Warnschilder kennen wir zuhauf. „Achtung Wildwechsel“ oder „Achtung – spielende Kinder“ mahnen Autofahrer zur Vorsicht. Selbst vor tieffliegenden Störchen wird beim Salemer Affenberg gewarnt. Eine echte Rarität findet sich indessen am Straßenrand in Deisendorf: „Achtung! Eichhörnchen! Langsam fahren!“ Und diese Warnung hat einen besonderen Grund. Seit einigen Jahren betreiben Iris und Joachim Kubik auf ihrem Grundstück eine ausgewiesene Pflegestelle für verletzte Wildtiere. Doch wie kam es dazu?
Die Aufgabe einer Tierpflegerin war Iris Kubik, die im Hauptberuf für Texte und Konzepte bei einer Sipplinger Werbeagentur zuständig ist, nicht in die Wiege gelegt. „Eine gute Freundin von mir ist Tierärztin und rief mich vor vier Jahren an, sie habe ein junges Eichhörnchen in der Praxis, und fragte mich, ob ich mich nicht darum kümmern könne“, berichtet die Deisendorferin. „Zumindest für ein paar Tage, bis sie eine Pflegestelle gefunden habe.“

Aus einem Jungtier wird oft ein halbes Dutzend
Kubik konnte nicht Nein sagen und ließ sich die erforderlichen Instruktionen geben. Das kleine Eichhörnchen war in der Überlinger Hochbildstraße gefunden worden, hatte noch die Augen geschlossen und sollte fortan ‚Nutella‘ heißen. Nach ein paar Tagen hatte der Winzling die ganze Familie erobert. Anders als damals angenommen, sollte daraus mehr werden. Inzwischen – vier Jahre später – kann es schon mal sein, dass Iris und Joachim Kubik ein halbes Dutzend hilfsbedürftige Jungtiere gleichzeitig zu versorgen hat.
„Wir haben uns damals intensiv mit der Tierart auseinandergesetzt“, erinnert sich Iris Kubik. Wenn einem Wildtier etwas passiere, gebe es meist keine Lobby und niemand kümmere sich darum. Deshalb habe sie sich mit ihrer Familie entschlossen, zum einen den Eichhörnchen zu helfen, zum anderen auch Aufklärung zu betreiben. Über verschiedene Online-Fortbildungen und Gespräche mit Tierärzten habe sie sich zunächst das erforderliche Detailwissen angeeignet. „Die Tiere sind zuckersüß, doch man kann auch viel falsch machen“, betont die Self-Made-Tierpflegerin.
Die Eichhörnchen haben ein eigenes „Päppelzimmer“
„Wir haben uns unter anderem ein ‚Päppelzimmer‘ eingerichtet, damit sie von den anderen Haustieren getrennt sind“, sagt Kubik. Später habe sie mit einem Verein Kontakt aufgenommen, eine Voliere im Garten gebaut und weitere Tiere aufgenommen. Inzwischen kümmern sich die Kubiks als offizielle Pflegestelle für Wildtiere speziell um Eichhörnchen und arbeiten eng mit der Eichhörnchenhilfe Stuttgart zusammen. Dazu bedarf es einiges an Equipment. „Im Auto haben wir immer verschiedene Transportboxen mit Kuschelbeuteln für die Tiere“, erzählt die Deisendorferin. Für ganz junge Eichhörnchen hat sie einen Inkubator, der die Tiere warmhält.

Für die Aufzucht benötigt es viele Kenntnisse
Man sieht schnell: So einfach wie sich das mancher vorstellt, ist die Sache mit den kleinen vermeintlichen Kuscheltieren nicht. Wer Eichhörnchen-Babys aufpäppeln will, der hat keine ruhige Nacht. „Oft müssen wir mehrfach aufstehen zum Füttern“, berichtet Iris Kubik und warnt gleichzeitig unerfahrene Tierfreunde davor, die kleinen Nager selbst versorgen zu wollen. „Je nach Alter brauchen sie eine andere Aufzugsmilch, die mit kleinen Spritzen verabreicht wird“, weiß Kubik inzwischen. Ein vier Wochen altes Tier müsse alle drei Stunden gefüttert werden – auch nachts. Die Menge richte sich nach dem Gewicht des Tieres. Zudem brauche man auch immer einen Tierarzt im Hintergrund, der im Notfall einen Rat geben oder Hilfe leisten können.
Oberstes Ziel sei die „Wildbahntauglichkeit der Tiere“, wie es Kubik nennt. Soll heißen: Die Eichhörnchen sollen überlebensfähig für die Natur gemacht werden. Dafür bekommen sie in der Voliere schon mal Trainingsmöglichkeiten fürs Klettern und Nüsseknacken. Auch wenn sie mehrere Wochen in dieser Voliere zubringen, gewinnen die Eichhörnchen mit zunehmendem Alter wieder eine gewisse Scheu und halten Abstand. „Sie sind nicht auf Menschen geprägt und nicht zahm“, betont Joachim Kubik.
So kommen die Kletterer in den eigenen Garten
Wer einen geeigneten naturnahen Garten mit größeren Bäumen hat, kann dennoch einen Besuch der geschickten Kletterer begünstigen. Zum Beispiel mit einem künstlichen Kobel – so heißt das kugelförmige Nest der Nager – in größerer Höhe, das mit einem Mardergürtel darunter gegen Feinde geschützt ist. Ein Nussspender im Baum bietet den Tieren einen verlockend gedeckten Tisch.
Mit einem weitverbreiteten Irrtum will Iris Kubik aufräumen. „Nicht nur die roten Eichhörnchen sind die ‚Guten‘“, betont sie: „Unsere eurasische Art kann verschiedene Farbvariationen aufweisen. Das Fell kann auch grau oder fast schwarz sein.“ Dabei handle es sich keineswegs um zugewanderte Eindringlinge, wie bisweilen angenommen, sondern um natürlich Modifikationen der heimischen Art.