„In der heutigen Zeit wird viel zu oft weggesehen, gerade bei Menschen, die am untersten Ende unserer Gesellschaft angekommen sind“, sagt Catia aus Bad Säckingen. Sie bittet darum, dass wir ihren Nachnamen nicht aufschreiben. Erst nach etwas Bedenkzeit entscheidet sie sich dazu, überhaupt öffentlich über ihr Engagement zu sprechen. Catia fürchtet negative Reaktionen auf ihre Aktion. „Das habe ich leider schon öfter erlebt“, sagt sie und ergänzt: „Außerdem geht es dabei ganz und gar nicht um mich, sondern um die Menschen, die auf der Straße leben und nichts mehr haben.“

Süßigkeiten, Lebensmittel, Socken, Mützen, Schals, Handschuhe und Hygieneartikel: Das sind die Dinge, die in den Papierüten verpackt sind, die Catia und ihre Mutter an Obdachlose in der Region verteilen.
„Der Obdachlose, der auf der Straße lebt, ist immer ein Mensch, der Hilfe braucht. Alles andere ist völlig egal.“Catia
Viele Hilfsbereite vor allem aus Bad Säckingen und Wehr, haben sich in den vergangenen Wochen beteiligt, brachten Catia die unterschiedlichen Sachen. 20 Tüten waren das Ziel, nun sind es über 70. Ein großer Erfolg für eine Aktion, die ausschließlich im privaten Rahmen über das soziale Netzwerk Facebook ablief. Familienmitglieder, Freunde, Freunde von Freunden, Bekannte, aber auch Fremde beteiligten sich. „Was mir auffällt: Häufig bieten Menschen ihre Hilfe an, bei denen man es eigentlich nicht erwarten würde.“

Catia betont: „Ich bin kein Verein, sondern nur Privatperson.“ Darum habe sie auch keine Geldspenden angenommen: „Das hätte ich auch gar nicht gewollt. Es geht darum, Obdachlosen eine Freude zu bereiten, nicht darum, ihnen Geld zu geben.“
„Für uns sind es Kleinigkeiten, aber es sind alles Dinge, an denen es den Menschen auf der Straße mangelt.“Catia
Viele fragen sich, wie sie Bedürftigen vor Ort helfen können, oder resignieren, weil sie davon ausgehen, als Einzelner nichts ausrichten zu können. „Aber das stimmt überhaupt nicht“, sagt Catia. „Es ist gar nicht schwierig, einem Obdachlosen zu helfen. Das muss auch beileibe kein Geld sein“, betont sie und erklärt: „Ihn wahrnehmen als Mensch, der er ist, mit ihm reden, ihm zuhören. Oder auch einfach nur ein Lächeln schenken.“ Was sie macht, wenn sie einen Obdachlosen am Straßenrand sitzen sieht? „Wann immer mir die Zeit reicht, versuche ich mit ihm zu reden und frage, was er braucht. Oft kaufe ich ihm beispielsweise eine Kleinigkeit zu essen.“
Catia ist eine hübsche junge Frau. Hat sie keine Angst, wenn sie auf Obdachlose, meist Männer, zugeht? „Nein, das habe ich nicht.“
„Wer auf der Straße lebt, hat sich das nicht selbst ausgesucht. In den allermeisten Fällen haben diese Menschen schwerste Schicksalsschläge erlebt.“Catia
Catia erzählt die Geschichte eines Obdachlosen: „Erst ist seine Frau gestorben, dann kamen auch noch seine beiden Töchter bei einem Unfall um. Er hat jeglichen Halt im Leben verloren, ist durch das Raster gefallen und nun ganz unten, lebt seit Jahren auf der Straße.“ Der Mann lebt in Lörrach. Catia lernte ihn kennen, als sie noch dort wohnte: „Wer will sich anmaßen ihm vorzuwerfen, dass er keine Kraft hat, Anträge zu stellen, keinen Sinn darin sieht, sein Leben ‚zu ordnen‘?“

„Wir sollten dankbar sein, für all den Wohlstand, den wir haben. Weil ich das selbst bin, kann ich an andere denken. Wenn ich es irgendwie einrichten kann, versuche ich mich zu engagieren.“ Von Reichtum ist Catia selbst weit entfernt. Ihre Wohnung ist klein. „Ich habe hier gar keinen Platz, um die Tüten zu lagern. Die sind alle schon bei meiner Mutter.“

Menschlichkeit, das ist es, was Catia antreibt. „Ich habe schon früher solche Aktionen gemacht, auch mit anderen gemeinsam im Team.“ In diesem Jahr habe es sich aber so ergeben, dass das Mutter-Tochter-Gespann alleine unterwegs ist. „Wir werden am 18. Dezember die Weihnachtstüten verteilen.“
Wo sie die Obdachlosen dann trifft? „Beispielsweise in Parks, an Bahnhöfen oder in Unterführungen“, sagt die junge Frau. In Bad Säckingen, Lörrach und Waldshut-Tiengen soll bedürftigen Menschen geholfen werden. „Was übrig bleibt, bringen wir zur AGJ-Wohnungslosenhilfe des Landkreises Waldshut.“
„Mir ist bewusst, dass diese Aktion nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber ich bin sicher, dass unsere Gesellschaft immer wieder solche Zeichen braucht.“Catia
Ob jeder Wohnungslose tatsächlich alles braucht, was in der Tüte ist? Catia muss schmunzeln. „Ich habe noch nie erlebt, dass sich jemand nicht darüber gefreut hat. Es geht auch nicht nur um die Dinge in der Tüte. Mir ist es wichtig, dass der beschenkte Obdachlose weiß, da ist jemand, der an dich denkt. Nicht an dich als ‚Fall‘ oder gar als ‚Problem‘, sondern an dich als Person, an dich als Mensch.“