Die Wiestorschule bekommt ein neues Leitungsteam. Rektor Jürgen Mattmann und Konrektorin Irmgard Maier verlassen beide zum Ende des Schuljahres ihre Posten. Das sei rein zufällig und stehe nicht in Zusammenhang mit der gerade geführten Debatte, bei der es um die Entwicklung der Überlinger Schullandschaft geht, betonen beide.
Die Bewerbungsverfahren für die Nachfolge liefen beziehungsweise seien so gut wie abgeschlossen. „Bei der Konrektor-Stelle rechnen wir täglich mit Nachrichten“, sagt Mattmann. Für diese Position haben sich ausschließlich Frauen beworben, eine aus dem Kollegium der Wiestorschule. Neuer Rektor wird wieder ein Mann, der von außen kommt. So viel lasse sich anhand der Bewerbungen bereits sagen, verrät Jürgen Mattmann. Ob seine Nachfolge noch vor der Verabschiedung geregelt wird, sei noch offen.
Mattmann zieht es ins peruanische Hochland
Und was ist der Grund für seinen Weggang? „Ich habe mich gefragt, ob es noch etwas anderes zu tun gibt und folge einem inneren Ruf“, sagt Jürgen Mattmann. Er wird im peruanischen Hochland die Leitung einer deutschen Schule übernehmen. „Das ist noch einmal eine Herausforderung, raus aus der Komfortzone“, räumt er ein.
Irmgard Maier wechselt nach 28 Berufsjahren an der Wiestorschule, von denen sie 15 Jahre Konrektorin war, in den Ruhestand. „Es tut unheimlich weh zu gehen“, gibt sie offen zu. „Die Schule ist mein Leben. Aber ich möchte endlich Dinge tun, für die vorher keine Zeit war, wie zum Beispiel reisen.“ Irmgard Maiers Fächer sind Deutsch und Hauswirtschaft, viele Schüler kennen sie aber aus dem Mathematikunterricht, den sie fachfremd in den unteren Klassen erteilt. Das Konzept der Gemeinschaftsschule liegt ihr besonders am Herzen. „Ich habe das damals mit zwei Kolleginnen befördert und darauf hin gearbeitet“, erinnert sie sich.
Lange das Etikett der Brennpunktschule
Die Wiestorschule ist seit 2013 Gemeinschaftsschule, in der Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse lernen. Jürgen Mattmann übernahm 2015 den Posten des Rektors. Das Leitungsduo ist vollends von dem Konzept überzeugt und schaut zufrieden auf die Entwicklung der Schule. „Die Wiestorschule hat es bei der Außenwirkung schwer gehabt. Ihr haftete lange das Etikett Brennpunktschule an“, erinnert sich Irmgard Maier. Da wollte sie gegenhalten, hat sich als Konrektorin beworben und als erstes die Wiestor-Regeln aufgestellt. „Das sind klare Benimm-Regeln für ein gut funktionierendes Miteinander.“ Das System belohne respektvolles Verhalten und habe „richtig Wirkung gezeigt“, so Maier.
Jürgen Mattmann hebt die Personalertüchtigung der vergangenen Jahre hervor. „Wir konnten im Laufe der Zeit einige Stellen neu besetzen mit Lehrern, die hier gut reinpassen“, sagt er. Dazu lag ihm die Internationalisierung am Herzen. Als akkreditierte Erasmus+-Schule könnten sie direkt bei der EU Mittel beantragen, mit denen beispielsweise Lehrer- und Schüleraustausche gefördert werden.
Raumausstattung passt nicht zu Schulkonzept
Ein Thema, bei dem weniger Zufriedenheit rauszuhören ist, ist die Raumproblematik. Die begleite sie von Anfang an. Ohne die entsprechenden Räume könne die Schule ihr pädagogisches Konzept nicht richtig umsetzen, sind sie sich einig. „Es hat 2018/19 eine von einer Fachfirma moderierte Diskussion mit der Stadtverwaltung gegeben“, ruft Mattmann in Erinnerung. Auch Lehrer, Eltern und Gemeinderäte seien einbezogen gewesen. Dabei habe man unter anderem mögliche Synergien mit dem Gymnasium auf dem Schulcampus ausgelotet. „Schließlich wurde eindeutig festgestellt, dass wir hier besser aufgestellt sind und das Gymnasium an seinem Standort.
Damit bezieht er sich auf aktuell von der Stadt geäußerte Überlegungen, die Realschule zu verkleinern und die freiwerdenden Räume von der Wiestorschule nutzen zu lassen. Hintergrund ist ein Streit um die finanzielle Beteiligung von Nachbargemeinden an den Kosten für bauliche Maßnahmen, deren Kinder die Überlinger Realschule besuchen. Das ist zwar rechtlich verankert aber schwer durchzusetzen. Die Verwaltung hat daher vorgeschlagen, die auswärtigen Schüler künftig abzuweisen. Ein Vorgehen, das weder die Realschule noch die Wiestorschule gutheißen. Er verstehe den finanziellen Druck, unter dem die Stadt stehe, so Mattmann. Aber Drohgebärden durchzuziehen, habe Folgen.
Schulträger liegt Raumfunktionsbuch vor
Beide Lehrer sind überzeugt vom Konzept der Gemeinschaftsschule und dem Ansatz, die Schullaufbahn von Kindern nicht durch frühzeitiges „Selektieren“ zu beeinträchtigen, wie Mattmann es nennt. Das beweise regelmäßig die Zahl der herausragenden Realschulabschlüsse. Grenzen bei der optimalen Umsetzung des Systems und der Förderung in kleinen Einheiten setze die räumliche Ausstattung. „Wir diskutieren das seit 2019“, so der Rektor. „Man hört uns zu und gibt uns Aufgabenpakete.“ Die könnten sie dann abarbeiten, zählen, dokumentieren und berichten. Dabei läge das allseits bekannte Raumfunktionsbuch fertig in der Schublade, 2020 beschlossen vom Gemeinderat. „Es müsste nur vom Schulträger umgesetzt werden“, sagt Mattmann schulterzuckend.
Arbeit mit Schülern für beide am wichtigsten
Was geben sie in dieser Situation ihren Nachfolgern mit auf den Weg? „Man braucht Durchhaltevermögen und sollte sich nicht alles so zu Herzen nehmen“, lautet Mattmanns Antwort. „Dinge, die man nicht ändern kann, muss man akzeptieren und dafür im Kleinen etwas bewegen“, fügt er noch an. „Als Konrektorin ist man immer Mittler zwischen Kollegium und Rektor“, erläutert Irmgard Maier. „Das muss man in der Waage halten, nicht zu sehr für eine Seite stehen. Wichtig ist in dieser Rolle die Kommunikationsbereitschaft.“ Beide sind sich einig, dass man sich nicht zu sehr von der Verwaltung und deren vielen Aufgaben in Beschlag nehmen lassen sollte. „Die Arbeit mit den Schülern ist wichtiger!“