Jessica Lichetzki

Spätestens wenn die Narren voller Eifer das Rathaus stürmen, ist klar: Die fünfte Jahreszeit hat offiziell begonnen. Zum Neujahrsempfang der Narren verhafteten diese gestern Bürgermeister Alexander Guhl und vollzogen eine regelrechte Tortur an Anklagen. Chronische Planlosigkeit, unterlassene Hilfeleistung, Größenwahn und mangelnde Flexibilität gehörten noch zu den milden Vorwürfen der aufmerksamen Kritiker. Doch auch Bürgermeister Alexander Guhl ließ die zahlreichen Vorwürfe nicht auf sich sitzen und verteidigte sich energisch.

Pünktlich um 11.11 Uhr besetzten die Narren gemeinsam mit Zunftmeister Rolf Meyer und der Ranzengarde Bad Säckingen das Bürgermeisterbüro von Alexander Guhl. Dieser übergab ohne Widerstand den Stadtschlüssel sowie das Stadtsäckel und fügte sich seinem Schicksal. Narrenpolizist Rüdiger Hoschke verlas die Anklage in schnellem Tempo, da der Bürgermeister laut Hoschkes Angaben fluchtgefährdet sei.

Im Gallusturm angekommen, servierten die Narren Guhl das personalisierte Menü des Tages: Wasser und Brot. Denn auch dieses Jahr ließen sich die Narren ihre Figur-Kritik nicht nehmen. „Am 11.11 zum Fasnachtsauftakt kam er auch nicht, obwohl es genug zu essen gab“, scherzte Zunftmeister Rolf Meyer. Narrenpolizist Rüdiger Hoschke verlas in Anwesenheit aller Beteiligten erneut den Haftbefehl und betonte, dass Guhl trotz zahlreicher Bitten den Inhalt des Stadtsäckels nicht erhöhte und auch nicht auf die Bitten reagierte.

Deftige Vorwürfe

Gleich darauf verkündete Chefkläger Oliver Jehle die Anklage und warf Guhl die Vergehen blinden Aktionismus, mangelnde Flexibilität, unterlassene Hilfeleistung, Größenwahn sowie chronische Planlosigkeit vor. Beginnend mit der Turnhalle, kritisierte Jehle die weiterhin bestehenden Baustahlgitter. „Und wa isch gange? Nütt und wieder nütt – dä Affekäfig isch immer no do, leer und ohne Läbe und unser Ober-Äffle Guhl mit seine Zoo-Plän isch immer no it iizooge“, merkte der Ankläger an. Auch einen Vorfall im Rathaus sprach Jehle an. So soll Bürgermeister Alexander Guhl Touristen verweigert haben, die Toilette des Rathauses zu benutzen. Doch Jehle zeigte sogar ein bisschen Verständnis für die Situation. „Da vorne wird teilweise so viel Scheiß produziert, dass für den von Fremden einfach kein Platz mehr ist“, sagte der Chefankläger süffisant.

Passend zum Thema Notdurft kritisierte Jehle außerdem das neue Toilettenhäuschen auf dem Festplatz, welches laut Narren zu kostspielig ausfiel und bereits nach drei Tagen den Geist aufgab. Als den „Kracher des Jahres“ krönte Jehle den Radweg in der Werderstraße. Dieser musste wieder entfernt werden, da festgestellt wurde, dass dieser gesetzeswidrig sei. Auch zur Barrierefreiheit hatten die Narren etwas anzumerken. Die sensorgesteuerte Tür des Rathauses verurteilte Jehle scharf und lehnte die von Guhl ernannte „Geh-Kultur“ ab. „Keine neue Geh-Kultur! Dä hockt jo immer no do“, hieß es vorwurfsvoll.

Trotz der zahlreichen Vorwürfe präsentierte sich der Angeklagte willensstark. So argumentierte er, dass Bad Säckingen mithilfe eines Zoos sicher populärer geworden wäre und dass der Radweg Bad Säckingen ebenfalls bekannter gemacht habe. Außerdem seien durch das Radweg-Projekt Ämter entdeckt worden, die keiner zuvor kannte. Das Toilettenhäuschen fördere die wirtschaftlichen Erträge, da der Automat nicht wechsle. Dekan Peter Berg und der CDU-Landtagsabgeordnete Felix Schreiner beteiligten sich an der Anklage. Während Peter Berg ein eigenes Gedicht präsentierte, übergab Schreiner dem Bürgermeister die langersehnten Kennzeichen mit dem Kürzel „SÄK“, ergänzt um das schmeichelhafte „OB 1“. Auch Zunftmeister Rolf Meyer und Landrat Martin Kistler erhielten ihre eigenen SÄK-Kennzeichen.

Obwohl der Angeklagte auf Freispruch plädierte, wurde er vom hohen närrischen Gericht verurteilt. Trotz harter Vorwürfe und zahlreicher Anklagen fiel die Strafe jedoch mild aus: Der Bürgermeister muss an der Fasnachtsverbrennung teilnehmen.

Der Fasnachtsruf 2017

Es isch mol wieder sowit,

d Fasnacht stoht vor de Tür liebe Lüt

In de Weltpolitik und au in kommunale Sache,

hän mir jo nid grad viel zum Lache.

Doch Fasnacht isch en alter Brauch,

drum mache mir den ab heute auch!

Ganz nach dem Motto:

Au wenn Meinunge gönn useinander,

Fasnacht mache mehr miteinander!

Drum ruf ich auf all euch Narre

Ziehn mit am Hänseles Karre.

Dün lache, tanze un au mol de Finger hebe,

denn dün mir Narre villicht au was bewege.

Ob groß ob klein seid alle froh, los geht's,

Narri, Narro!