Die Kandidatenvorstellungen der drei Bewerber um das Amt des Klettgauer Bürgermeisters am Mittwoch in Erzingen sowie am Donnerstag in Grießen waren spannend, informativ und sehr kurzweilig.

Den Abend eröffnete Bürgermeisterstellvertreterin Gabi Gäng-Schmid mit einer gut formulierten Ansprache, in der sie auf den Ablauf hinwies. So hatten die Bewerber die Auswahl 15 Minuten lang sich eingangs vorzustellen oder nur zehn Minuten Redezeit zu Beginn, dafür noch einmal fünf Minuten für ein Schlusswort. Letztere Möglichkeit wählten die Mitbewerber Michael Ehm und Hubert Behringer.

Rund 700 Bürger waren zur offiziellen Kandidatenvorstellung in die Gemeindehalle in Erzingen am Mittwoch gekommen.
Rund 700 Bürger waren zur offiziellen Kandidatenvorstellung in die Gemeindehalle in Erzingen am Mittwoch gekommen. | Bild: Regina Mahler

Das sagt Amtsinhaber Ozan Topcuogullari

Amtsinhaber Ozan Topcuogullari (43) stellte seinen Lebenslauf vor und verwies auf die Bedeutung des Bürgermeisteramtes. „Es ist ein großes und wichtiges Amt zum Wohle der Allgemeinheit, und ich betrachte diese Vorstellung als ein Bewerbungsgespräch mit meinem zukünftigen Arbeitgeber.“

Erste Priorität maß er dem Thema Bildung zu. Von der Kita über die Grundschulen bis hin zur heutigen Realschule seien alle Erziehungs- und Bildungsstätten in Klettgau sehr gut ausgestattet. Mängel wie bei den Kitas der kirchlichen Träger räumte er ein, ebenso wies er auf die derzeit laufende Sanierung des Altbaus der Realschule hin.

„Wir haben in ihrer Vorstellung viel über ihre Kompetenzen gehört – Aber wo liegen ihre Schwächen auf beruflicher Ebene?“ Sabine Geiger, ...
„Wir haben in ihrer Vorstellung viel über ihre Kompetenzen gehört – Aber wo liegen ihre Schwächen auf beruflicher Ebene?“ Sabine Geiger, aus Grießen. | Bild: Rolf Sprenger

Der lang gewünschte Marktplatz in Erzingen war ein weiteres Thema. Doch das Erfolgs- und Vorzeigeprojekt des Rathauschefs war und ist das MVZ mit vier Allgemeinärzten: „Mit diesem Konzept sind wir auf einem guten Weg“, so Topcuogullari, und hatte auch eine zuversichtlich stimmende Nachricht zu überbringen: „Die Aussichten, dass ein Gynäkologe bereits im ersten Quartal des nächsten Jahres in Klettgau starten würde, stünden gut.“

Der Hochwasserschutz in Erzingen und Grießen werde bald beginnen, der Radwegebau sowie die Reduktion des Verkehrsaufkommens wolle er in Angriff nehmen. Er widmete sich dem Breitbandausbau, dieser sei kurz vor der Anbindung an den Backbone-Ring des Landkreises und somit werde das Ortsnetz an schnelles und leistungsfähiges Internet angebunden sein. Auch versprach er in seiner zweiten Amtszeit Bürgerversammlungen abzuhalten. Zum Thema Tempo 30 zog er einen Bürgerentscheid in Betracht.

Das sagt Herausforderer und Lehrer Michael Ehm

Michael Ehm (41), Lehrer, erklärte: „Eine Verwaltung muss Vertrauen und Ruhe ausstrahlen.“ Empathie, Zusammenarbeit auf Augenhöhe und ein offenes Ohr für alle müsse ein Bürgermeister haben, sowie die Fähigkeit, mit den Menschen umzugehen. Er hat kürzlich das Studium zum Wirtschaftsmediator abgeschlossen und ist Lehrer für Chemie und Physik sowie Qualitätsmanagement-Koordinator an der Justus-von-Liebig Schule.

In seiner Ansprache beschwor er das Bild eines Hauses herauf, als ein Sinnbild für die Gemeinde, die Verwaltung bilde ein sicheres Fundament, die Hülle, ausgestattet mit Räumen und großen Fenstern, die den Blick nach außen öffnen: Der Austausch der Bewohner finde am Esstisch statt.

