Jahr für Jahr landen in Deutschland rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Verbraucher werfen pro Kopf etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. So die Zahlen der Verbraucherzentrale. Doch immer mehr Initiativen kämpfen gegen diese Lebensmittelverschwendung an – auch in Bad Säckingen. Wir stellen hier die Projekte zum Foodsharing (Essen teilen) vor Ort vor.

Neue Facebook-Gruppe erlebt Mitglieder Ansturm

Kathrin Wolfrum aus Bad Säckingen ist kürzlich Mutter geworden. Damit habe auch für sie das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Eva Bartholome gründete sie Anfang Februar die Facebook-Gruppe „Essen übrig in Bad Säckingen (und Umgebung) – Foodsharing“. „Es ist absurd, dass regelmäßig Essen weggeworfen wird, während es anderen Menschen fehlt“, so Wolfrum. Doch ihre Gruppe soll für jeden sein, der gerne Essen teilt oder „retten“ möchte. Die 27-jährige Fahrzeuglackiererin ist zurzeit Hausfrau und Mutter, kocht viel und gerne. Wie bei vielen bleibe auch bei Kathrin Wolfrum vom Obst aus dem Netz oder dem Kartoffelsack oft die Hälfte übrig. Wird mal ein Auflauf gekocht, wird auch von diesem nicht alles verspeist. Doch zu schade zum Wegwerfen sei es dennoch. So kam ihr die (nicht ganz neue) Idee zum Food­sharing.

Katrin Wolfrum teilt gerne Lebensmittel, die ihr selbst zu viel sind, wie etwa Kartoffel oder Äpfel.  Bild: Privat
Katrin Wolfrum teilt gerne Lebensmittel, die ihr selbst zu viel sind, wie etwa Kartoffel oder Äpfel. Bild: Privat | Bild: Katrin Wolrum

Und die junge Mutter ist überrascht von dem Erfolg: In nur wenigen Wochen hat die Gruppe schon über 360 Mitglieder und es gab schon viele positive Rückmeldungen. Jeder kann hier ein Bild von seinem Produkt veröffentlichen mit Mindesthaltbarkeitsdatum (Mhd) und Abholort. Gepostet werden kann alles, auch bereits Abgelaufenes, aber dennoch noch Verzehrbares. Die Bandbreite an Angeboten in der Gruppe ist riesig: Von den Kartoffeln von Katrin Wolfrum reicht das Spektrum über Spaghetti, über Tee bis hin zum Bulgursalat. Auch bereits geöffnete Waren oder Selbstgekochtes können hier angeboten werden. Hier sei eine Verbindung zwischen jungen Menschen, die viel zu viel kochen und älteren Menschen, die nicht mehr regelmäßig kochen, ideal.

Niemand soll sich schämen

Auch wird immer wieder darauf aufmerksam gemacht, was gerade in den Geschäften nicht mehr lange haltbar ist und deswegen vergünstigt abgegeben wird. Wolfrum möchte den Radius von 30 Kilometer wahren, damit die Waren auch abgeholt werden können. Manche treffen sich auch nach dem Einkauf in Bad Säckingen, um ihre Lebensmittel zu tauschen. Was ihr ganz besonders wichtig ist: „Niemand soll sich schämen, hier etwas anzunehmen, es geht darum, die Lebensmittel zu retten.“

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Immer samstags veröffentlicht Diätassistentin Eva Bartholome für die Mitglieder einen Retter-Tipp. Etwa harte Brötchen vom Vortag unter warmes Wasser halten, dann aufbacken und in gutem Zustand frühstücken. Und aus Apfelschalen könne man etwa Limonade oder Apfelessig machen. Die Gruppe ist auch in Kooperation mit der Obdachlosen-Hilfe von Sabrina und Nicole Steuck. Denn auch sie suchen für die Bedürftigen oftmals Lebensmittel. „Es wäre auch eine Möglichkeit, mehr mit den Läden zusammenzuarbeiten“, erzählt Wolfrum, die noch ganz am Anfang ihrer „Lebensmittel-Retter-Karriere“ steht.

