Weil er seine Wut an seiner früheren Lebensgefährtin, einem Radfahrer, drei jungen Frauen und einem Polizeibeamten ausgelassen hat, ist ein 44-jähriger Mann aus Heidenheim vor dem Amtsgericht in Überlingen zu einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt worden. Außerdem muss er an einem Antiaggressionstraining teilnehmen. Angeklagt war er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung in mehreren Fällen, in Tateinheit mit einer gefährlichen Körperverletzung mittels eines Steins.
Der Angeklagte räumte die Straftaten weitgehend ein. Nur auf die Frage, warum er im Laufe des Geschehens einen Stein holte, aber mit diesem angeblich nicht zugeschlagen haben will, begründete er aus Sicht von Richter Alexander von Kennel wenig glaubhaft.
Lebensgefährtin am Arm und am Nacken gepackt
Der 44-Jährige erzählte von dem Sommertag Ende Juli, den er mit seiner damaligen Freundin und deren Tochter in Sipplingen am Strand verbrachte. Wie so oft sei er eifersüchtig gewesen und habe mit seiner Freundin über alte Geschichten gestritten. Seine Lebensgefährten sei wegen des Streits nach Hause gefahren, aber noch einmal ohne ihre Tochter wiedergekommen, um ihm seinen Schlüssel und Geldbeutel zu bringen, die noch in ihrer Tasche gewesen waren. Er habe zunächst geschlafen, sei dann aber aufgewacht und ihr zur Straße hoch hinterhergerannt.
„Ich wollte mit ihr reden und habe sie am Arm und am Nacken gepackt“, sagte der Angeklagte. Ein Radler, der gerade vorbeifuhr, habe angehalten und sich eingemischt. Mit dem Radler sei er in Streit geraten, es sei zum Handgemenge gekommen. Drei junge Frauen seien dazwischengegangen. Er habe ihnen deutlich gemacht, dass sie verschwinden sollen, erklärte der Angeklagte. „Ich wollte sie aus dem sogenannten Schussfeld haben, damit die Unbeteiligten nichts abbekommen.“
Angeklagter besteht darauf, mit dem Stein nicht zugeschlagen zu haben
Im Laufe der Prügelei mit dem Radfahrer habe er gemerkt, dass sein frisch verheilter Armbruch erneut zu schmerzen beginnt. „Ich konnte die Faust vor Schmerzen nicht mehr rollen.“ Deshalb habe er etwas gesucht, das er in die Hand nehmen kann. Er sei zum Strand gegangen, habe dort einen Stein geholt und sei mit diesem in der Hand wieder zum Ort des Geschehens gelaufen. Dort habe er die Schlägerei mit dem Radfahrer fortgesetzt.
Vor Gericht bestand der Angeklagte jedoch auf seiner Aussage, den Stein zwar in der Faust gehabt zu haben, aber nur mit der Faust, nicht mit dem Stein zugeschlagen zu haben. Er beteuerte: „Egal in welchem Zustand: Einen Gegenstand als Waffe zu nutzen, ist gegen meine Prinzipien. Ich hätte viel zu viel Angst, den Gegner zu verletzen.“
„Ich erschlage dich! Ich werde dich begraben!“
Dem widersprach die Aussage des Radfahrers. Der 38-jährige Überlinger sagte aus, der Angeklagte habe ihn angeschrien: „Ich erschlage dich! Ich werde dich begraben!“ Zweimal habe der Angeklagte mit dem Stein in der Faust auf ihn eingeschlagen und diese Treffer seien härter gewesen als die Schläge zuvor. Er habe auch Platzwunden davongetragen. Eine kleine Narbe über der Augenbraue sei zurückgeblieben.
Die frühere Lebensgefährtin des Angeklagten konnte vor Gericht wenig zu dem Vorfall aussagen. Die Frage der Staatsanwältin, ob sie vom Angeklagten unter Druck gesetzt werde, verneinte die zierliche 41-Jährige.
„Renn‘ um dein Leben!“
Auch die drei jungen Frauen sagten im Zeugenstand aus. Sie waren mit dem Auto unterwegs und sahen, wie der Angeklagte erst auf die am Boden liegende Frau und dann auf den Radfahrer einschlug. Sie stoppten, eine kümmerte sich um die Frau, die andere rief die Polizei. Die Dritte, von Beruf Polizeibeamtin, versuchte, die Kontrahenten zu trennen. Als der Angeklagte nach der ersten Prügelei mit dem Stein in der Hand vom Ufer zurückkam, erkannte die 22-Jährige das Gefahrenpotenzial und warnte den Radfahrer: „Renn‘ um dein Leben!“ Dieser Aufforderung sei er auch nachgekommen und in Richtung Häuser gerannt, der Angeklagte sei ihm gefolgt. Auf Nachfrage des Richters zeigte sie, wie der Angeklagte den etwa tennisballgroßen Stein krallenartig, nicht fest umschlossen in der Hand gehalten hatte.
„Es war arg schlimm, ich habe Angst gehabt“
Das bestätigten auch ihre beiden Mitfahrerinnen. Bei der Schilderung der Situation brach eine 21-Jährige immer wieder in Tränen aus: „Es war arg schlimm, ich habe Angst gehabt.“
Auch der Polizeihauptmeister, der zu Hilfe gerufen worden war, beschrieb den Angeklagten als aggressiv. Dieser habe auch ihn gegen die Brust geschlagen, was durch seine Schutzweste abgemildert worden sei. Mithilfe seiner Kollegin und der jungen Polizistin in Zivil habe er den weiter um sich schlagenden Angeklagten mit Handschellen fixieren können. Beide Beamtinnen hätten leichte Schürfwunden beziehungsweise Prellungen davongetragen.
Eine Entschuldigung für den Polizisten und die jungen Frauen
Der Angeklagte entschuldigte sich am Ende des viereinhalbstündigen Prozesses bei dem Polizeibeamten und den drei jungen Frauen, denen er dabei in die Augen sah. Die Entschuldigung in Richtung des Radfahrers wirkte hingegen eher halbherzig.
Richter Alexander von Kennel blieb mit seinem Urteil etwas unter der Strafe, die die Staatsanwältin gefordert hatte: Sie plädierte für zwei Monatsgehälter an eine soziale Einrichtung und 20 Monate Freiheitsentzug auf Bewährung. „Es spricht für Sie, dass Sie noch keinen Eintrag in ein Strafregister haben“, sagte von Kennel zu dem Angeklagten.