**Aktualisierte Fassung des Artikels vom 26. Februar 2020 nach Stellungnahme des Landratsamts***
„Eine weitest gehende Transparenz bei den Planungen für das neue Zentralspital„: Diese klare Vorgabe richtete dieser Tage die Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums Freiburg in einem Schreiben an das Landratsamt Waldshut. Grund dafür ist ein nicht-öffentlich gefasster Beschluss des Kreistags im Mai 2019 über das Medizinkonzept des geplanten Zentralspitals in Albbruck. Laut Bewertung der Kommunalaufsicht müsse dieser Beschluss tatsächlich nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Allerdings wird das Landratsamt ausdrücklich gebeten „bei allen weiteren Beschlüssen aufmerksam zu prüfen, welche Inhalte öffentlich behandelt werden können.“ Das Landratsamt selbst sieht sich allerdings eher bestätigt als kritisiert.
Wie es dazu kam? Hier die ganze Geschichte:
Was war passiert?
Im Zuge der Recherchen zum aktuellen Stand des geplanten Zentralspitals in Albbruck am 7. November 2019 stieß der SÜDKURIER auf der Internetseite des Landratsamts Waldshut auf folgenden Inhalt: „[...] der Kreistag [hat] am 08.05.2019 den Beschluss zum künftigen Medizinkonzept und zum Raum- und Funktionsprogramm für das geplante Zentralklinikum gefasst.“ Ein solcher Beschluss war bis dahin in der Redaktion nicht bekannt. Die Durchsicht der öffentlich zugänglichen Kreistags-Tagesordnung und -Sitzungsvorlage blieb ergebnislos.

Susanna Heim, Pressesprecherin des Landratsamts Waldshut, erklärte auf unsere noch am selben Tag gestellte Nachfrage: „Die Vorlage war am 8. Mai 2019 nichtöffentlich in der Beschlussfassung. Nichtöffentlich war die Sitzung, weil es darin auch um strategische Entscheidungen zur Entwicklung des künftigen Leistungsangebots des Klinikums ging.“ Warum unter Ausschluss der Öffentlichkeit? Heim: „Diese Überlegungen sind im aktuellen Stadium nicht geeignet, der Öffentlichkeit und damit potenziellen Mitbewerben offenzulegen.“
Da die Sitzung nicht-öffentlich war, wird auch Journalisten keine Einsichtnahme in das Protokoll gewährt. Der Inhalt des Beschlusses war also nicht zugänglich.
Was dann geschah
Diese Erklärung reichte den Redakteuren nicht aus. Sie sahen und sehen weiterhin hier zweifelsohne das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit auf Information als gegeben an. Dies vor allem, da es bei dem Projekt um die medizinische Versorgung der Menschen in der gesamten Region geht.
In Abstimmung mit der Chefredaktion wird Landrat Martin Kistler zu einer schriftlichen Stellungnahme und einer Begründung des nicht-öffentlichen Beschlusses aufgefordert. Die Antwort geht am 27. November ein.
Wie das Landratsamt die Entscheidung begründet
Mediensprecherin Susanna Heim beharrt darauf, dass der Beschluss zurecht hinter verschlossenen Türen fiel: „Die Krankenhausversorgung des Kreisgebiets stellt eine überörtliche kreisbezogene Angelegenheit dar, sodass das medizinische Konzept des künftigen Zentralklinikums sowie das Raum- und Funktionsprogramm des Klinikums, Interessen darstellen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit zum öffentlichen Wohl erfordern können.“ Das Landratsamt beruft sich auf Paragraf 30 Abs. 1 der Landkreisordnung für Baden-Württemberg.
Dieser sei bei Beratung und Beschlussfassung am 8. Mai 2019 angewendet worden, wie im Schreiben erläutert wird: „Zum öffentlichen Wohl war es erforderlich, Überlegungen über Strategien und medizinische Ausrichtungen sowie zum Raum- und Funktionsprogramm des künftigen Zentralklinikums zunächst nicht-öffentlich zu beraten.“
Es habe sich um Informationen gehandelt, deren „öffentliche Erörterung im Anschluss die Position des künftigen Zentralklinikums und damit auch die Position des Landkreises beeinträchtigen würden, weil es sich bei diesen um Umstände von Relevanz für den Wettbewerb handelt.“
Eine unbefriedigende Antwort für die Journalisten
Nach Prüfung der Antwort des Landratsamts wendet sich Jörg-Peter Rau von der Chefredaktion Lokales am 4. November 2019 mit der Bitte um Klärung der Sachlage durch die Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums Freiburg. Rau beruft sich auf Paragraf 4 des Landespressegesetzes.