Seine Prioritäten setzte er auf eine offene Kommunikation mit allen Beteiligten. Konkreten Bedarf sah er in einer entscheidenden Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs und nannte als Beispiel die Verbindung zum MVZ. In der Gemeinde sah er großes wirtschaftliches Entwicklungspotential, ebenso wolle er mehr Wohnraum schaffen, wie zum Beispiele mit der Ausweisung von Sanierungsgebieten. Die Digitalisierung der Verwaltung sei ein wichtiges Ziel. Er bezog Stellung zum Thema Jugend, insbesondere habe er die 12- bis 16-Jährigen im Blick, die keine Anlaufstellen oder Treffpunkte haben. Sein übergreifendes Credo als Bürgermeister machte Ehm an der Bürgernähe fest.

Das sagt Herausforderer und Betriebswirt Hubert Behringer

Hubert Behringer (56) Betriebswirt und Geschäftsführer eines Busunternehmens, erklärte: „Ich habe den Mut und den Willen zu Veränderungen.“ Seine Themen der Zukunft machte er an Bereichen Wirtschaft, Wohnraum und Bildung fest. „Klettgau hat ein großes Potential für eine gute und nachhaltige Zukunft.“

Als engagierter und erfahrener Gemeinderat habe er entscheidende Verwaltungseinblicke gewonnen. Mit seiner fachlichen Kompetenz, mit Vertrauen, Ehrlichkeit und Empathie möchte er die Gemeinde in Zukunft nachhaltig ausbauen. „Ich stehe für innovative Ideen und wertschätzende Kommunikation“, betonte Behringer.

Seine Schwerpunkte in den nächsten acht Jahren im Amt machte er an Wirtschaft, Bildung und bezahlbaren Wohnraum fest, dazu seien Erbpachtmodelle denkbar. Jugend, Familie, Vereine thematisierte er und erklärte „mehr den denn je ist wichtig, wieder Gemeinschaft zu leben“. Behringer betonte die Bedeutung einer guten Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat sowie eine bessere Kommunikation der kommunalen Projekte. „Das ist mir eine Herzensangelegenheit.“

Fragen und Anliegen der Bürger in Erzingen

Die Gelegenheit, ihre Anliegen vorzubringen und Fragen zu stellen wurde redlich und lebhaft genutzt. Die Sorgen um die Sicherheit der Rad fahrenden Kinder machte den Auftakt, die prekäre Personalsituation in den Kitas, besonders die Fluktuation des Personals.

Die Gelegenheit Fragen und Anliegen vorzubringen wurde von den Klettgauern rege genutzt.
Die Gelegenheit Fragen und Anliegen vorzubringen wurde von den Klettgauern rege genutzt. | Bild: Regina Mahler

Ein schwieriges Thema war die Umsetzung der Mobilitätsgarantie hierzulande, nachgefragt wurden zudem die Visionen und Ziele der Kandidaten für die nächsten acht Jahre für Klettgau. Klärungsbedarf bestand zur Digitalisierung der Verwaltung, was bringt sie genau? Die Lösungen für adäquate Jungendtreffpunkte, nebst den Sorgen um das Vorhaben de Schweiz zum Bau einer Windkraftanlage in direkter Nachbarschaft zum Ortsteil Bühl Themen wie die Finanzsituation Klettgaus und anderes mehr wurden vorgebracht.

An dieser Stelle ist explizit der Appell des 89-jährigen Erzingers zu erwähnen: „Bitte vergesst die Alten nicht!“ Rudi Menzel schilderte seine Probleme als betagter Bürger. Er kritisierte die schlechte Anbindung des MVZ für Senioren, auch das Überqueren der Hauptstraße sei für betagte Menschen ein großes Hindernis. Für seine bewegenden Worte erhielt er großen Beifall aus dem Saal.

Damit war der Schlusspunkt der Bürgerfragerunde gesetzt. Es folgten schließlich die Schlussworte der beiden Bewerber Ehm und Behringer, die noch einmal ihre markanten Ziele und Vorhaben im Falle ihrer Wahl in das Amt des Bürgermeisters in aller Kürze verdeutlichten und um die Stimmen der Wähler warben.

