David Rutschmann

Wenn sich der Himmel bewölkt und es über Grimmelshofen nach Regen aussieht, bekommt Elisabeth Perera Angst. Auch das Plätschern des Mühlbachs tönt nicht mehr so friedlich, wie es das einst tat. Das Rinnsal könnte wieder ansteigen und gegen das Haus peitschen. „Dann wären wir auch weg“, sagt sie.

Am 15. Juli ließ der Dauerregen den kleinen Mühlbach zu einem vier Meter hohen Strom wachsen. Die kleine Stühlinger Gemeinde Grimmelshofen stand innert zehn Minuten unter Wasser.

Das Haus des Ehepaars Berty und Elisabeth Perera am östlichen Ortsausgang, direkt am Mühlbach gelegen, wurde am Schlimmsten getroffen: Zunächst wurde meterweise der Böschung des Bachs weggerissen und fraß sich immer mehr in das Grundstück herein, dann stürzte ein Teil des Gebäudes ein – glücklicherweise nicht der Wohnteil.

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Der Garagen-Anbau, den Sohn Marius in jahrelanger Arbeit erbaut hatte, wurde auch eingerissen und weggeschwemmt. Die Ruine der Gebäudehälfte wurde wenige Tage später eingerissen. „Ich konnte das nicht mit anschauen, es hat zu sehr wehgetan“, sagt Elisabeth Perera. Weitere Teile müssen noch eingerissen werden. Die Ruine ist derzeit mit einer provisorischen Plane überdacht.

Der linke Gebäudeteil musste teilweise eingerissen werden, er galt als einsturzgefährdet. Der Rest des Hauses ist laut Statikern stabil. ...
Der linke Gebäudeteil musste teilweise eingerissen werden, er galt als einsturzgefährdet. Der Rest des Hauses ist laut Statikern stabil. Die Bauruine wurde mit einer Plane abgedeckt, in dem Raum befindet sich die Heizung. | Bild: David Rutschmann

Vor wenigen Tagen erst sind die Pereras wieder in den Wohnteil des Hauses gezogen – für fünf Wochen konnten sie in einer nicht weit entfernten Ferienwohnung unterkommen. Das Ehepaar empfängt im Esszimmer zu Kaffee und Kuchen. „Der erste Kuchen, den ich seitdem gebacken“, sagt Elisabeth.

Es ist nicht das einzige erste Mal in diesen Tagen: Zum ersten Mal wieder Strom im Haus, zum ersten Mal wieder heiß duschen – die Heizung befand sich im jetzt zerstörten Gebäudeteil und wurde auch durch die Flut zerstört, jüngst wurde die neue installiert.

Mittlerweile brettern wieder die Lastwagen an dem Gebäude vorbei – Grimmelshofen ist seit Jahren als Nadelöhr besonders stark vom Durchfahrtsverkehr betroffen. „Ich hatte früher mehr Sorge, dass eines Tages ein Lastwagen in das Haus fährt, als dass wir überflutet werden können“, sagt Elisabeth.

Ein Bild der Zerstörung in der Garage der Pereras am 16. Juli 2021, einen Tag nach der Flut. Der Anhänger konnte wieder weggezogen ...
Ein Bild der Zerstörung in der Garage der Pereras am 16. Juli 2021, einen Tag nach der Flut. Der Anhänger konnte wieder weggezogen werden, jedoch ist auch er kaputt. | Bild: David Rutschmann

Die 51-Jährige lebt mit ihrem Mann Berty seit 17 Jahren in dem Haus. Schon ihre Großmutter hatte darin gewohnt – laut einer Inschrift, die erst beim Abriss der Gebäudehälfte zum Vorschein kam, wurde das Haus 1886 gebaut. Zuvor lebte die Familie im Schloss Stühlingen – Berty war Hausmeister dort, heute arbeitet er bei der Kaffeemaschinen-Firma Dallmayr.

In seiner Freizeit ist der 59-Jährige passionierter Gärtner. Auf seinem Smartphone zeigt er Fotos, wie prächtig der Garten mit Grillplatz, Teich sowie Feigen- und Buchsbaum vor dem Hochwasser aussah. Vom Garten blieb nicht mehr viel übrig, als der Mühlbach am 15. Juli mehrere Meter Böschung wegschwemmte.

Jetzt klafft hier ein steiler Hang, der Verlauf des Mühlbachs zieht näher am Haus vorbei. Die Familie hofft, dass schon bald eine sichere und bezahlbare Bachbefestigung angebracht werden kann.

Eine Drohnenaufnahme zeigt noch vor Einriss der Gebäudehälfte das Ausmaß der Zerstörung am Haus der Pereras.
Eine Drohnenaufnahme zeigt noch vor Einriss der Gebäudehälfte das Ausmaß der Zerstörung am Haus der Pereras. | Bild: Tim Wild

Während Berty gerne gärtnert und sich um die Wellensittiche in der großen Vogelvoliere kümmert, der zum Glück nichts passiert ist, liebt Elisabeth das Dekorieren. Im Esszimmer hängen viele Bilder von Elefanten, die an die Reisen des Paares zu Bertys Familie nach Sri Lanka erinnern.

Aber auch christliche Motive, ein liebevoller Schrein mit einer Marien-Statue und einem Jesus-Bild. Der Glaube habe ihr in den schwierigen Zeiten Kraft gegeben, erzählt Elisabeth. „Aber auch meine Familie“, fügt sie dann an. Denn die Wochen seit dem Hochwasser waren sehr hektisch. Jeden Tag war die Familie am Haus beschäftigt, der verschmutzte und verschlammte Keller musste mühselig gereinigt werden.

„Es ist schwierig, alleine schon den Alltag zu bewältigen. Das, was wir erlebt haben, wünsche ich niemandem“, sagt sie, die als Krankenschwester in Blumberg arbeitet. Eine der Betroffenen im Hochwassergebiet in Ahrweiler habe in einem Fernseh-Interview gesagt „man könne nicht denken“ – so hätten sich die letzten Wochen angefühlt, sagt Elisabeth.

„Aber es nützt nichts, Trübsal zu blasen. Wir haben Glück, dass wir leben und ein intaktes Haus haben. Natürlich sind wir oft erschöpft und kommen an unsere Grenzen, aber es bleibt nichts anderes übrig, als optimistisch zu bleiben.“

Der verschlammte Hauseingang der Pereras am 16. Juli 2021.
Der verschlammte Hauseingang der Pereras am 16. Juli 2021. | Bild: David Rutschmann

Trotz der stressigen Stunden will sich die Familie die Zeit nehmen, um sich ausdrücklich bei allen zu bedanken, die sie in dieser schwierigen Zeit unterstützen. Elisabeth hat einen zweiseitigen Zettel vorbereitet, auf dem Retter und Hilfskräfte, Feuerwehr, Vertreter der Gemeinde, Nachbarschaft und Familie ausdrücklich erwähnt werden.

Auch die vielen Spender bleiben nicht unerwähnt. In Stühlingen wurde beispielsweise mit einem Kuchenverkauf Geld für die Familie gesammelt. Auf der Online-Spendenplattform betterplace.me kann immer noch für die Familie gespendet werden.

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