Martha Weishaar

Mitbürger ausländischer Herkunft zu integrieren ist eine der vorrangigsten Aufgaben, die sich Bürgermeister Michael Scharf und das eigens zu diesem Zweck installierte Integrationsgremium stellen. Und da Menschen aus Polen momentan die größte Ausländergruppe in Bonndorf sind, hatte die Verwaltung im vergangenen Sommer zu einem Grillfest eingeladen. Mehr als 100 polnische Gäste waren der Einladung gefolgt. Die Begegnung diente in erster Linie dem Austausch.

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Man wollte in Erfahrung bringen, was vonseiten der Stadt für die Integration von Migranten unternommen werden sollte. Mehr als 250 Frauen, Männer und Kinder mit polnischem Pass leben aktuell in Bonndorf. Dazu kommen etliche weitere Mitbürger polnischer Abstammung mit deutschem Pass. Etwa ein Viertel der 1040 Einwohner mit Migrationshintergrund stammen also aus dem benachbarten EU-Land. Ihre Meinung ist wichtig, also stellte das Integrationsgremium einen Fragebogen zusammen. Dieser konnte sowohl anonym, als auch unter Angabe persönlicher Daten beantwortet werden. Justyna Plaza-Köder, die ebenfalls aus Polen stammt und im Integrationsgremium mitwirkt, übersetzte die Antworten und fasste sie zusammen. 44 der ausgeteilten Fragebogen wurden beantwortet, davon mehr als die Hälfte mit Namensangabe.

Es geht um nichts anderes als die Zukunft, die diese spielenden polnischen Kinder vortrefflich symbolisieren.
Es geht um nichts anderes als die Zukunft, die diese spielenden polnischen Kinder vortrefflich symbolisieren. | Bild: Martha Weishaar

Die Umfrage zeigte, dass viele sich eine dauerhafte Zukunft in Bonndorf vorstellen können und sogar Interesse an einer eigenen Immobilie haben. Die meisten leben bereits länger als ein Jahr in Bonndorf. Das am häufigsten genannte Problem ist die Wohnsituation. In vielen Fällen bestehen Abhängigkeiten zwischen Arbeitgeber und Vermieter, sodass ein Arbeitsplatzwechsel zwingend mit einem Wohnungswechsel verbunden ist. Bei der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt ist es jedoch schwierig, bezahlbare Wohnungen zu finden.

Kontakte kommen über die Kinder zustande

Was die Kontakte zur einheimischen Bevölkerung anbelangt, gaben insbesondere Familien an, dass Kontakte hauptsächlich über ihre Kinder zustande kommen. Auch am Arbeitsplatz werden Kontakte geknüpft. Grundsätzlich besteht der Wunsch, Anschluss an Vereine zu finden. Gleichwohl sind den polnischen Migranten weder die Vielfalt der örtlichen Vereine noch deren jeweilige Aktivitäten bekannt. Auch hier erweist sich die Sprachbarriere als größtes Hemmnis. Justyna Plaza-Köder sieht in diesem Interesse am Vereinsleben auch eine Chance für die Vereine, neue Mitglieder zu gewinnen.

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Hinsichtlich des Spracherwerbs zeigte sich in der Umfrage eine hohe Bereitschaft, Deutsch zu lernen, wobei Sprachkurse an Wochenenden und in den Abendstunden favorisiert werden. Diesem Wunsch wurde bereits entsprochen, im März startete ein Wochenendkurs. Zudem wurde der Wunsch nach Kinderbetreuung während der Sprachkurse geäußert. Manche hingegen wussten gar nicht, dass es Sprachkurse gibt. Was die Frage aufwirft, ob es an mangelnder Information oder mangelndem Interesse liegt.

Kinder bessern Deutschkenntnisse auf

Als Erfolg wertet Justyna Plaza-Köder die rege Teilnahme am letztjährigen Angebot für Migrantenkinder, gegen Ende der Sommerferien Deutschkenntnisse aufzubessern. „Die Kinder verlernen zuweilen während der sechswöchigen Ferienzeit vieles und auch solche, die neu eingeschult werden, erwerben auf diese Art erste Deutschkenntnisse.“ Dieser Sprachkurs wird dieses Jahr erneut angeboten. Was die Pflege polnischer Bräuche anbelangt, trat der Wunsch nach einem polnischen Kulturverein zutage. Auch polnische Gottesdienste wurden gewünscht. Diesem wird bereits am Ostersamstag erstmals entsprochen.

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Konkrete Unterstützung durch die Stadtverwaltung erhoffen sich die Befragten hinsichtlich ihrer unbefriedigenden Wohnsituation, aber auch bei Amtsgängen oder Vertragsabschlüssen mit langfristigen Auswirkungen. Verständliche Informationen über das hiesige Schulsystem oder banale Alltagsangelegenheiten werden ebenfalls gewünscht und nicht zuletzt längere Betreuungszeiten in Kindergärten und Grundschulen. Justyna Plaza-Köder zieht aus all dem die Schlussfolgerung, dass die Integration gehemmt ist, solange die polnischen Migranten sich nicht sicher fühlen, was Arbeitsplatz und Wohnsituation anbelangt. „Wenn wir erfolgreich integrieren wollen, muss dafür eine Lösung gefunden werden. Wir haben ein paar deutliche Arbeitsaufträge bekommen und noch viel zu tun“, sagt sie.

Schwierigkeiten können nicht alleine gemeistert werden

„Migranten treffen hier auf Schwierigkeiten, die sie alleine nicht meistern können. Es reicht nicht, eine Tür aufzuhalten und Verständnis zu zeigen. Man muss die Menschen auch an die Hand nehmen.“ Allein beim Grillfest habe sie bemerkt, dass die Gäste sich wertgeschätzt fühlten und Selbstbewusstsein gewinnen konnten. „Sie wurden vom Rand in die Mitte geholt.“ Allerdings wünsche sie sich auch, dass die polnischen Mitbürger, so wie alle Migranten, auch bei Veranstaltungen mitmachen, die nicht explizit für sie organisiert werden. Um Migranten besser erreichen zu können, publiziert das Integrationsgremium neuerdings aktuelle Mitteilungen über soziale Netzwerke unter dem Stichwort „Integration in Bonndorf“.

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