Seine Haltung ist klar: „Das Handeln von Verwaltung und Politik steht wie nie zuvor unter dem Erwartungsdruck von Transparenz. [...] Ein öffentlicher, auch über die Medien geführter Diskurs über solche Themen kann und darf nach unserer Überzeugung nicht durch Verschiebung in die Nicht-Öffentlichkeit von zunächst Beratung und dann sogar noch Beschlussfassung politisch unterbunden werden.“
Wie bewertet die Kommunalaufsicht die Entscheidung des Landratsamts?
Anfang Februar dann die Antwort von der Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums. Die dafür zuständige Regierungsdirektorin führt aus, dass die Kommunalaufsicht zwischenzeitlich eine Stellungnahme zu dem Vorgang aus Waldshut erhalten und geprüft habe.
Demnach „war die nicht-öffentliche Beschlussfassung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig, weil strategische Vorüberlegungen, wären diese öffentlich geworden, Nachteile im Wettbewerb bedeutet hätten.“ Darüber hinaus hätten „unsererseits nachvollziehbare berechtigte Interessen Einzelner“ vorgelegen, die den Ausschluss der Öffentlichkeit erfordert hätten. Jörg-Peter Rau stellt dazu fest, dass er diese Ansicht zwar nicht teilt, aber respektiert.
Kommunalaufsicht bittet um Transparenz
Im Schreiben blickt das Regierungspräsidium aber auch nach vorn: „Als weitere Verfahrensschritte stehen nun die ersten Abstimmungen mit dem Sozialministerium an. Abschließend beabsichtigt der Landkreis, das Medizinkonzept zu konkretisieren und zu überarbeiten, um damit in eine öffentliche Kreistagssitzung zu gehen“, heißt es im Schreiben der Kommunalaufsicht.
Die Experten im Regierungspräsidium heben den Grundsatz der Öffentlichkeit hervor und formulieren unmissverständlich: „Deswegen werden wir das Landratsamt bitten, bei allen weiteren Beschlüssen aufmerksam zu prüfen, welche Inhalte öffentlich behandelt werden können, um eine weitest gehende Transparenz bei den Planungen für das neue Zentralklinikum herzustellen.“ Dies sei für die Akzeptanz des Projekts von „enormer Bedeutung.“
Die Reaktion des Landratsamts
Nach der erstmaligen Berichterstattung über den Vorgang auf SÜDKURIER Online am 26. Februar dauert es nur wenige Stunden, bis sich Susanna Heim, Pressesprecherin des Landratsamts, meldet. Sie bleibt bei folgender Einordnung ihrer Behörde: „Das Regierungspräsidium teilt unsere Auffassung vollumfänglich und bestätigt die von uns angeführten Gründe für eine nicht-öffentliche Entscheidung, insbesondere da vor der (noch ausstehenden) öffentlichen Beratung erst noch die Abstimmung mit dem Sozialministerium erfolgen muss. Auch darüber haben wir den Südkurier in Gesprächen, Mails und Telefonaten informiert. Eine transparente Information der Bürgerinnen und Bürger ist uns ein Anliegen.“
Wie es geht es weiter?
Die SÜDKURIER-Redaktion wird sich weiter darum bemühen, jenseits von ausdrücklich nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Hintergrundinformationen Transparenz für die Leser und Bürger zu schaffen. Eine Antwort, auf welche Weise und in welchem Umfang das Landratsamt dieser Aufgabe nachkommt, bleibt derzeit offen.
Gemäß der Einordnung und des Ausblicks des Regierungspräsidiums ist nach derzeitigem Stand davon auszugehen, dass in einer der nächsten Kreistagssitzungen das Medizinkonzept öffentlich beraten wird. Der SÜDKURIER wird darüber berichten.