Fragen an die Kandidaten und Antworten in Grießen

  • Oliver John aus Grießen: „Wie wollen Sie die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter der Kindertagesstätten attraktiver gestalten?“ Michael Ehm setzt auf Flexibilität im Bereich der Betreuungszeiten, die er durch Digitalisierung der Arbeitspläne erreichen will. Hubert Behringer setzt auf die Anwerbung neuer Fachkräfte, um die Erzieher zu entlasten. Mit Social Media Kampagnen will er die Gemeinde und den Beruf in einem positiven Licht erscheinen lassen. Ozan Topcuogullari stellte die Attraktivität des Arbeitsplatzes in den Vordergrund. Zeitgemäße Ausstattung und eine gute Infrastruktur sieht er als Basis an. Wenn möglich, soll auch die Anzahl der Betreuer pro Kind gesteigert werden, um so für Entlastung zu sorgen.
Riesiges Interesse in Grießen bei der Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl am 10. November. Selbst zusätzlich bereit gestellte ...
Riesiges Interesse in Grießen bei der Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl am 10. November. Selbst zusätzlich bereit gestellte Stühle reichten nicht aus, und so mussten sich einige Besucher mit einem Stehplatz bei der dreistündigen Fragerunde zufriedengeben. | Bild: Rolf Sprenger
  • Markus Bollinger, aus Weisweil: „Wie weit sind die Planungen für den neuen Marktplatz auf dem ehemaligen Postgelände in Erzingen und kann dies eventuell noch gestoppt werden?“ Ozan Topcuogullari stellte klar, dass sich das Projekt noch in der Evaluierung befindet, und es noch keine Beschlüsse gibt. Er stellte die Vorteile wie die Größe des Areals und die unmittelbare Nähe zur Hauptstraße, welche vom Gewerbeverein und den Marktbeschickern als positiv angesehen wird. Michael Ehm bevorzugt eine Lösung im Dorfpark. Die Vorteile sieht er darin, dass Parkplätze bereits vorhanden sind und der Park dadurch wesentlich an Attraktivität gewinnen könnte. Die Nutzung des Postareals sieht er kritisch, da er für diesen Platz wesentlich sinnvollere Alternativen der Bebauung sieht. Hubert Behringer sieht es ähnlich: „Die Fläche am Postgelände ist zu attraktiv, um einmal in der Woche einen Markt abzuhalten“, stellt er klar. Eine Lösung im Dorfpark kann er sich ebenfalls gut vorstellen.
  • Sebastian Schlegel aus Geißlingen: „Was wollen Sie machen, um den Wirtschaftsstandort Klettgau attraktiver zu machen?“ Hubert Behringer will einen engen Austausch mit Gewerbe und Industrie tätigen. „Die Ansprüche haben sich geändert, wir müssen auf die Wünsche und den Bedarf individuell eingehen“, wäre seine Vorstellung. Ozan Topcuogullari verwies auf die bereits bestehenden Vorteile. Der Breitbandausbau ist im Industriegebiet bereits abgeschlossen und vor allem die niedrigen Gewerbesteuern seien ein Argument für den Klettgau. Michael Ehm setzt auf den Austausch mit den Interessenten. Gleichzeitig will er auf die Stärkung des bestehenden Potentials setzen. Er kann sich eine Image-Kampagne vorstellen, in dem Klettgau als Weinort vorgestellt wird.
  • Sabine Geiger aus Grießen: „Wir haben in ihrer Vorstellung viel über ihre Kompetenzen gehört – Aber wo liegen ihre Schwächen auf beruflicher Ebene?“ Mit ihrer direkten Frage brachte die Bürgerin die drei durchaus in Verlegenheit. Hubert Behringer hatte das Pech, als erstes darauf antworten zu müssen und es blieb ihm nur übrig auf seine Angestellten und Freunde zu verweisen. Michael Ehm will es allen recht machen. Gleichzeitig wünscht er sich mehr Gelassenheit und weniger Ungeduld zu zeigen. „Ich versuche, alles selber zu machen“, sagte Ozan Topcuogullari. Für sich selbst sieht er das zwar als Stärke an, gibt aber zu, dass er damit bei vielen nicht so gut ankommt.