Die Gutachten der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) mit Sitz in Ludwigsburg und dem Münchner Verkehrsplaner Gevas sind eindeutig. Jestettens Bürgermeisterin Ira Sattler fasste in der jüngsten Gemeinderatssitzung nach der Präsentation der Experten zusammen: Durch die Ansiedlung von neuem Einzelhandel auf dem Melzerareal sei der Bestand anderer Geschäfte nicht gefährdet und es sei unwesentlich mehr Verkehr im Plangebiet am östlichen Ortsausgang zu erwarten. Zweifel in der Bevölkerung bleiben jedoch.
Die planerischen Voraussetzungen
Die Ausgangslage: Die Firma Melzer Reisemobile zieht ins Gewerbegebiet um. Die Gebäude auf dem jetzigen Areal sollen abgerissen werden. Lidl, Denns Biomarkt und ein Imbiss wollen sich ansiedeln. Die Gemeinde schafft im Moment die planerischen Voraussetzungen. Die frühzeitige Beteiligung ist abgeschlossen.
In der jüngsten Sitzung stellten die Fachplaner mögliche Auswirkungen auf den Verkehr und den Wettbewerb, die durch neue, zusätzliche Einzelhandelsgeschäfte entstehen könnten, vor. Vor allem der Discounter Lidl, der bereits in der Nachbargemeinde Lottstetten eine Filiale hat, steht im Fokus der Diskussionen. Verwaltung und Gemeinderat hatten die nun vorgestellten Gutachten als Planungs- und Entscheidungsgrundlage verlangt.
700 Quadratmeter pro Tausend Einwohner
Grundlage für die Beurteilung der zu erwartenden neuen Verkehrssituation waren die Ergebnisse der GMA. Deren Geschäftsführer Stefan Holl erläuterte: „Nach dem Regionalplan Hochrhein-Bodensee ist das Vorhaben zulässig.“ Nach seinen Ausführungen habe Jestetten einen sehr guten und ordentlichen Besatz an Lebensmittelgeschäften. Der aktuelle Stand: 700 Quadratmeter pro Tausend Einwohner. Mit den neuen Einzelhandelsgeschäften würde der Bestand auf 900 steigen. „Das ist überdurchschnittlich“, betonte Holl.
GMA schließt Bestandsgefährdung aus
Eine Gefährdung des bestehenden Bestands schließt die GMA aus. Die Ansiedlung neuer Geschäfte habe, so Holl, marginale wettbewerbliche Auswirkungen. Auch Randsortimente würden keine nachweisbaren Auswirkungen mit sich bringen. Er sprach von drei kleinflächigen Einzelhandelsbetrieben: Von Denns mit 750, Lidl mit 799 und vom bestehenden Fachmarkt Fressnapf mit 560 Quadratmetern Verkaufsfläche. Zu erwarten seien Verlagerungseffekte, die andere Geschäfte verkehrlich besser stellen würden.
18.000 Fahrzeuge rollen täglich durch Jestetten
Christoph Hessel von Gevas lieferte Zahlen. Die Verkehrsplaner hatten im Sommer 2019, vor Corona, an fünf Knotenpunkten in Jestetten gezählt. 13.000 bis 18.000 Fahrzeuge rollten durch Jestetten. Wobei die Hauptbelastung auf der B27 gelegen hatte. Im Plangebiet, Höhe des Melzerareals, seien 14.500 bis 15.000 Fahrten gemessen worden. Der Quell-Zielverkehr (Kundenverkehr) habe bei 11.000 Fahrzeugen werktags und 16.000 samstags gelegen.

Kaum Zunahme durch das neue Plangebiet
Kundenumverteilungen und neue Kunden wirkten sich kaum auf den künftigen Verkehr aus. Mit den geplanten neuen Märkten sind laut Hochrechnung der Ingenieure im Plangebiet werktags 2600, samstags 3500 zusätzliche Fahrten zu erwarten. Aufgeteilt in Kundenumverteilungen (1900/2600) und Neukunden (700/900).
Experten empfehlen eine Linksabbiegespur
Hessel: „Bezogen auf die B27 gibt es Verkehrsverhältnisse, die nicht deutlich anders sind.“ Er sprach von einer Verkehrszunahme um ein Prozent an Werktagen, zwei Prozent an Samstagen. Die Knotenpunkte blieben leistungsfähig. Allerdings empfehlen die Fachplaner eine Linksabbiegespur. Die Prognose: Lidl Lottstetten würde von Westen her, Lidl Jestetten von Osten her angefahren.
Oliver Hamm kritisierte in der Bürgerfragerunde die geplante Parkplatzsituation, wie er bereits in einem Schreiben, das dem Ratsrund vorlag, formuliert hatte. Für die drei Geschäfte (Lidl, Denns, Fressnapf) und den Imbiss sind 139 Stellplätze vorgesehen. Parke die Hälfte der Mitarbeiter auf dem Areal, wären laut seinen Ausführungen noch 94 frei. Hamm: „Wie soll das gehen.“
Schon die 170 Plätze auf dem Aldiparkplatz seien mitunter zu wenig. In einer Spitzenstunde würden hier 300 bis 400 Fahrzeuge auf den Parkplatz rollen. Für ihn steht fest: „Die Zahlen passen nicht zu den Planungen, das endet im Chaos.“