Wolfrum bringt auch Essen zum Fairteiler in den Schlosspark und hat auf diesen auch schon aufmerksam gemacht. Auch könnten die Gruppenmitglieder informieren, wenn sie etwas dort hingebracht haben. „Oft weiß man ja nicht, was drin ist“, meint sie. Auch überschreite es für viele die Schamgrenze, etwas beim Fairteiler zu holen, so die Meinung von Katrin Wolfrum.

Fairteiler im Schlosspark – seit fast drei Jahren ein Erfolg

Seit fast drei Jahren gibt es den Fairteiler im Schlosspark neben dem Spielplatz, der gut angenommen wird, erzählt dessen Initiator Stefan Meier. Die Stadtoasen, dessen Vorsitzender er ist, betreuen den Lebensmittelschrank und Kühlschrank jeden Tag. Abends befüllt das Fairteiler-Team aus 20 ehrenamtlichen Helfern die Schränke mit Bio-Lebensmitteln vom Alnatura, samstags auch mit Produkten vom Schmidt‘s Markt. Morgens werden die Schränke auf- und abends wieder zugeschlossen. Koordiniert wird das Ganze von Bernhard Stehle.

Zur Mittagszeit war der Kühlschrank im Fairteiler noch gut gefüllt.
Zur Mittagszeit war der Kühlschrank im Fairteiler noch gut gefüllt. | Bild: Verena Wehrle

„Die Sachen gehen jeden Tag schnell weg“, so Meier. Neben dieser organisierten Verteilung, kann auch jeder Bürger selbst während den Öffnungszeiten die Schränke mit seinen Lebensmitteln befüllen. Als offene Speisen sind nur Obst und Gemüse im guten Zustand gewünscht, ansonsten darf nichts Geöffnetes/Angebrochenes rein. Auch selbst gekochte Sachen sind hier nicht erwünscht. Was die Haltbarkeit angeht, sagt Meier: „Wir unterscheiden zwischen Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum.“ So könnten also auch Waren abgegeben werden, deren Mhd überschritten sei, die aber noch gegessen werden können.

Auch beim Fairteiler gibt es Corona-Regeln.
Auch beim Fairteiler gibt es Corona-Regeln. | Bild: Verena Wehrle

Der Fairteiler habe mittlerweile ein Dutzend Stammkunden. Das Klientel sei gut durchmischt und bestehe einerseits aus Menschen, die Lebensmittel aus Überzeugung teilen und andererseits auch aus Bedürftigen, die einfach froh darüber sind, etwas zu bekommen. Darunter gebe es auch viele, die etwas zurückgeben möchten. „Der Fairteiler ist ein Geben und Nehmen“, so Meier. Es habe zwar schon Probleme mit „Hamstern“ gegeben, aber die persönliche Ansprache helfe. „Bei uns läuft alles sehr gesittet ab und funktioniert super“, bilanziert Stefan Meier.

Der Fairteiler der Stadtoasen ist direkt beim Spielplatz Kinderschlössli im Schlosspark.
Der Fairteiler der Stadtoasen ist direkt beim Spielplatz Kinderschlössli im Schlosspark. | Bild: Verena Wehrle

In seinem Kopf schwirrt bereits die Idee, einen zweiten oder sogar dritten Fairteiler-Standort aufzubauen. Erst dann könne man auch noch mehr Geschäfte zum Verteilen mit ins Boot holen. Doch dazu brauche es wiederum noch weitere Gruppen an Freiwilligen. Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Stefan Meier würde sich auch eine Kooperation mit der neuen Facebook-Gruppe wünschen, hier könne man sich noch mehr vernetzen. Auch Kathrin Wolfrum freut sich über eine verstärkte Zusammenarbeit.

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