Wenn diejenigen, die doch die eigentliche Ahnung haben, das Sagen im Bad Säckinger Rathaus übernehmen und Bürgermeister Alexander Guhl kurzerhand in Gewahrsam genommen wird, dann ist es wieder soweit: die fünfte Jahreszeit beginnt. Am Anfang steht aber der Neujahrsempfang im Gallusturm. Und weil das närrische Brauchtum auch von seinen Traditionen lebt, musste Guhl beim gestrigen Empfang erneut als Angeklagter vor das hochehrwürdige Narrengericht treten.

Milde wolle er in diesem Jahr dem abgesetzten Bürgermeister gegenübertreten, erklärte Zunftmeister Rolf Meyer. „Ich habe sogar zum ersten Mal Geschenke dabei“, so der vermeintlich versöhnliche Ton des Zunftmeisters, der sich eine Wurstkette umgehängt hatte, um stets die (hungrige) Aufmerksamkeit Guhls auf sich zu ziehen. Doch beim Verlesen der Anklage halfen dem Bürgermeister auch die Präsente – darunter Brillenputztücher für den richtigen Durchblick, sowie Schmutzfänger für eine saubere Weste – nichts.
Denn der Oberankläger der Narren, Oliver Jehle, warf Guhl zahlreiche Vergehen vor. Wo sei der Rathauschef im ersten Halbjahr gewesen? Hat er sich etwa davon gemacht? Laut Jehle handle es sich um „einen eindeutigen Fall von Irreführung der Bevölkerung und auch Vortäuschen freudiger Ereignisse vorliegt, denn aus dem Staub gemacht hat er sich ja eben doch nicht.“ Auch die rote Karte für Schmutzfinken ging an Guhl, angesichts der unsauberen Holzbrücke. Ein weiterer Vorwurf lautete „Verschwendung von Steuergeldern“. Jehle spielte dabei auf die Umwidmung der Rheinallee in eine Fahrradstraße und die Umgestaltung der Gullydeckel an. Hier empfahl das Narrengericht eine Finanzierung aus Guhls eigener Tasche, schließlich habe Bad Säckingen „Guhlideckel“.

Guhl wies alle Vorwürfe von sich und bezog sich wörtlich auf die ironischen „Bravo“-Rufe Jehles. „Die Bravos und das Datum waren das einzig richtige an der Anklage“, meinte Guhl. Doch der Bürgermeister bemühte sich zwecklos, das Narrengericht ließ keine Gnade walten. „Zur Strafe musst du mit mir einen Erste-Hilfe-Kurs machen“, erklärte Meyer, „damit die Leute bei einem Notfall wissen, bei wem sie anrufen sollen.“
Wie schon das Urteil andeutet, blieb das Thema der Themen, die Schließung des Bad Säckinger Spitals, trotz der fröhlich-närrischen Stimmung nicht außen vor. „Ich traue mich auch über Abwesende zu sprechen“, so Dekan Peter Bergs deutliche Anspielung an Landrat Martin Kistler. Seine Worte reihten sich in die kritischen Scherze der Bad Säckinger Narren ein, die unter anderem eine Patientenverfügung für die regionalen Politiker vorbereitet hatten. Dies sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, wie Meyer erklärte: „Falls sie vor Schreck über das, was sie versprochen haben, einen Herzkasper bekommen.“
