Was der Krieg aus den Menschen und dem Leben gemacht hat, schilderten die Wortfischer am Mittwoch im Haus Fischerzunft in Bad Säckingen mit Geschichten aus der Schreibwerkstatt. „Fremdes und Flüchtiges“ war der Titel – und vom Fremdsein, einem Gefühl, das wohl alle kennen, war öfter die Rede.
Die Literaturfreunde mussten sich an diesem Abend entscheiden, ob sie zum Poetry Slam in den Kursaal oder zur Lesung der Schreibwerkstatt gehen. Dort lasen zwei langjährige schreibende Mitglieder und ein Neuzugang Texte vor, die mehr oder weniger zu dem Ausstellungsthema „Fremdlinge, Flüchtlinge und Vertriebene“ im Haus Fischerzunft passten. Diana Awender vom Vorstand des Vereins Haus Fischerzunft berichtete, dass die Ausstellung eine gute Resonanz beim Publikum habe, und war gespannt, was man zu diesem Thema literarisch sagen kann.
Sehr viel offenbar, das weiß man, wenn man den langen Text, fast schon ein Romankapitel, von Angelika Weber-Wehrle gehört hat. Eine Abschiedsgeschichte, exemplarisch und sehr bewegend erzählt am Beispiel ihrer eigenen Familie und festgemacht an authentischen Personen. Es ging um ihre Mutter und drei Kinder, die im überfüllten Eisenbahnwaggon aus dem zerbombten Essen nach Säckingen kommen, und um Ereignisse des Krieges, die tief eingebrannt sind in die Erinnerung.
Die Zuhörer waren gebannt, wie die Autorin den Albtraum des Krieges, die Flucht in den Luftschutzkeller, die Bombennacht und die Feuersbrunst in Worte fasst, wie sie die entsetzliche Angst der Menschen, die erstarrten Gesichter, die fassungslose Ohnmacht und die Fratze des Krieges sprachlich eindrücklich zum Ausdruck bringt.
Zwei kürzere Geschichten las Peter Heinemann vor, ebenfalls eine Kriegs- und Kindheitsgeschichte („Flüchtige Erinnerung“) und „Fremde Heimat“, gespickt mit vielen literarischen Zitaten. Auch Peter Heinemann ging zurück bis zu den Großeltern, Eltern und Kinderfreundschaften mit der kleinen Anneliese.
Hannah Steinbring, die neu bei der Schreibwerkstatt ist, las die in der Anthologie „Fremdsein“ veröffentlichte Geschichte „Fast von hier“ von Kathrin Schwarz. Die wegen einer Erkrankung nicht selbst anwesende junge Autorin hat eine poetische Sprache und erzählt subtil eine Geschichte, in der es um Dazugehörigkeit, Fremdheit, Heimat und Familie geht. Steinbring fügte von sich noch eine eigene „kurze Kurzgeschichte“ an. Ihre „Nachtgedanken“ über ein jüdisches Schicksal führten zu einer Musikerfamilie im Dritten Reich nach Berlin. Wenn diese Geschichte auch nicht in Säckingen spielte, so war sie doch nah am Thema.
Begonnen hatte der Themenabend mit dem Text „Eine sizilianische Beerdigung“ von Peter Ch. Müller, dem früheren Stadtarchivar, Gründungsvater und Mitinitiator dieser Literaturgruppe, der nun in Mannheim lebt. In seiner von Peter Heinemann verlesenen Erzählung ging es um die Beerdigung der verstorbenen Tante Clara, die der sizilianische Clan von Carlo ausrichtet, weil alle anderen sogenannten Freundinnen und Bekannten keine Zeit haben. Mit der großen, pompösen Beerdigung samt Leichenschmaus, die einem Staatsbegräbnis gleichkommt, revanchiert sich Carlo für Claras Hilfsbereitschaft bei seiner Eingliederung als Neuankömmling im fremden Land: „Finite. Schluss. Basta“.