Nach bestandenem Abitur die Welt zu erkunden, und dabei möglichst noch etwas Sinnvolles zu tun: Diesen Wunsch hegen viele jungen Menschen. Auch Nico Richter aus Murg hat ein großes Ziel: Er wird in Kürze zu einem einjährigen internationalen Freiwilligendienst nach Israel reisen. Über seine Beweggründe, seine Ziele und Erlebnisse wird er in den nächsten Monaten regelmäßig berichten. Zum Auftakt seiner Serie beschreibt der 18-Jährige, warum es ihn überhaupt nach Israel zieht, wie seine Aufgaben dort aussehen und wie die Corona-Pandemie die Reisevorbereitungen erschwert hat:
Die Ziele, die ich mir selbst gesteckt habe, sind sicherlich hoch: Ich möchte versuchen, nicht nur die guten Seiten dieses vielseitigen und so emotionalisierenden Landes zu zeigen, in das ich in wenigen Tagen ausreisen werde. Auch Bedenken oder Konflikte sind es wert, geschildert zu werden.

Natürlich sind auch Themen und Zusammenhänge häufig sehr komplex, eine objektive Sichtweise zu wahren somit nicht gerade einfach. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, meine persönliche Sicht über die Dinge darzustellen, meine Eindrücke und Gefühle vom kulturellen Reichtum und dem Zusammenleben der verschiedenen Menschen und dem, was Sie bewegt.
Beginnen möchte ich aber mit meinen Vorbereitungen auf meinen Freiwilligendienst – und mit meiner Gefühlslage, wenige Tage vor meiner Ausreise. Denn besonders jetzt, da ich die Bilder aus Afghanistan sehe und mir mein Privileg, uneingeschränkt in fast jedes Land der Welt reisen zu können, direkt vor Augen gehalten wird, empfinde ich einfach nur Dankbarkeit angesichts der Möglichkeiten, die ich als Europäer habe.
Auch der Umstand, notfalls in mein Herkunftsland zurückzukehren, und keine drastischen Auswirkungen erwarten zu müssen, führt mir meine privilegierte Stellung direkt vor Augen. Zugleich sehe ich mich darin bestätigt, dass es richtig ist sich dafür einzusetzen, dass jeder auf dieser Welt in Frieden leben kann.
Der Staat Israel erschien mir hierfür das ideale Ziel zu sein, weil das Land eine ganz besondere Faszination in mir auslöst. Es gibt nur wenige Staaten, in denen eine so diverse Gesellschaft mit ihren vielen verschiedenen Bräuchen und Sichtweisen größtenteils so friedlich miteinander lebt. Sicherlich spielen auch das Klima und die geografische Lage eine wichtige Rolle. Nicht dass ich den Winter und Herbst nicht mag, allerdings finde ich die Sonne und die einzigartige Wüstenlandschaft sowie ihre unzähligen Möglichkeiten zum Wandern und Klettern direkt vor unserer Haustür echt verlockend.
Der Weg zu meinem Freiwilligendienst erwies sich bisher recht einfach. Abgesehen von der üblichen Bürokratie von deutscher wie israelischer Seite gab es bislang keinerlei Schwierigkeiten. Ansonsten unterscheidet sich die Vorbereitung auf den Freiwilligendienst in Israel nicht nennenswert von dem in jedem anderen Land: Zunächst musste ich mich bei der Trägerorganisation, der IJGD Berlin, um eine Stelle bewerben.
Einige Wochen später gab es dann schon einen Info-Abend – Corona-konform als Videokonferenz. Dabei wurden verschiedene Projekte vorgestellt. Schlussendlich habe ich mich hierbei für einen Freiwilligendienst in einem Kibbutz entschlossen.
Ein Kibbutz ist in etwa eine Lebensgemeinschaft, in der verschiedene Altersgruppen zusammenleben und zum Wohle der Gemeinschaft arbeiten. Gerade diesen Aspekt der Arbeit für das Gemeinwohl finde ich sehr spannend. Dadurch, dass man sich einander hilft, erwarte ich ein unvergleichbares Gemeinschaftsgefühl mit allen Bewohnern. Konkret werde ich auf einer Dattelplantage im Kibbutz Lotan mit etwa 200 Bewohnern arbeiten. Das Kibbutz liegt in der Negev-Wüste, ziemlich im Süden Israels.
Passend zu meiner Arbeit habe ich im Mai ein vorbereitendes Praktikum auf zwei Bio-Höfen in Bergalingen machen dürfen. Dabei habe ich nicht nur zahlreiche Einblicke in die biologische landwirtschaftliche Arbeit bekommen dürfen, sondern auch eine Menge darüber gelernt, welchen Einfluss wir Menschen auf die Umwelt haben.
Kurz vor der Abreise trafen wir Freiwilligen uns zu einem Vorbereitungsseminar, in welchem wir einiges über den Freiwilligendienst an sich, aber auch über die Menschen und Kultur vor Ort, wie aber auch über unsere Rechte und Pflichten als Freiwillige belehrt wurden. Nach dem Seminar habe ich nun nur noch mehr Lust auf den Freiwilligendienst, wobei mir natürlich auch eine Menge Bedenken genommen wurde, einerseits durch den Austausch mit anderen Freiwilligen, als auch durch zahlreiche Erfahrungsberichte von ehemaligen Freiwilligen.
Inzwischen sind auch die letzten offenen Fragen zu meiner Reise geklärt: Die Visa liegen vor und der Ausreise an sich steht nichts mehr im Weg. Ein PCR-Test in Deutschland, ein weiterer am Flughafen in Tel Aviv, und danach noch ein Bluttest auf Antikörper, sowie sieben Tage Quarantäne – so sehen die Einreisevorschriften für Israel aus. Das Land nimmt die Gefahr durch die Corona-Pandemie weiterhin sehr ernst, was ich sehr gut finde, da ich in Deutschland teilweise den Eindruck einer “Mir doch egal“-Attitüde erlebe. Andererseits verpassen wir leider durch die Quarantäne den Anfang des neuen jüdischen Jahres und damit das Fest Rosch ha-Schana.
Allerdings werde ich sicherlich das Fest Jom Kippur mitfeiern können und nach Möglichkeit in meinem nächsten Beitrag darüber berichten.