Der Motor des großen schwarzen Geländewagens röhrt, bevor er auf dem Parkplatz zum Stehen kommt. Die Fahrertüre öffnet sich und eine großgewachsene, blonde Frau steigt aus.
Sie trägt die Kleidung einer Geschäftsfrau, eine rote Brille unter den aufgezeichneten Augenbrauen und eine goldene Uhr am linken Unterarm. Der ehemaligen Betreiberin des Jestetter Nachtclubs Red Rose, Gisela Spörri, sind ihre 74 Jahre nicht anzusehen.

Faible für leistungsstarke Autos
Eigentlich hätte sich die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte auch vorstellen können, ihr Geld mit dem Verkauf von Autos zu verdienen. „Ich habe schon alle möglichen Wagen gefahren. Darunter ein Porsche und Jaguar“, erzählt sie beiläufig. Aber statt der Arbeit im Autohaus übernahm sie 1976 den Jestetter Nachtclub Red Rose.
Gebäude bald Geschichte
Das Red Rose, oder auch liebevoll „s‘Rösli“ genannt, war in den 70er, 80er und 90er Jahren einer der markantesten Nachtclubs im Jestetter Zipfel. Mittlerweile steht das Gebäude zum Abriss bereit.
Das Gebiet namens Melzer-Areal soll überbaut werden. Unter anderem sind neue Einkaufsmärkte geplant. Die Bauarbeiten sollen noch 2023 beginnen und das geschichtsträchtige Gebäude verdrängen.

Gäste aus der Schweiz
„Wir hatten viele Schweizer Gäste bei uns“, erinnert sich Gisela Spörri. „In guten Zeiten habe ich das Red Rose jeden Tag voll bekommen.“ Beachtlich, wenn man bedenkt, dass bis zu 250 Gäste in ihrem Nachtclub Platz gehabt hätten.
Ihren Job habe sie immer gerne gemacht, wie sie sagt: „Ich liebe Leute um mich herum. Hobbies hatte ich keine, ich habe immer gearbeitet und bin auch jahrelang nicht in den Urlaub gegangen.“

Die Theke im Red Rose war Gisela Spörris Terrain
„Ich habe immer selbst bedient. Von dort konnte ich sehen, wer da so kommt.“ Jeden Tag, von Montag bis Sonntag, Woche für Woche habe sie ihren Nachtclub um 15 Uhr geöffnet.
Das Nachmittagsprogramm: Pornofilme auf der großen Leinwand. Erst um 19.30 Uhr habe dann das Abendprogramm mit Live-Shows gestartet.
Recht und Ordnung auch im Rotlichtmilieu

„Ich habe mit Leuten aus aller Welt zusammengearbeitet und hatte Programme mit allem möglichen auf der fahr- und drehbaren Bühne“, sagt sie stolz. Darunter Striptease-Shows, Varieté, Messerwerfer und, und, und. „Die beste Show war selbstverständlich immer um Mitternacht.“
Zu den Spitzenzeiten habe sie bis zu zehn Angestellte gehabt, „davon fünf bis sechs Animiermädchen.“
Schwarzarbeit? Nein, sagt Gisela Spörri: „Alle Leute waren angemeldet bei mir und hatten eine Aufenthaltsgenehmigung.“
Champagner für 950 Mark
Ausgezahlt habe sie ihnen eine Tagesgage plus Trinkprozente, wobei sich vor allem letztere gut lohnen konnten. „Die Gäste waren bereit Geld auszugeben. Eine Flasche Dom Perignon Champagner habe ich für 950 Deutsche Mark verkauft.“

Was heutzutage fast unvorstellbar klingt, sei damals ganz normal gewesen: „Viele männliche Kunden sind damals auch mit ihren Ehefrauen gekommen.“ Noch heute erkennt Spörri viele Menschen auf den Straßen in Jestetten, wie sie sagt: „Viele Gäste von damals kamen aus dem Dörfchen und sind gerne zu mir gekommen.“

Über Jahrzehnte hinweg hatte Gisela Spörris Red Rose im Nachtclubgewerbe einen Namen – und das weit über die Schweizer Grenze hinaus.
Ein Nachbar erinnert sich: „Das Red Rose war neben dem ‚Viehacker‘, ‚Café Hans‘ und dem ‚Deja Vu‘ in der Region damals ein großer Name. Teilweise war die Ortseinfahrt von Jestetten sogar zugeparkt, weil so viel los war. Diese Zeiten sind aber lange vorbei.“

Nachtclubs hätten am Hochrhein damals vor allem funktioniert, weil sie in der Schweiz verboten gewesen seien. Als die Schweizer Gäste um die Jahrtausendwende allmählich ausblieben, sei Gisela Spörri mit ihrem Nachtclub in die kleineren Kellerräume des Gebäudes gezogen, wo sich früher ein Casino befand.
Das Ende einer Erfolgsgeschichte
Im Jahr 2018 schließlich habe die Ära Red Rose ihr Ende genommen – Gisela Spörri verkaufte das Gebäude an einen Investor. Heute bereut sie diese Entscheidung: „Das war ein Fehler. Ich habe jede Stufe in dem Haus genau gekannt und gewusst, wie sie knarzt.“