammeln gegangen ist. Heute ist das nicht mehr erlaubt. Aufs Schnecken Essen verzichten will Hertrich aber nicht.