Am Dienstagabend hat es in der Überlinger Innenstadt eine sogenannte Eilversammlung und einen anschließenden Demonstrationszug der Initiative Querdenken gegeben. Hintergrund war laut Organisator Matthias Busl der Protest gegen das Infektionsschutzgesetz, das an diesem Mittwoch im Bundestag beschlossen werden soll. Die Anhänger der Bewegung befürchten damit eine weitere Einschränkung ihrer Grundrechte. Bei der einstündigen Versammlung kamen rund 40 Anhänger zusammen. Erst am Nachmittag war sie für ursprünglich 25 Teilnehmer angemeldet worden.
Die Querdenker starteten um 18 Uhr an der Ecke Hafenstraße und Mühlen- und Münsterstraße und gingen mit Protestgesang hinunter zur Seepromenade, wo Matthias Busl ein Papier mit Forderungen an die Bundesregierung vorlas. Anschließend drehten sie um und beendeten die Kundgebung nach rund einer Stunde um 19 Uhr vor der Redaktion des SÜDKURIER an der Mühlenstraße.
Mit Kerzen „das Grundgesetz zu Grabe tragen“
In ihren Händen trugen sie Kerzen, die sie abschließend vor der Redaktion des SÜDKURIER abstellten. Damit wollen sie zum Ausdruck bringen, wie Busl erklärte, dass das Grundgesetz „zu Grabe getragen“ werden müsse, wenn der Bundestag entsprechend abstimmt. Die Kundgebung habe man aus Solidarität zu den Mitstreitern der Bewegung in Berlin veranstaltet. Dort wollen an diesem Tag viele Querdenker vor dem Bundestag protestieren. (Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Artikels wurde Busl mit dem Satz zitiert: „Mit den Kerzen möchten wir das Grundgesetz (GG) zu Grabe tragen“ – das war sinnentstellend. Wörtlich sagte er: „Die Kerzen mahnen, dass das Grundgesetz morgen – abhängig von der Abstimmung – vollends sterben könnte. Dann müssten wir es zu Grabe tragen.“)

Die Versammlung wurde von drei Polizeibeamten begleitet und verlief zunächst ohne Zwischenfälle. Die Teilnehmer trugen Masken, der Versammlungsleiter hatte sie nach Rücksprache mit der Polizei ausdrücklich darauf hingewiesen. Für Aufregung unter den Teilnehmern sorgte, als die Polizisten eine 58-jährige Frau in Gewahrsam nahmen, die sie als Teilnehmerin der Demonstration identifizierten. Sie trug auch eine Kerze bei sich, wollte aber keine Maske aufziehen – auch nach mehrmaliger Aufforderung der Beamten nicht. Sie verwies darauf, dass sie angeblich keine Teilnehmerin der Demonstration sei und es in der Stadt keine allgemeine Maskenpflicht gebe. Da sie kein Attest vorweisen konnte, sollten ihre Personalien aufgenommen werden. Dem widersetzte sie sich, worauf sie die Beamten zum 350 Meter entfernt liegenden Polizeirevier brachten.
Von der Polizei untergehakt
Den Gang zum Revier legte die Frau zunächst nicht freiwillig zurück, weshalb die Polizeibeamten sie unterhakten. Dagegen verwahrte sie sich: „Halten Sie Abstand“, herrschte sie die Beamten an. Nachdem die Beamten sie wieder losgelassen hatten, weigerte sich die Frau weiterzugehen. Erst nach erneutem Unterhaken und Drängen schritt die 58-Jährige, eskortiert von zwei Polizeibeamten, Richtung Wache. Dabei streckte sie demonstrativ die Arme aus, um den Abstand zu wahren, der ihr in dieser Situation wichtig zu sein schien.
Nach Angaben der Polizei dauerte die Maßnahme auf dem Revier etwa eine Stunde. Auch auf dem Revier habe sich die Frau geweigert, ihre Personalien anzugeben, „sodass sie nach Einholung einer richterlichen Anordnung durchsucht wurde. Bei der Durchsuchung konnten Dokumente gefunden werden, anhand derer die Identität zweifelsfrei geklärt wurde.“
Begleitet wurde die 58-jährige Frau beim Gang zum Revier von einem Kameramann aus Überlingen, der der Redaktion namentlich bekannt ist. Er betreibt einen Youtube-Kanal, bei dem er mehrfach schon seine Nähe zu der Querdenken-Initiative bekundete. Er befinde sich „im Widerstand“, sagte er. Während seiner Filmarbeiten ging er die Polizeibeamten an, ob sie an das Virus glaubten, und wenn ja, warum sie dann zu der Frau keinen Abstand einhielten. Ein weiterer Demonstrationsteilnehmer, der mit in Richtung Wache ging, beschimpfte die Polizei als „Verbrecher“ und rief: „Das ist Diktatur!“

Frau nimmt Polizeiarbeit in Schutz
Als „unverhältnismäßig“ bezeichnete Maria Der Kinderen aus Herdwangen-Ebratsweiler das Vorgehen der Polizei. Sie stehe mit ihrem Namen auch in der Öffentlichkeit hin und wolle Protest gegen die Polizeiaktion bekunden. Aus Solidarität mit der Frau wollte sie ebenfalls „festgenommen“ werden, wie sie von den Beamten verlangte. Denn auch sie trage keine Maske, sie könne sie nicht tragen, weil ihre Brille beschlagen sei. Doch nach ihrem Verständnis stelle auch dies eine Ordnungswidrigkeit dar, gegen die sie „aus Solidarität“ eine Selbstanzeige erstattete. Das erledigte sie sofort auf dem Revier. Als sie von der Wache zurückkam, wo sich eine Polizeibeamtin Zeit für sie für ein längeres Gespräch genommen hatte, warb Maria Der Kinderen um Verständnis für die Arbeit der Polizei, die auch nur umsetze, was von der Politik vorgegeben werde.
Verfahren nach Selbstanzeige wird eröffnet
Gegen beide Frauen wird die Polizei bei der Bußgeldbehörde eine Ordnungswidrigkeit anzeigen. Die Polizei betont, dass dem Versammlungsleiter kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei, sondern den jeweiligen Teilnehmern selbst. Insgesamt wurden an dem Abend vier Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, drei Mal wegen fehlender Maske bei Nichteinhaltung des notwendigen Abstands, ein Mal wegen Verweigerung der Personalien. Außerdem wird laut Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen eine weitere Person eingeleitet, die mutmaßlich ein falsches Attest ausgestellt hatte.