Starke Regenfälle führten Anfang September zu überfluteten Straßen, Kellern und beschädigten Geschäften – und zu der Frage, ob die Stadt ihre Entwässerungssysteme vernachlässigt habe. Im Bauausschuss verteidigte Helmut Köberlein, Leiter der Abteilung Tiefbau, die getroffenen Maßnahmen und unterstrich zugleich die Rolle der Bürger, selbst Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Rückblick: Am Abend des 5. September 2024 versetzten heftige Regenfälle große Teile Überlingens in den Ausnahmezustand. Im Laufe der Nacht gab es rund 100 Feuerwehr-Einsätze, nahezu im gesamten Stadtgebiet. Besonders betroffen war die Altstadt, wo der Nellenbach stark anschwoll und das Wasser in der Wiestorstraße und den angrenzenden Gassen zu Sturzbächen wurde.
Starkregen sorgt für erhebliche Schäden
In den sozialen Medien kursierten Videos, die das Ausmaß der Überschwemmungen zeigten. Beim Eiscafé Cristallo etwa wurden mehrere hundert Kilogramm schwere Holzbänke weggeschwemmt. „Wie Papierschiffchen“, kommentierte Betreiber Marco Garau damals.
Einige Anwohner und Ladenbesitzer, darunter Heide Meißner vom Schuhgeschäft H in der Pfarrhofgasse, beklagten schwere Schäden. „Das Wasser stand fast einen Meter hoch in meinem Laden“, so Meißner. Ein Großteil ihrer Ware sei zerstört worden. Sie warf der Stadt vor, dass der Werkhof die Schachtdeckel nicht regelmäßiger reinige, wodurch diese verstopften.

Köberlein wehrt sich gegen Vorwürfe
Im Bauausschuss wies Helmut Köberlein die Anschuldigungen zurück und stellte klar, dass die Stadt regelmäßige Reinigungen und Inspektionen der Kanalisation durchführe. Alle zwei Jahre werde das gesamte Netz überprüft, in geraden Jahren sämtliche Kanäle im Stadtgebiet, in ungeraden Jahren in den Teilorten, so Köberlein. Besonders flache Abschnitte sowie die Ufersammler würden sogar jährlich oder halbjährlich gereinigt.
Auch den Vorwurf, die Stadt reinige die Straßeneinläufe nicht regelmäßig, wehrte Köberlein ab. Diese würden zweimal jährlich gereinigt, jeweils im Frühjahr und Herbst. Nach starkem Regen erfolge eine zusätzliche Kontrolle. Mehr sei personell nicht möglich, so Köberlein.
Darüber hinaus arbeite die Stadt seit 2022 an einer detaillierten Berechnung des Kanalnetzes. Diese Analysen sollen die Belastungsgrenzen der Kanalisation aufzeigen. Bisher seien etwa 50 der insgesamt 150 Kilometer untersucht worden, so der Abteilungsleiter. Erste Ergebnisse hätten gezeigt, dass es an 44 von 1500 Schächten zu unzulässigen Überstaus kommen könne – ein Anteil von etwa drei Prozent des Netzes.
Appell an Eigenverantwortung der Bürger
Um die Problematik genauer zu erläutern, ging Köberlein auf den Unterschied zwischen Überstau und Rückstau ein. „Die meisten Probleme, die unsere Bewohner haben, sind die Rückstauprobleme.“ Während beim Überstau das Wasser aus den Schachtdeckeln auf die Straßen tritt, kommt es beim Rückstau dazu, dass Wasser in tieferliegende Gebäudeteile wie Keller gedrückt wird.
Verhindert werden könne dies durch Rückstausicherungen, so Köberlein. „Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig solche Sicherungen sind“, erklärte er. Dies sei jedoch eine Verantwortung, die die Grundstückseigentümer selbst tragen müssten. Laut Wasserhaushaltsgesetz sei jede Person von potenziell hochwasser- oder starkregenbetroffenen Gebieten „im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren“ verpflichtet, eigene Vorsorgemaßnahmen zu treffen.
Städtische Infrastruktur stößt an Grenzen
Helmut Köberlein stellte jedoch auch klar, dass die Stadt keine Kanalisation bauen könne, die jedes Extremereignis bewältigen würde. „Das ist weder finanziell noch baulich machbar“, betonte er. Die Planung der Kanalisation orientiere sich an einem Regenereignis, das statistisch alle zwei Jahre auftritt und etwa zehn Minuten dauert.
Im konkreten Fall und hochgerechnet auf eine Stunde sei dies eine Menge von 73 Litern pro Quadratmeter. Das Regenereignis am 5. September war jedoch außergewöhnlich stark. ‚Wir gehen davon aus, dass es etwa 100 Liter pro Quadratmeter waren‘, sagte Köberlein.

Stadt will Risikomanagement verbessern
„Solche Extremereignisse überlasten jedes System“, fuhr der Abteilungsleiter fort. Als Konsequenz aus den bisherigen Analysen will die Stadt in den kommenden Jahren gefährdete Kanäle vergrößern. Ein solches Projekt wurde bereits in der Mühlbachstraße umgesetzt. „Das wird sicherlich ein Aufwand von mehreren Millionen Euro sein“ so Köberlein, „aufzufangen durch die Abwassergebühren“.
Zudem arbeite die Stadt derzeit an der Erstellung einer Starkregenereigniskarte, die gefährdete Gebiete kennzeichnet. Diese soll voraussichtlich im November dem Gemeinderat vorgestellt und anschließend veröffentlicht werden, berichtete Köberlein. Sie soll Bürgern helfen, besser zu verstehen, ob sie in einem gefährdeten Gebiet leben und welche Maßnahmen sie zur Vorsorge treffen sollten.